Special: Das schwelende Unheil
Ein "Living Card Game" ist...
...ein hübscher PR-Begriff, der meist etwas zu viel verspricht. Es ist ja lediglich eine kleine Weiterentwicklung der klassischen Sammelkartenspiele wie etwa "Magic - The Gathering". Auch hier erscheinen in regelmäßigen Abständen weitere Karten, nur sind die Inhalte klar definiert - man kauft also nicht die Katze im Sack, sondern kann sein Deck etwas strategischer ausbauen. Oder, wie in diesem speziellen Fall, auch ganz neue Abenteuer über Erweiterungen erleben.
Rollenspielflair und Lovecraft-Mythos
Das Spieldesign orientiert sich an den von mir bereits vorgestellten Brettspiel-Vorbildern wie Arkham Horror, Eldritch Horror oder Villen des Wahnsinns, die kreative Zeichen innerhalb der Cthulhu-
Im Laufe des Abenteuers kann man natürlich sterben, wahnsinnig werden oder tatsächlich die dunklen Geheimnisse der morbiden Kurzgeschichten lüften. Wie läuft das ab? Es gibt keinen illustrierten Spielplan, aber dafür werden die Ortskarten über kleine Symbole verbunden, so dass man immer weiß, ob man vom Keller erst in den Flur, dann ins Wohnzimmer und von dort auf den Dachboden gelangt. Zunächst werden kleine Einleitungen vorgelesen, die auf das Szenario einstimmen. Dann wird ein Ort in der Mitte aufgedeckt, an dem die Ermittler starten - etwas schade ist, dass diese Karten nicht größer sind, so dass das gezeichnete Interieur etwas untergeht. Trotzdem sorgt das sehr gute Artdesign auch in diesem Kartenspiel für eine angenehme Atmosphäre.
Fertigkeitsproben und böse Zufälle
Meist befinden sich die Ermittler schon in einer mysteriösen Situation, dargestellt durch die ausliegenden Hinweismarker. Je nach Szenario gilt es eine Anzahl dieser Marker einzusammeln, damit es in der Geschichte weitergeht, die nächste Szene vorgelesen wird und weitere Orte ausgelegt werden. Allerdings muss das Duo dafür erfolgreich erkunden, Kultisten und Monster besiegen sowie andere Gefahren überstehen. All das wird großteils über Fertigkeitsproben in den vier Bereichen Willenskraft, Intellekt, Kampf und Beweglichkeit ausgetragen.
Das schwelende Unheil
Aber gerade in Cthulhu-Abenteuern gehört das stetig schwelende Unheil natürlich dazu. Das Gefühl der Bedrohung wird durch die Schwächekarten nochmal verstärkt: Zieht man diese, muss man sofort das Spiel unterbrechen und das meist negative Ereignis auslösen. Daher ist ein Kern der Spielmechanik die möglichst gute Vorbereitung, bevor es in einen Konflikt geht: Während seines Zuges darf jeder Ermittler bis zu drei von neun möglichen Aktionen in beliebiger Reihenfolge und Anzahl tätigen - darunter das Ziehen von Karten, Sammeln von Ressourcen und Aktivieren von Fähigkeiten.
Alle haben überlebt? Gut, aber die Spannung erhöht sich nochmal in der Mythosphase: Dann wird nämlich ein Verderbnismarker auf die so genannte Agenda gelegt, die den Fortschritt des Unheils symbolisiert - quasi parallel zum Fortschritt der Story über Hinweismarker. Liegt hier eine bestimmte Anzahl dieser blutroten Zeichen, kommt es zu einer Verschärfung der Situation, etwas eskaliert und greift um sich, Wahnsinn und Schrecken nehmen zu.
Was gefällt nicht so gut?
Fazit
Meist geht es in Sammelkartenspielen um kompetitive taktische Duelle: Jeder baut seine Fraktion oder Armee aus, versucht den Gegner zu treffen oder zu kontern und am Ende zu siegen. Nicht so in Arkham Horror - Das Kartenspiel, das dem Begriff "Living Card Game" tatsächlich gerecht wird, denn hier entsteht ein lebendiges Abenteuer mit viel Kommunikation und Rollenspielflair samt Fertigkeitsproben, Ausrüstung und Talenten. Schön ist auch, dass jeder Held dank der exklusiven Decks wirklich eigene Schwächen und Stärken zeigt. Man freut sich, flucht und ist erleichtert, wenn das Team lebendig die nächste Szene erreicht. Dazu trägt nicht nur das kooperative Konzept bei, sondern vor allem die zweigleisige Regie, die sowohl das positive Fortschreiten der Ermittler als auch das schwelende Unheil erzählerisch abbildet. So kann das Horror-Abenteuer sowohl über den Zeitdruck als auch Ereignisse tragisch eskalieren - und genau das will man als Cthulhu-Fan bei gedämpftem Licht und bösen Mollakkorden erleben. Wer es als Fan von H.P. Lovecraft lieber klassisch mit Spielplan, Würfeln oder Figuren mag, sollte sich Eldritch Horror, Arkham Horror: Das Brettspiel oder Villen des Wahnsinns ansehen. Und wer statt Rollenspiel eher auf Tabletop mit XXL-Monstern steht, könnte an der Eroberungstaktik von Cthulhu Wars Gefallen finden.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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