Brettspiel-Test: Escape the Dark Castle (Rollenspiel (Koop-Abenteuer))

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Themeborne
Release:
01.06.2018
Spielinfo Bilder Videos
15 zufällig angeordnete Kapitel

Vor jedem Spiel werden fünfzehn der fünfundvierzig Kapitel-Karten gemischt und als verdeckter Stapel ausgelegt; ganz unten lauert immer einer von drei Bossen. Aber was begegnet einem auf dem Weg? Es gibt zwar auch Händler, aber die Decke kann einstürzen, Monster können aus Ecken hervor stürzen oder der Weg wird plötzlich von schwingenden Klingen blockiert, durch die jeder Held über mehrere Würfe einzeln hindurch muss - autsch! Die Karten sind angenehm groß und die düsteren Motive sorgen umgehend für schaurig bizarre Stimmung, zumal es genug verschrobene Charaktere und groteske Unholde gibt.

Wird die Gruppe die alte Karte aus den Händen des Toten stehlen?
Wird die Gruppe die alte Karte aus den Händen des Toten stehlen?
Ich hab mich jedenfalls wie in einem Abenteuer-Spielbuch gefühlt, bei dem man neugierig auf die nächste Seite blättert. Bevor man ein Kapitel aufschlägt, indem man die oberste Karte umdreht, muss man allerdings als Gruppe festlegen, welcher der Spieler quasi die Tür öffnet - denn ihm könnte auch als Erstes etwas Garstiges begegnen. Gerade wenn alle schon verwundet sind und wenige Lebenspunkte haben, entstehen schöne Diskussionen. Wer sollte am ehesten geschont werden? Wen schickt man vor? Überhaupt wird die Kommunikation oftmals durch die Aufforderung angeregt, dass die Gruppe gemeinsam entscheiden soll, ob sie z.B. flieht, angreift, ausweicht, umzingelt oder jemanden bestiehlt.

Manchmal ist es vielleicht sinnvoller die Beine in die Hand zu nehmen oder diesen seltsamen Trank nicht auszuprobieren. Zum regen Austausch am Tisch trägt auch bei, dass man gefundene Gegenstände wie Waffen oder Nahrung untereinander aufteilen muss, wobei jeder maximal zwei tragen darf. Sehr gelungen ist hier übrigens, dass Axt, Schild oder Schwert wirklich einzigartig sind - es gibt also keinen Überschuss an Beute. Die einzige "magische" Wirkung wird durch Tränke erzielt, die z.B. einen Wert wie Stärke erhöhen oder einen Wurf wiederholen lassen - was sehr wichtig sein kann. Denn natürlich kommt auch der Kampf nicht zu kurz. Er wird durch ein einfaches Würfelsystem abgewickelt, das Angriff und Verteidigung so lange simuliert, bis der Feind vernichtet ist.

Schnell abgewickelte Kämpfe

Bei einem Kampf muss die Gruppe versuchen, die schwarzen Symbole des Feindes zu würfeln.
Bei einem Kampf muss die Gruppe versuchen, die schwarzen Symbole des Feindes zu würfeln, die für Stärke (Faust), Weisheit (Kreuz) und List (Auge) stehen.
Sobald man einem Monster begegnet, legt man die angezeigten schwarzen Würfel unter seine Karte, die ebenfalls Symbole für Weisheit, Stärke und List anzeigen - je mehr Leute teilnehmen, desto mächtiger wird der Feind. Dann dürfen als Erstes die Spieler in beliebiger Reihenfolge attackieren, indem sie ihren weißen Würfel rollen lassen. Für jedes Symbol, das einem der Angezeigten des Feindes entspricht, wird ein schwarzer Würfel entfernt. Falls keiner mehr ausliegt ist er besiegt und man zieht einen Gegenstand als Beute. Das klingt nach einer einfachen Angelegenheit mit klaren Vorteilen für die Gruppe, aber...

...falls noch ein schwarzer Würfel übrig ist, werden alle Spieler um den unten rechts auf der Feindkarte angezeigten Schadenswert verwundet. Es sei denn, jemand hat bei seinem vorherigen Angriffswurf auch ein Schildsymbol erreicht - dann wird der Hieb von ihm geblockt. Je nach Art des Feindes können Spezialregeln hinzu kommen, die z.B. jemanden so in Angst versetzen, dass seine Stärke-Würfe nicht zählen. Zwar vermisst man komplexere Manöver, aber diese Art des direkten Symbolvergleichs sorgt für eine sehr schnelle Abwicklung der Kämpfe. Allerdings kann das Blut der Helden ebenso schnell fließen - da freut man sich, wenn man mal irgendwo ein verschimmeltes Käserad findet, das alle etwas heilt.

Was gefällt nicht so gut?

Einer von diesen drei Bossen lauert am Ende des Abenteuers.
Einer von diesen drei Bossen lauert am Ende des Abenteuers.
Vielleicht hätte man noch mehr Spannung aus den Situationen kitzeln können, wenn es noch mehr Konsequenzen nach Entscheidungen, den Einsatz von Gegenständen sowie vielleicht eine Art von offener Route durch die Festung gegeben hätte; rein dramaturgisch sind klassische Abenteuer-Spielbücher diesem Zufallsprinzip natürlich überlegen; außerdem vermisst man zumindest ein paar biographische sowie erzählerische Hintergründe zu den Charakteren. Leider gibt es Escape the Dark Castle auch nur auf Englisch, so dass ihr zumindest einen Mitspieler dabei haben solltet, der die Texte auf den Karten vielleicht für alle anderen übersetzen kann. Die sind nicht all zu lang, aber tragen natürlich neben den Zeichnungen viel zur Atmosphäre bei.

Es gibt übrigens auch einen offiziellen instrumentalen Soundtrack von Alex Crispin, den ihr bei YouTube findet und im Hintergrund laufen lassen könnt. Ach so: Falls ihr diese Art der Unterhaltung nicht am Tisch, sondern digital für euer Tablet sucht, kann ich euch wärmstens die unheimlich gut designte
sdasd
Waffen sind kostbar, denn es gibt nur wenige innerhalb des Beutestapels.
Sorcery!-Saga der inkle Studios empfehlen. Und eine schnelle Alternative für Fantasyfans ist das reine Karten-Dungeonspiel Boss Monster 2, das es auch auf Deutsch gibt.

Fazit

Nein, das ist natürlich kein Ersatz für klassische D&D- und DSA-Kampagnen oder Tabletop-Epen à la Descent - Die Reise ins Dunkel. Und so mancher Veteran wird angesichts der simplen Regeln oder naiven Zeichnungen vielleicht die Nase rümpfen. Aber Escape the Dark Castle trifft genau meinen Nerv, weil es mit seinem markanten Artdesign das Fantasy-Flair der 80er Jahre verströmt und mich auf charmante Art an meine geliebten Abenteuer-Spielbücher erinnert. Falls ihr die "Fighting Fantasy" von Ian Livingston und Steve Jackson kennt, werdet ihr hier mit bis zu vier Leuten so manche Déjà-vus zwischen fiesen Fallen, skurrilen Charakteren und garstigen Monstern erleben. Und falls ihr all den alten Kram nicht kennt, ist das auch nicht schlimm: In einer guten halben Stunde erlebt ihr mit Freunden situative und überaus kommunikative Spannung. Bisher kommt das Prinzip jedenfalls so gut bei Fantasyfans an, dass auf Kickstarter bereits weitere Abenteuer angekündigt sind - dort könnt ihr auch noch das Hauptspiel für 29 Britische Pfund ergattern, wenn ihr sie für mind. ein Britisches Pfund unterstützt.


Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps, Klassiker oder ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet. Mehr Brettspiel-Tests und eine Top 20 findet ihr hier.

Kommentare

Jörg Luibl schrieb am
Hey, danke für den Bericht! Jetzt hast du zumindest die absolute Deluxe-Version. Und ich weiß, dass ich nicht der einzige Freak bin, der auf schwarzweiße 80er-Fantasy steht.;)
dx1 schrieb am
Ich habe inzwischen die Lieferung aus der zweiten KS-Kampagne erhalten und bereue nicht, knapp 200 Euro für Paket 6, alle Extras und Versand ausgegeben zu haben. Naja, dass ich aus Versehen den Soundtrack auf MC zweimal gekauft habe vielleicht. Aber das waren ja nur 5 £, wenn ich mich nicht irre. Und vielleicht kann ich das auf Ebay ja mal für einen Betrag verkaufen, der abzüglich Gebühren diese Summe deckt. Bild
Die Aufmachung des Spiels ist herrlich, die Qualität stimmt (bis auf eine fehlerhafte Illustration in einer der Anleitungen) und es macht Spaß, es zu spielen. Ein Spiel dauert zumindest zu zweit ungefähr so lange wie der Soundtrack läuft, also circa eine halbe Stunde. Der erste Aufbau hat etwas über fünf Minuten gedauert, die Hälfte der Zeit reicht inzwischen aber locker. Meine Frau hebt das als großen Pluspunkt hervor.
Die Texte auf den Karten, in den wenigen Seiten Anleitung, sowie den beiden Büchern mit Kurzgeschichten zu den Figuren und den "Game-Over-Szenen" sind stimmungsvoll, gelegentlich mit einem Augenzwinkern verfasst und fern ab davon, "edgy" oder "übertrieben poetisch" zu sein. Ich habe nie Dungeons & Dragons gespielt und bin (relativ spät) 1998/99 mit Das Schwarze Auge 3 ins Rollenspiel-Hobby eingestiegen. Die Illustrationen auf den Karten erinnern mich an diese Zeit.
Eine Charakter-/Kapitel-/Bosskarte (Format A6) wiegt 5 Gramm, die perfekt dazu passende Hülle 2 Gramm. Die Hüllen ? auch für die kleinen A8-Ausrüstungskarten ? haben eine glatte und eine raue Seite, was beim Mischen nicht stört und beim Aufheben/Umdrehen dafür sorgt, dass man nur die eine Karte greift. Für mich stimmt die Haptik und trägt auch dazu bei, dass ich nicht mehr über den Preis nachdenke. Ich habe gerade nachgeschaut, was die Hüllen gekostet haben: Etwa zehn Prozent des Gesamtpreises. Objektiv zu teuer, aber das Gesamtpaket ist es mir nach wie vor wert. Bei anderen Spielen, für die ich Kartenhüllen nachgekauft habe (meistens von Mayday), sitzen die Hüllen mal zu eng, mal zu...
listrahtes schrieb am
Das Spiel ist reizvoll aber imo für das Gebotene überteuert. Ein Upgradepack mit einigen Karten für knapp 20?.
Das muss man mal z.B. bez. Inhalt mit einer Arkham Horror LCG Basisbox vergleichen.
Ein erhöhter Preis ist aufgrund der kleinen Auflage durchaus verständlich, aber das ist imo einfach deutlich zu viel.
Abgesehen davon wirkt das auf mich immer wie unlauteres Kickstartermarketing. Biete die Artikel auf deiner hp völllig überteuert an um die Leute vom Schnäppchenpreis mittels hunderter early birds auf KS zu überzeugen. Eine Praktik bei der ich nicht mehr unterstütze.
Zanji schrieb am
:) wenn euch das gefällt solltet ihr mal ULTRAQUEST testen!
muecke-the-lietz schrieb am
Bestes 2-Spieler Spiel aller Zeiten: Gleichgewicht des Schreckens.
schrieb am