Special: Die Manta für Fliegerasse
Keli- und Albundium
Keine Sorge: Ich werde es tunlichst unterlassen, Til Schweigers KFZ-Kamelle zu zitieren. Aber ja, man steuert tatsächlich eine Manta, schon damals weiblich, wohl weil Vehikel im Englischen ganz generell „gesiezt“ werden. Und genau wie im ersten Uridium rast man mit dieser Manta über teils riesige Raumschiffe einer Invasionsflotte. Diese Dreadnoughts tragen - meistens jedenfalls - Namen fiktiver Metalle (auf die sind die Bösewichte nämlich aus) und bevor man auf ihnen
Dabei fliegt man nicht nur von links nach rechts, sondern wechselt die Richtung und erhöht oder verringert die Geschwindigkeit. Erschwert wird all das durch unzerstörbare Mauern; um die unter dem Druck anfliegender Raketen und Gegner zu umkurven, bedarf es besonders auf späteren Dreadnoughts einer guten Übersicht und geschickter Finger.
Uridium 2 funktioniert genau wie sein 1986 für C64 erschienener Vorgänger – nur dass Programmierer und Game Designer Andrew Braybrook das Konzept gehörig aufgepeppt hatte. Kein Wunder: Mit dem Amiga stand ihm Anfang der 90-er Jahre eine wesentlich leistungsstärkere Generation zur Verfügung. Und die schöpfte er nicht nur technisch, sondern auch spielerisch voll aus.
Eine Manta muss durch die Mauer
Es stecken so viele durchdachte Kleinigkeiten in diesem Spiel! Verfolgungsjagden gegen clevere Feindformationen, bei denen man durch enge Durchlässe in den Mauern der Dreadnoughts rast, sind herrlich effiziente Adrenalinpumpen – ganz zu schweigen von Abbremsmanövern, bei denen man die Manta mit zusammengebissenen Zähnen kurz vor einer Wand gerade noch zum Stehen bekommt. Die feindlichen Schiffe drehen ja selbst gerne um, so dass man gelegentlich die Richtung wechseln sollte. Manche legen gar Minen, die eine Verfolgung zur reinen Nervensache machen. Außerdem wechseln sie die
Das beeindruckend schnelle Scrolling auf dem C64 war möglich, weil die Dreadnoughts keine großen Objekte waren, die das Programm zeichnen musste, sondern der Level-Hintergrund. Die Sterne waren hingegen bewegliche Objekte, die sich gemeinsam mit der Manta bewegten. So entsteht der Eindruck, sie würden sich in weiter Ferne befinden.
Inspiriert ist das Spiel u.a. von Zaxxon, während Namensgeber Robert Orchard davon ausging, Uridium sei ein tatsächlich existierender Begriff. Formation oder fliegen mitunter so langsam, dass man am besten die Ruhe bewahrt und die feindliche Staffel überholen lässt, um ihr anschließend in den Rücken zu fallen. Ganz davon abgesehen erstrecken sich einige der Großkampfschiffe nicht nur mächtig in die Breite, sondern über weit mehr als einen Bildschirm auch in die Höhe.
Man zerstört Abschussrampen feindlicher Raketen, wenn man die Sprengkörper beim Losfliegen schon erwischt, und zerstört startende Transporter noch auf der Startrampe, bevor sie eilig verschwinden. Man kann das Schiff sogar auf die Seite kippen, um es durch Engpässe zu quetschen. Und wendet man es, weicht es Treffern kurz aus.
Leichter, es muss noch leichter sein!
Koordination und Timing sind auf eine Art und Weise wichtig, die ich von keinem anderen Spiel kenne. Man managt nicht gleichförmige Angriffswellen und Geschossmuster, sondern reagiert auf relativ einzigartige Situationen, in denen die Umgebung eine große Rolle spielt - besonders die Richtungswechsel und vor allem die variable Geschwindigkeit verleihen Uridium 2 dabei eine Dynamik, die es bis heute zu etwas Besonderem machen.
Und das ist auch der Grund, weshalb es mich mehr zum zweiten Teil zieht als zum ersten. Denn so großartig der Erstling auch war: Die Fortsetzung fesselt mich noch heute! Sie gehört zu den wenigen Titeln, für die ich einen Emulator oder Amiga für ausführliche Sitzungen anwerfe.
Was selbstverständlich noch einen ganz anderen Grund hat; immerhin zischt man nicht mal eben durchs komplette Spiel, sondern muss sich dafür ordentlich reinknien. Uridium 2 ist nämlich kein beschwingter Action-Trip, sondern fordert gute Reflexe und viel Übung. Dabei war es für Braybrook offenbar gar nicht so leicht, die Herausforderung so weit herunterzufahren, dass seine Spieler nicht mit Joypads schmeißen. Und ich komme so schon kaum an der zweiten Hälfte Dreadnoughts vorbei!
Zusätzliche Farben oder mehr Tiefe?
Der Brite war ja kein Unbekannter. Als Designer und Programmierer von Paradroid oder Fire & Ice zählte er zu den Stars der 8- und 16-Bit-Entwickler und führte während des Entstehens von Uridium 2 ein Entwickler-Tagebuch, das heutigen Newslettern von z.B. Kickstarter-Projekten ganz ähnlich ist. Veröffentlicht wurde das Tagebuch in einem Magazin namens The One for Amiga Games und man konnte dort tatsächlich sehen, wie aus simplen Platzhaltern ganz langsam erst die spätere Grafikpracht erwuchs.
Braybrook Einblicke lassen angenehm tief blicken. Er experimentierte etwa mit einem Dual Playfield, also scrollenden Bildschirmhintergründen, die sich unabhängig voneinander verschieben, um die Illusion von Tiefe zu erzeugen. Weil er auf beiden Ebenen allerdings weniger Farben hätte verwenden konnte als auf einer einzigen, sah sein Spiel auf entsprechenden Screenshots recht ernüchternd aus. Nachdem verschiedene Magazine schon zwei Vorschau-Versionen erhalten hatten, eine mit und eine ohne Dual Playfield, wurde Braybrook von Kollegen daher überzeugt, farbenfreudige Dreadnoughts in den Kampf zu schicken.
Andrew Braybrook war laut LinkedIn von 1998 bei einem Versicherungsunternehmen als Programmierer tätig. Die Videospiele hatte er aber nicht aufgegeben: "Destiny werde ich wohl nicht so schnell herausfordern, aber ich bin jetzt immerhin retro und habe eine Vorstellung davon, was ich tun will", schreibt er. "Ich hoffe, dass ich 2016 etwas veröffentlichten kann."
Ein Spiel ist seitdem nicht erschienen. Seit August 2016 arbeit er aber "an Software mit dem Ausblick Spiele zu entwickeln."
Die Erben sind gefragt
Auch die Einzelheiten vieler Spielinhalte ergaben sich erst durch viele, z.T. gescheiterte Versuche. So sollte die Manta eigentlich gar nicht wie im Vorgänger auf den Großkampfschiffen landen. Vielmehr hätte sie durchs Dach brechen und sich in einen Roboter verwandeln sollen, auf dass man sich im Stil eines Alien Breed zum Reaktor vorkämpfen würde. Dieser Roboter hätte sogar – das war damals und ist noch immer nicht selbstverständlich –, einen Fuß immer fest auf dem Boden gehabt, anstatt als vom Boden unabhängiges Objekt quasi zu schweben.
Doch der Roboter wurde irgendwann gestrichen. An seine Stelle trat ein Minispiel, das Braybrook wieder aus Experimenten heraus entwickelte und dem er schließlich die „Geschichte“ des Kampfs des Piloten verpasste, der den Reaktorkern der Dreadnought zerschießen muss. So einfach schnell das Minispile erledigt ist, so knifflig gestaltete sich dabei seine Umsetzung:
Die aber nur wenigen dazu verhilft, ein so grandioses Erlebnis zu schaffen wie die große, leider viel zu kleine Uridium-Serie.
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