AuZtralien11.01.2019, Jörg Luibl
AuZtralien

Special: Cthulhu in Down Under

Kennt ihr Martin Wallace? Der Brite gehört zu den fleißigsten und renommiertesten Brettspielmachern. Egal ob Waterloo, Discworld, A Few Acres of Snow, Steam, London oder Rise of Empires:  In seiner Vita wimmelt es nur so vor historischen Themen und strategischer Abwechslung, die sich mal auf den Aufbau, die Wirtschaft, den Verkehr oder den Kampf konzentriert. Und in AuZtralien kommt all das inklusive Cthulhu-Mythos zusammen!

Die Großen Alten...

...haben gewonnen. Zwar erinnere ich mich an keine Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft, in der sie auch Australien heimsuchen würden. Aber wir waren trotz unserer Häfen, Luftschiffe und Soldaten nicht in der Lage, ihre Eroberungen in Down Under aufzuhalten. Nach knapp einer Stunde ist die Zeit abgelaufen und ihr lila Siegpunktemarker liegt klar vor unseren gelben und roten. Doch das Schöne an dieser Mischung aus Aufbau, Ernte, Wirtschaft, Verkehr sowie Militär ist, dass sie trotz all dieser unterschiedlichen Elemente sehr flott abläuft. Das ist also kein zähes Wargame oder komplexe 4X-Strategie, sondern ein klar strukturierter Eroberungstrip. Deshalb hat man nach einer Niederlage sofort Lust auf eine Revanche!

AuZtralien ist komplett auf Deutsch beim Schwerkraft Verlag erschienen. Es kostet 60 Euro und ist für einen bis vier Spieler ab zwölf Jahren ausgelegt.
Dazu trägt auch das edle Design von James Colmer bei: Es macht einfach Spaß, dieses Spiel anzuschauen! Die massive doppelseitig bedruckte Hexfeldkarte zeigt entweder den westlichen oder östlichen Teil des Kontinents mit jeweils anderen territorialen Herausforderungen. Dabei stechen vor allem die feinen Illustrationen ins Auge, die auch auf den Helden- und Fraktionskarten für Persönlichkeiten und gediegenes Flair im Stile eines pseudohistorischen Abenteuerfilms sorgen. Auch die Holz- und Plastikteile sind gut designt. Das Ganze spielt in einer alternativen Realität der 30er Jahre, in der plötzlich geheimnisvolle Tempel und Kreaturen in der Wüste auftauchen.

Schienen, Farmen und Soldaten

Zunächst gibt es eine Aufbauphase, in der die in drei Stufen sortierten Monster noch verdeckt im Hinterland lauern - man zieht ihre Karten zufällig, so dass man nie weiß, welcher Art von Zombie bis Cthulhu man begegnet. Manchmal hat man auch Glück und es ist nur ein Känguruh. Auch die vier Rohstoffe Eisen, Kohle, Gold sowie Phosphor sind immer anders

AuZtralien ist der Nachfolger im Geiste zu "Eine Studie in Smaragdgrün ", das sich ebenfalls mit dem Cthulhu-Mythos beschäftigt und auf einer Kurzgeschichte von Neil Gaiman beruht.
verteilt. Die Spieler starten dann an ihren gewählten Häfen im Küstenbereich und erkunden über Eisenbahnen schrittweise die Umgebung. Dabei können sie in ihrem Zug über die Platzierung eines Holzklötzchens jeweils eine Aktion wie etwa Streckenbau, Farmbau (Mais, Rinder, Schafe), Ernte, Import, Export, Angriff sowie Rekrutierung von Helden oder Militär ausführen. Macht man etwas öfter, kostet es zusätzlich Gold. Man muss also gut wirtschaften.

Der Clou ist: Man bewegt keinen Siegpunktemarker am Rand des Spiels, sondern nach jeder Aktion einen Zeitmarker seiner Farbe. Das heißt, dass alles vom Bau bis zum Kampf unterschiedlich viel Zeit frisst. Und sobald alle Spieler am etwas weiter vorne platzierten lila Marker vorbei marschieren, wachen die Großen Alten als zusätzliche Fraktion auf. Erst jetzt kommen mysteriöse Ereignisse hinzu und erst jetzt werden ihre Monster nach einem cleveren Automatismus bewegt, der vor allem die existierenden Farmen ins Visier nimmt. Sobald sie eine erreichen, wird sie verwüstet; schaffen sie es sogar bis zum Hafen eines Spielers, heißt es Game Over.

Cthulhu und seine Schergen erwachen!

Dieser Zeitmechanismus ist eine tolle Idee, denn so wird nicht nur die Aufbauphase klar definiert, so dass man möglichst effizient seine Wirtschaft und das Militär vorbereiten muss. So entsteht auch eine stimmungsvolle Dramaturgie, die diese unheimliche Macht abbildet.

Und man hat nicht unbegrenzt Zeit, ihre Monster aufzuhalten, denn die Uhr tickt, bis sie einen Zielmarker erreicht, der die Endwertung einläutet. Es geht also nicht um die totale Vernichtung! Nach dem Aufbau muss man die Großen Alten möglichst effizient in einer Kampfphase dezimieren, indem man ihre Tempel schleift und seine Gebäude schützt, denn es gibt vor allem Siegpunkte für unversehrte Farmen sowie vernichtete Monster. Die Großen Alten bekommen wiederum Siegpunkte für verwüstete Farmen, übrig gebliebene verdeckte sowie aktive Monster, die sogar doppelt für sie zählen! All das sorgt gerade in den letzten Zügen für einen Wettlauf zwischen Menschen und den Großen Alten.

Kämpfe mit etwas Wargame-Flair

Wie laufen die Kämpfe ab? Über zufällig gezogene Karten und ein erweitertes Schere-Stein-Papier-Prinzip, das mit Reichweiten und Truppentypen für etwas Wargame-Flair sorgt. Sprich: Bestimmte Einheiten wie Infanterie, Zugpanzer, Artillerie oder Luftschiffe haben besondere Stärken gegen spezielle Monstertypen. Daher hat eine gemischte Truppe im Zweifel bessere Chancen gegen einen unbekannten Feind, kostet aber auch mehr Zeit. Wer also immer auf Nummer sicher geht und alle Mann aus der Kaserne an die Front bringt, hat letztlich weniger Aktionen zur Verfügung. Zwar spielt letztlich jeder für sich und sammelt eigene Siegpunkte für besiegte Feinde, aber man kann ein besonders mächtiges Monster auch zu zweit bekämpfen und darf sich nicht gegenseitig attackieren.

Die Heldenkarten bieten einmalige oder permanente Vorteile.
Der Kampf gegen Cthulhus Schergen wird dann ganz einfach durch zufällig gezogene Karten ausgetragen: Links erkennt man am Symbol der eigenen Truppe, ob sie selbst in dieser Runde trifft; rechts ob das Monster trifft, wobei es auch für Wahnsinn sorgen kann - und Vorsicht: vier Treffer auf die geistige Gesundheit bedeuten ebenfalls Game Over. Und das kann schnell passieren, so dass auch der Rückzug eine Option ist! Zwar kann man weder Formationen oder Taktiken einsetzen, aber dafür gibt es zumindest eine geostrategische Ausgangslage und auch Blockaden. Hat man eine gemischte Truppe an den Zielort gebracht, entscheidet die geringste Reichweite einer Einheit über die mögliche Distanz.

Heldenkarten und Modifikationen

Außerdem sorgen die Karten der Helden für nützliche Modifikationen: Zu Beginn liegen fünf Persönlichkeiten mit einmaligen oder permanenten Fähigkeiten aus, die ständig in der Auswahl wechseln. Wer sie rekrutiert

Auf dem Spielertableau markiert man Aktionen und verwaltet Truppen.
kann z.B. sofort vier Gold einsacken, irgendwo doppelt ernten, einen Farm ohne Aktion verteidigen, seine Artillerie so aufrüsten, dass sie schon vor jedem Kampf einen automatischen Treffer landet oder man darf irgendwo in der Wüste bereits Monsterkarten aufdecken. Die Illustrationen der Helden sind ebenso abwechslungsreich wie diese Effekte.

Hinzu kommen einige Modifikationen im angenehm verständlichen Regelwerk, die den Wiederspielwert erhöhen: Abgesehen von speziellen Karten mit Zielen und Anpassungen für zwei oder drei Spieler, die auch den kooperativen Aspekt über die gemeisname Nutzung von Schienen etc. vertsärken können, den anpassbaren Schwierigkeitsgraden sowie der erwähnten zweiten Weltkarte, die für ein anderes Gelände sowie Rohstoffvorkommen sorgt, lässt sich AuZtralien auch richtig gut alleine spielen - inklusive einer Punktetabelle, um das eigene Abschneiden einordnen zu können.

Was gefällt nicht so gut?

Es gibt wirklich wenig zu meckern. Aus der Perspektive von Cthulhu-Fans fehlt vielleicht die spürbare Horror-Komponente, denn die Wahnsinns-Marker bilden das nicht wirklich ab - dafür eignen sich eher klassische Abenteuer wie Villen des Wahnsinns oder Arkham Horror. Die ersten Aktionen spielt man zudem immer gleich und natürlich sorgen die Karten im Kampf für eine Zufallskomponente, die Feldherren nicht schmecken wird. Der große Vorteil von AuZtralien könnte für einige Vielspieler oder Genre-Experten auch ein Nachteil sein: Hier bekommt man eine Fülle an

Kämpfe werden über zufällig gezogene Karten ausgetragen, die eigene Treffer und Wunden anzeigen.
Spielmechaniken light, die ihre Faszination in der Mischung erzeugen. Jede für sich alleine betrachtet, also Aufbau, Wirtschaft, Militär etc,, verliert natürlich umgehend an Reiz, weil die Komplexität einer ausgewachsenen 4X-Strategie oder eines Wargames fehlt. Aber dafür kann es wunderbar zackig und mehrmals hintereinander spielen; auch zu zweit ist es empfehlenswert.

Ausblick

Ich bin angenehm überrascht von AuZtralien! Ich kann mich nicht an viele Spiele erinnern, die auf diese flotte und klare Art so viele Mechaniken verbinden: Aufbau und Rohstoffe, Terrain und Routen, Rekrutierung und Kampf, Heldenkarten und eine autark agierende Cthulhu-Fraktion. Normalerweise steht ja komplexere 4X-Strategie für diese Symbiose. Aber Martin Wallace gelingt es, die wesentliche Merkmale aus Aufbau und Eroberung auf unterhaltsame Art zu komprimieren, so dass ein knackiger Spielfluss aus Aktionen entsteht. Hinzu kommt nicht nur die edle Illustration, die für ein gediegenes pseudohistorisches Flair der 30er Jahre sorgt, sondern der tolle Zeit- und Bewegungsmechanismus. Er sorgt nicht nur dafür, dass die Uhr mit jeder Aktion tickt, so dass man möglichst effizient in der Frühphase agieren muss, sondern fügt dem Ganzen noch eine Bedrohungsphase hinzu, in der die Großen Alten plötzlich als zusätzliche Fraktion erwachen und eine Farm nach der anderen verwüsten. Richtiges Horrorflair kommt zwar nicht auf, weil sich der Wahnsinn lediglich auf die Truppen als Kollektiv auswirkt. Aber auch so entsteht ein spannender Wettlauf bis zum letzten Zug. Der Wiederspielwert ist dank doppelt bedruckter Weltkarte sowie einiger Modifikationen und Solomodus ebenfalls gegeben.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps, Klassiker oder ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet. Mehr Brettspiel-Tests und eine Top 20 findet ihr hier.

 
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