Brettspiel-Test: Cry Havoc (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



Spielinfo Bilder  
Die Macht der Kristalle

Warum wollte Gelb überhaupt die Kalas Schlucht erobern? Weil die Wanderer dort neun Kristalle bewachten, die ebenso wie beherrschtes Gelände lukrative Siegpunkte einbringen. Cry Havoc wird nur über fünf Runden gespielt und läuft angenehm flott, so dass man zügig seine Stärken ausspielen und clever erobern muss. Zwar gibt es auch einen Aufbau über drei Gebäude, aber da geht es nicht um langfristige Infrastruktur, sondern eher um kurzfristige Unterstützung für den Krieg. In einer Runde darf man abwechselnd nur drei von fünf Aktionen ausführen: Truppen bewegen, Truppen rekrutieren, Gebäude bauen und/oder aktivieren, Geländekarten ziehen oder eine Wertung aktivieren. Das Nutzen von Rohstoffen über abgeworfene Karten und deren Symbole erinnert angenehm an Alien Artifacts oder 51st State.

Das interessante Kampfsystem: Man hat auf dem gefechtstableau drei Bereiche mit anderen Zielen zur Verfügung.
Das interessante Kampfsystem: Man hat auf dem gefechtstableau drei Bereiche mit anderen Zielen zur Verfügung.
Sowohl Regelwerk als auch Spielplan und Fraktionsbereiche sind inhaltlich und visuell klar strukturiert, so dass auch weniger erfahrene Spieler schnell in einen Fluss aus Aktion und Reaktion kommen. Im Gegensatz zu reinen Eroberungsklassikern wie Risiko sorgen die offenen Fähigkeiten, die bei Gebrauch wie in einem Sammelkartenspiel getappt werden, sowie die verdeckten Karten auf der Hand für Abwechslung und Überraschungen. Da man seinen Nachziehstapel im Verlauf über Terrainkarten erweitert, die man allerdings nur im speziellen Gelände aktivieren kann, bekommt man immer mehr Möglichkeiten je weiter das Spiel fortschreitet. Für kleine Boni sowie Tempo sorgen die zu Beginn einer Runde ausgespielten Ereignisse, wobei das fünfte auch die finale Wertung einläutet.

Vier markante Fraktionen

Neben der Armee der Wanderer und jener der Menschen kann man auch die der Maschinen wählen. Zwar unterscheiden sich die Truppen selbst überhaupt nicht hinsichtlich Waffen, aber sowohl beim Bau der drei Gebäude als auch den acht Taktik-
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Cry Havoc ist ein ansehnliches und sowohl hinsichtlich der Regeln als auch visuellen Hilfen angenehm klar strukturiertes Brettspiel.
Karten sowie Fähigkeiten gibt es markante Differenzen, weil sie alle exklusiv abgestimmt sind. Während die Menschen z.B. sehr schnell Siegpunkte nebenbei abstauben und leere Gebiete über Flughäfen besetzen können, nutzen nur die Wanderer auch Kristalle für Spezialaktionen und die Maschinen verfügen u.a. über tödliche Distanzangriffe. Es macht jedenfalls Spaß, mit den unterschiedlichen Stärken zu experimentieren, weil sie etwas andere Schwerpunkte in der Taktik verlangen und auch für Langzeitunterhaltung sorgen.

Zu den interessanten Aspekten gehören auch die Trogg als einheimische Aliens, die man lediglich im Spiel zu viert als Fraktion wählen kann. Weil nur sie Tunnel bauen und sehr flexibel mit den allgemeinen Taktikkarten umgehen können, entsteht zu viert nochmal ein ganz anderes, angenehm unberechenbares Spielgefühl auf der großen Karte; im Spiel zu zweit nutzt man übrigens die Rückseite der Karte mit der etwas kleineren Welt. Kämpft man nur zu zweit oder zu dritt um die Vorherrschaft, werden die Trogg lediglich als neutrale Macht aktiv, indem man ihre Nester auslegt und ihre Figuren im Kampf einsetzt; cool ist aber, dass auch sie Gefangene nehmen können - gesteuert werden sie dann vom jeweiligen anderen Spieler. Zwar gibt es keine Solovariante, aber es ist schön, dass man auch zu zweit sehr spannende Partien erlebt, die schon nach einer Dreiviertelstunde ins Finale gehen.

Was gefällt nicht so gut?

Die Basis der Menschen mit den drei Gebäuden und exklusiven Fähigkeiten.
Die Basis der Menschen mit den drei Gebäuden und exklusiven Fähigkeiten.
Im Vergleich zu anderen Spielen mit Miniaturen wie etwa Blood Rage, Star Wars: Imperial Assault & Co kann Cry Havoc hinsichtlich Design und Vielfalt nicht mithalten, obwohl die Produktionsqualität von Karte, Markern & Co eine sehr gute ist - die Figuren sehen ordentlich aus, aber nicht mehr; außerdem verfügt jede Fraktion nur über einen Typ. Außerdem scheint es zu Beginn vor allem im Spiel zu zweit so, dass die Menschen mit ihrer Fähigkeit, auch mitten in einer Runde sofort Siegpunkte einzuheimsen, etwas im Vorteil sind. Man hätte das etwas abdämpfen können, indem sie auch etwas dafür bezahlen müssen, ähnlich wie die Wanderer meist einen Kristall für eine Exklusivaktion abgeben. Aber spätestens im Spiel zu dritt oder viert wird das wieder etwas entschärft und unser obiges Kampfbeispiel hat gezeigt, dass auch andere Fraktionen durchaus exklusive Stärken besitzen.

Fazit

Cry Havoc inszeniert einen angenehm flotten Mix aus etwas Aufbau, viel Kampf und überraschender Kartentaktik. Es erreicht zwar weder die Tiefe noch die Miniaturenqualität eines Blood Rage oder Cthulhu Wars, aber es gehört definitiv zu den unterhaltsameren Eroberungskonzepten, die man auch zu zweit sehr gut spielen kann. Das Regelwerk ist klar, die Produktionsqualität sehr gut und es entsteht ein spannender Wettlauf um Gebiete und Kristalle, der vor allem von den markanten Unterschieden der vier Völker sowie dem interessanten Kampfsystem mit seinen drei Zielvorgaben lebt. Obwohl es so scheint, gewinnt man nicht immer durch einfache Überzahl, denn exklusive Fähigkeiten und Kartentaktik können die Machtverhältnisse aushebeln. Ihr könnt auf langwierige Erkundung, Rohstoffabbau und Diplomatie verzichten? Hier geht es gleich zur Sache! Wer ein auch auf lange Sicht flexibles kompetitives Brettspiel für Eroberer sucht, sollte zuschlagen.


Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps, Klassiker oder ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet. Mehr Brettspiel-Tests und eine Top 20 findet ihr hier.

Kommentare

Raskir schrieb am
M_Coaster hat geschrieben: ?08.02.2018 00:21
4P|T@xtchef hat geschrieben: ?07.02.2018 15:24 Boah, zum Anmalen hab ich keine Zeit mehr - und dafür sind mir die in Cry Havoc zu grob. Gleich mal schauen...
Hehe, ja es sind nicht die schönsten Modelle und darum wurde die Farbe auch eher draufgeklatscht ;) Ich male zurzeit Cthulhu Wars an, da lohnt sich das dann eher.
@Raskir Scythe und Cry Havoc teilen sich vielleicht die Zeit für Spiele, abseits dessen sind sie aber völlig grundverschieden und nicht im Ansatz zu vergleichen.
Es geht eher darum, dass beides Spiele sind, wo es um Territorialeroberung geht. Bei Scythe gibt es aber so gut wie keine Kämpfe, deswegen weiß ich schon, dass man sie nicht direkt vergleichen kann. Aber bei beiden hat man Gebiete um die gestritten wird, verschiedene Siegpunkte (oder arten zu siegen), verschiedene Völker mit verschiedenen Fähigkeiten. Sie sind zumindest ein bisschen vergleichbar. Ansonten haben wir halt auch noch Firefly und Ringkrieg. das reicht erstmal an zeitaufwändigen Spielen. Außer es kommt nochmal eine absolute Perle wie Scythe. Pandemic Legacy wird ja auch gezockt.
M_Coaster schrieb am
4P|T@xtchef hat geschrieben: ?07.02.2018 15:24 Boah, zum Anmalen hab ich keine Zeit mehr - und dafür sind mir die in Cry Havoc zu grob. Gleich mal schauen...
Hehe, ja es sind nicht die schönsten Modelle und darum wurde die Farbe auch eher draufgeklatscht ;) Ich male zurzeit Cthulhu Wars an, da lohnt sich das dann eher.
@Raskir Scythe und Cry Havoc teilen sich vielleicht die Zeit für Spiele, abseits dessen sind sie aber völlig grundverschieden und nicht im Ansatz zu vergleichen.
Raskir schrieb am
Danke für die schnelle Info. Dann bin ich gespannt. Wir haben Grade Februar beendet.
Cry havoc wird es aber in unserer Gruppe schwer haben durch scythe. Ist echt super das Spiel
Jörg Luibl schrieb am
Boah, zum Anmalen hab ich keine Zeit mehr - und dafür sind mir die in Cry Havoc zu grob. Gleich mal schauen...
M_Coaster schrieb am
Also Cry Havoc ist in seiner Klasse auf jeden Fall sehr weit oben anzusiedeln. Da kann man gerne andere Area-Control Brettspiele außen vor lassen. In meiner Gruppe ist zwar Cthaulhu Wars aufgrund des Themas höher angesiedelt, aber Cry Havoc macht viele Dinge gut, manche sehr gut und vor allem ist es eben relativ frisch. Besonders die Skalierbarkeit ist sensationell! Und das Kampfsystem ist wirklich mal sehr innovativ.
Vor ein paar Wochen ist dazu auch meine Rezension online gegangen.... @Jörg mit angemalten Figuren :P :D
http://brettundpad.de/2018/01/24/cry-havoc/
schrieb am