Brettspiel-Test: Ein Fest für Odin (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Feuerland
Release:
10.10.2016
Spielinfo Bilder  
Sammel- und Puzzlecharme

Denn das Einzigartige an diesem Aufbauspiel ist der neue Sammel- und Puzzlecharme, so dass etwas Legetaktik vonnöten ist. Das sorgt für frische Impulse, die auch Kenner angenehm überraschen dürften. Ähnlich wie im kleinen Zweipersonenspiel Patchwork muss man die geometrische Form seiner Waren und Schätze beachten, wenn man diese auf seinen Spielplänen platziert - das fühlt sich fast ein wenig nach Tetris an, wenn man den erbeuteten Halsring oder die Krone dreht und wendet, damit sie passt. Was bringt das optimale Platzieren? Bei einer Umrahmung entweder das abgebildete Silber oder die
Jeder startet mit einem Heimatplan, der das Dorf darstellt. Links erkennt man die vielen Minuspunkte im Raster, die es mit Waren oder Schätzen abzudecken gilt; Bonuswaren gilt es einzurahmen - so entsteht angenehme Legetaktik. Unten sind die Ställe, rechts ist der Hafen abgebildet und oben rechts die Methalle.
Jeder startet mit einem Heimatplan, der das Dorf darstellt. Links erkennt man die vielen Minuspunkte im Raster, die es mit Waren oder Schätzen abzudecken gilt.
Waren und - was noch wichtiger ist: man muss die bösen Minuspunkte abdecken. Wer besser sammelt und auslegt, bekommt sofort mehr Einkommen und am Ende auch mehr Siegunkte - eine tolle Wechselwirkung!

Das Motivierende und auf lange Sicht angenehm Taktische dabei ist, dass man nicht wild alles legen darf: Schon auf seinem Heimatplan sowie angedockten Gebäuden muss man Regeln hinsichtlich der Farben und Flächen beachten, denn man darf nicht alles aneinander oder überall platzieren. Und beim Kaufen, Jagen oder Plündern sollte man schauen, was man als Beute bekommt und ob diese passt. Auch das Entdecken neuer Inseln zwingt zum cleveren Abdecken der darauf abgebildeten Minuspunkte.

Eroberungen und Beutezüge

Man setzt seine Wikinger auf eine der möglichen Aktionen - die Auswahl ist enorm.
Man setzt seine Wikinger auf eine der möglichen Aktionen - die Auswahl ist enorm.
Es gibt bei der Expansion oder Plünderung keinerlei geostrategische oder kämpferische  Komponente: Wer als Erster eine Insel wie Island entdeckt, weil er ein Schiff dorthin schickt, darf sie an seinen Plan andocken und hat sie dann quasi auf ewig sicher - so entsteht eher ein Wettrennen um die lukrativsten der verfügbaren Eilande, die übrigens erst im Laufe des Spiels aufgedeckt werden. Und nur wer diese konsequent besiedelt, indem er seine Waren dort auf die Minuspunkte auslegt, wird am Ende wirklich etwas davon haben.

Neben diesen Eroberungen sowie der Legetaktik sorgen die Würfelaspekte für frischen Wind: Nicht nur beim Jagen von Wild und Walen, auch beim Plündern wird ein einfaches, aber durchdachte Prinzip mit einem acht- sowie zwölfseitigen Würfel angewandt. Wer seine Männer und Schiffe im Vorfeld besser bewaffnet, steigert seine Erfolgschancen, wobei man mal möglichst niedrig, mal hoch würfeln muss. Schön ist, dass es auch beim Scheitern noch einige Waren, Waffen oder Boni geben kann, so dass der Einsatz nicht ganz umsonst war.

Drei Kilo Wikinger

Dass hier keine Sackgassen oder ein Plättchenchaos, sondern ein höchst dynamischer Spielfluss entsteht, liegt auch an den vielen möglichen Tauschaktionen sowie am cleveren Wendeprinzip: Egal ob Nahrung, Tiere oder Ausrüstung - alles lässt sich aufwerten oder weiter entwickeln, so dass man immer wieder grübelt: Was sollte ich wie umwandeln, damit es mir die meisten Siegpunkte bringt?

Die beiden Sortierboxen sind enorm hilfreich.
Die beiden Sortierboxen sind hilfreich.
Satte drei Kilo Material stecken in der Box, um die ganze Vielfalt der Wikingerzeit abzubilden: Man handelt mit über 30 Waren von Fell über Met bis Leinen. Es gibt zig Karten natürlich Schiffe, Berge, Gebäude. Hat man alles ausgestanzt, ist der Tisch ein kunterbuntes Tohuwabohu an beidseitig bedruckten, angenehm stabilen Plättchen. Sehr vorbildlich angesichts dieser Fülle: Es gibt zwei Warenkästen mit mehreren Fächern, die man in der Tischmitte platzieren kann - dort wird alles schön sortiert, ist bequem greifbar und man hat auch die mögliche Aufwertung stets im Blick.


Was gefällt nicht so gut?

Der Eroberungsaspekt bietet zwar neue Möglichkeiten, aber das Potenzial wird angesichts des Themas rund um die See fahrenden Wikinger vielleicht nicht ganz ausgeschöpft: Die Expansion hätte früher stattfinden, geostrategisch eingebunden und noch besser belohnt werden können. Erst ab drei oder vier Spielern wurde es richtig spannend, weil einfach mehr um die Inseln gewetteifert wurde. Man kann auch zu zweit seinen Spaß haben, aber falls ihr ein episches Spiel für euch und einen Partner sucht, würde ich eher Arler Erde empfehlen, weil es direkt darauf zugeschnitten ist und aufgrund weniger möglicher Aktionen den besseren kompetitiven Rhythmus bietet.

Auch die lukrative Beute wird als geometrische Form ausgelegt.
Auch die lukrative Beute wird als geometrische Form ausgelegt.
Last but not least kann der Zufallsaspekt innerhalb der Ausbildungen manchmal nerven, wenn man diese gar nicht gebrauchen kann. Vielleicht hätte eine besser planbare Karriere - ähnlich der Forschung in Eclipse - auch für mehr strategische Tiefe gesorgt. Aber das sind eher Weiterentwicklungsgedanken als starke Kritikpunkte in diesem ansonsten vorbildlich verzahnten Spiel, das in seinem Regelwerk auch eine interessante Solovariante anbietet.

Fazit

Ein Fest für Odin ist ein angenehm vielfältiges Aufbauspiel, das sich zunächst so anfühlt wie ein Best-of Uwe Rosenberg: Man erkennt recht schnell die klassischen Workerplacement-Tugenden und während man mit seinen Wikingern expandiert, weht sowohl ein Hauch von Agricola als auch Arler Erde über den kunterbunt bedeckten Tisch mit seinen Dörfern, Inseln und Schätzen. Aber dann wird man von den an Patchwork erinnernden Sammel- und Puzzlemechaniken überrascht. Diese Mischung aus Aufbau, Entwicklung sowie Puzzleflair, wenn man Flächen fast à la Tetris mit Beutestücken füllt, dürfte auch unter Kennern von Rosenberg für ein frisches Spielgefühl sorgen. Die vielen Aktionen von der Jagd bis zum Beutezug sowie die wichtigen Umwandlungen und Eroberungen erlauben mehrere erfolgreiche Wege zum Sieg, so dass man sein Dorf auch nach mehreren Sitzungen noch anders entwickeln kann. Die interessante Expansion auf die Inseln lässt angesichts des Themas vielleicht etwas Potenzial liegen und man erreicht zu zweit nicht ganz den spannenden Rhythmus eines Arler Erde. Aber das sind nur kleine Schwächen in einem klasse designten und üppig ausgestatteten Spiel, das innerhalb der Vita des Autors vor allem mit seiner Vielfalt sowie kreativer Legetaktik besticht.


Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

danibua schrieb am
TanteDörte hat geschrieben:The Others macht mir sehr viel Spaß. Hab jetzt ein paar Runden hinter mir und muss sagen: Wer ein taktisches One vs. all Spiel sucht, wird hier gut bedient. Ähnliche dem neuen Doom gibts hier keine feste Kampagne, keine Charentwicklung etc. Im Gegenzug zum typischen Crawler (Descent, SoB etc) spielt sich eine Mission locker in 2 Stunden runter.
Pluspunkt ist auch das Reaktionssystem (wie z.B. in Star Wars IA), D.h. der Overlordspieler, hier der Sündenspieler, hat keinen "festen" Zug, sondern reagiert direkt auf die Züge der Heldenspieler. Dadurch verringert sich die Downtime für den Overlord (bin ich immer..) immens.
Also: Wer taktische Miniaturengefechte mag ist hier an der richtigen Adresse.
Hab den pledge heut gekriegt und gleich mal eine partie gegen meine frau gezockt.
Ich finds auch recht nett, bin zufrieden, trotz dickem regelbuch sehr einfach zu spielen.
Was ich gut finde sind die reaktionen des sündenspielers - so hat dieser relativ wenig downtime und kann unmittelbar nach einem heldenzug auf diesen die passende antwort geben.
Normalerweise mag ich den overlord in solchen spielen nicht aber bei the others gefällts mir!
Ist auch das einzige spiel dieser art bei dem ich das so kenne!
Ansonsten halt sehr zombicide artiger ameritrash mit top moiniaturen, meine runde wird es mögen!
Für den preis um den ich es bekommen habe ist auch anständig viel zeug dabei.
Gefällt mir nicht nur wegen des artworks besser als viele andere spiele dieser machart.
TanteDörte schrieb am
The Others macht mir sehr viel Spaß. Hab jetzt ein paar Runden hinter mir und muss sagen: Wer ein taktisches One vs. all Spiel sucht, wird hier gut bedient. Ähnliche dem neuen Doom gibts hier keine feste Kampagne, keine Charentwicklung etc. Im Gegenzug zum typischen Crawler (Descent, SoB etc) spielt sich eine Mission locker in 2 Stunden runter.
Pluspunkt ist auch das Reaktionssystem (wie z.B. in Star Wars IA), D.h. der Overlordspieler, hier der Sündenspieler, hat keinen "festen" Zug, sondern reagiert direkt auf die Züge der Heldenspieler. Dadurch verringert sich die Downtime für den Overlord (bin ich immer..) immens.
Also: Wer taktische Miniaturengefechte mag ist hier an der richtigen Adresse.
ekelhaftes4players schrieb am
Den aufgeführten Kritikpunkten stimme ich voll und ganz zu. Mehr noch, für mich überwiegen sie. Das erste Rosenberg was zu zweit nicht richtig Spaß macht. Die viele Möglichkeiten machen das Spiel zwar komplex, meiner Meinung nach aber nicht unbedingt wirklich tiefgründig. Ich habe mich zu Weihnachten mit Vinhos Deluxe beschenken lassen. Worker Placement mit nur 9 Aktionsfeldern. Das Spiel hat aber eine dermaßen Tiefe ohne überfrachtet zu sein (wie alle Spiele von . Vital Lacerda) Seitdem ist Odin nicht mehr auf den Tisch gekommen.
M_Coaster schrieb am
The Others ist vom Gefühl her der klassische Blender, da hast du mit deiner Angst sicher etwas recht. Um so besser die Minis um so vorsichtiger werde ich. Aber wenn der Preis cool war, man vielleicht sogar Bock hat die Figuren anmalen, dann kann so ein seichteres Amitrash-Spiel sicher rocken. Liegt da ja auch immer an der Spielgruppe. Mir persönlich war es zu teuer und ich glaube an Blood Rage wird es nicht rankommen. Wobei das Spielprinzip ja eh ein anderes ist. Ich habe z.B. Dark Souls gebackt, da habe ich auch unheimlich Lust die Figuren anzusprühen/anzumalen.
Zu Arler Erde hast du ja sicher schon genug gelesen - ich habs ja auch gestestet: http://brettundpad.de/2016/04/23/arler-erde/ Ich als Norddeutscher, der Deiche, Wind und Wasser liebt, der verliebt sich halt schnell in das Spiel. Und für mich und meine Frau ist das ein Dauerbrenner. Was etwas von First Class gerade abgelöst wird. Caverna ist auch cool, aber wenn du Agricola und Odin hast, mal zu zweit spielst, würde ich definitiv zu Arler Erde greifen.
danibua schrieb am
@M_Coaster
Hast du the others auch zu hause? Was hälst du denn davon? Habs mir bisher nicht zugelegt weil mir der preis (gerade auch wenn man die erweiterungen will) zu heftig war.
Nun hab ich gestern online einen halbwegs günstigen faith pledge ergattern können und bin echt gespannt.
Spiel und minis sehen ja sehr super aus, ich hoffe halt es ist kein blender.
Bei odin gibts bei mir nur ein paar kleinigkeiten die ich nicht ganz so gut finde, darunter auch das fest, welches ein bisschen aufgesetzt wirkt. In einem guten dutzend spiele ist es auch noch nie passiert das jemand die festleiste nicht voll machen konnte.
Ausserdem finde ich das auswandern etwas zu stark und so manch andere option ein klein wenig schwach (viehzucht), ansonsten hat ein fest für odin aber mmn kaum einen fehler.
Mal sehen ob ich mir noch ein rosenberg spiel zulege, ich schwanke zw. Arler erde und caverna.
schrieb am