Silent Hill09.08.2012, Benjamin Schmädig
Silent Hill

Special: Yamaokas fehlerhafte Klangwalze

Als Akira Yamaoka seinen Soundtrack zu Silent Hill (ab 138,63€ bei kaufen) zum ersten Mal den Entwicklern des Spiels vorstellte, sollen sie an einen Programmfehler geglaubt haben. Es dauerte eine Weile, bis der Komponist sein Studio von den verstörenden Klängen überzeugt hatte - und zum Glück ist es ihm gelungen. Denn Silent Hill gehört zum eindringlichsten, das Trommelfelle je aushalten mussten!

Ein neuer Schrecken

Heute fällt die Einordnung natürlich leicht - aber schon vor seiner Entstehung war klar, dass Silent Hill dem Horror einen neuen Anstrich geben sollte: Konami wollte in einem großen Videospiel zum ersten Mal mit psychischem Terror Gänsehaut erzeugen. Doch wie klingen die

Abgründe dessen, was sich im Kopf abspielt?

Auch Komponist Akira Yamaoka wollte sich vom gewöhnlichen Grusel entfernen und musste zugleich eine neue Dimension des Schreckens schaffen. Weil andere musikalische Gattungen schon häufig verwendet wurden, fiel seine Wahl auf eine Kombination aus Industrial und Metal - auf eine treibende Gangart und auf harte Synthesizer.

Kratzen, Schreien, Rauschen

Dabei beginnt die Musik ungewöhnlich liebevoll: Eine Mandoline startet tänzerisch verspielt, bevor gemächliche Beats den Rhythmus tragen - die ruhige Bassgitarre deutet zunächst nur an, dass sich hinter der unscheinbaren Fassade noch mehr befinden könnte. Erst später schlägt auch die Mandoline einen melancholischen Tonfall an, der von etwas erzählt, das vor langer Zeit verloren ging. In der letzten Minute schwingt schließlich eine große Trauer, aber auch Kraft und Wut mit. Wenn Yamaokas Musik gemeinsam mit dem Spiel etwas erreicht hat, dann das: Silent Hill ist eine ebenso grausige wie bewegende Erfahrung.

Einmal wird Yamaoka das Thema noch wiederholen - in "Killing Time", als vom Wahnsinn besessene Variation seiner selbst. Und auch in anderer Momenten stellt er Schönheit und Schrecken direkt gegenüber: "Not Tomorrow" beginnt etwa als beruhigendes Gitarrenstück. Wie ein Lichtstreif zeigt es den Ausweg aus einem dunklen Zimmer - bis sich im direkt folgenden "Not Tomorrow 2" hässliche Flecken in den Vordergrund schieben. Kratzen, Schreien, Rauschen, Klopfen... nein, der Albtraum hat gerade erst

Verfügbarkeit

Die Musik zu Silent Hill ist sowohl auf CD als auch als Download verfügbar - die aktuelle iTunes-Veröffentlichung ist der einfachste Weg zum Soundtrack.

In Japan erschien im vergangenen Jahr zudem eine Soundtrack-Sammlung der ersten sieben Silent Hill-Spiele. Die Silent Hill Sounds Box enthält neben den Alben, wie sie bereits erhältlich waren, auch unveröffentlichte Musik auf einer separaten CD. Auf dieser befindet sich außerdem der Umsetzung zur Spielhallenumsetzung Silent Hill: The Arcade. In Japan kostet die Box umgerechnet knapp 130 Euro zuzüglich Transport, in Nordamerika und Europa wird sie für mehr als 200 Dollar bzw. Euro verkauft.

Lohnt die teure Anschaffung? Wer noch keinen der Soundtracks besitzt, erhält eine umfassende Sammlung. Da Yamaoka seine Musik stilistisch allerdings nur behutsam weiterentwickelt hat, wiederholt sich über die Dauer der acht CDs vieles. Ab Silent Hill 2 konzentrieren sich die Soundtracks zudem stärker auf die emotionalen Elemente der Spiele - wer vor allem die Wucht in Yamaokas Musik sucht, der könnte sich mit dem ersten Album begnügen. begonnen!

Überhaupt ist es vorbildlich, dass der Soundtrack viele Stücke ohne Unterbrechung ineinander übergehen lässt, die Titel aber trotzdem unterscheidet. Das ist der Umgang, den interaktive Videospielmusik auch in der Nachbearbeitung verdient! Die Elektronik macht Yamaoka solche Übergänge dabei natürlich einfacher als einem Künstler, der handgemachte Musik arrangiert.

Eindrucksvolles Unwohlsein

Und sie ist seine größte Stärke. Denn die Intensität, mit der Yamaoka das Ungeheuerliche direkt aus der Hölle zu zerren scheint, wurde bis heute nur von seinen Nachfolgern erreicht. Seine Geräusche wechseln ständig von einem verstörenden Pfeifen zu einem Zirpen, das an fremdartige Grillen erinnert oder einer sanften Melodie, die mehr und mehr von der Tiefe eines dunklen Basses verschlungen wird, bis hin zu brutalen Trommelschlägen, die mit grauenvoller Raserei in den Vordergrund stürmen. Man weiß nie, welche Tonart Silent Hill im nächsten Augenblick anschlagen wird: Es ist in ständiger Bewegung zwischen der Erwartung des Unheilvollen und dem Ausbruch nackter Angst.

"I'll Kill You" steigert sich von der bedrohlichen Ankündigung bis zum mächtigen Stampfen eines großen Bösen: Da spielt eine elektronische, kurz angeschlagene Orgel scheinbar neben dem Rhythmus, wirft später wahllos Akzente in einen lauter werdenden Bass - und erzeugt dadurch furchtbares Unbehagen. Da kreischen in "Over" Schreie aus einer zornigen Dampfmaschine. Und dann öffnet in "Claw Finger" der Hall einer elektronischen Orgel wieder einen unfassbar weiten schwarzen Raum, in dem sich eine seltsam schöne, aber auch unendlich traurige Verzweiflung verliert.

Es ist völlig unmöglich, die Musik an zwei, drei Titeln festzumachen, denn Yamaoka hält die Intensität über die Länge des gesamten Soundtracks aufrecht. Fesselnde Spannung und gewaltige Wutausbrüche liegen beinahe übereinander. Einen Höhepunkt erreicht "Ain't Gonna Rain", das wie aus dem Nichts mit einer Triade Trommelschläge explodiert und mehr als eine Minute lang keine Pause, kein Zurückschalten, keine Gnade kennt. Solche Direktheit erlaubt sich Spielemusik viel zu selten. Und gerade deshalb wirkt auch die ungewöhnlich emotionale Seite des Soundtracks so bewegend: Die melancholischen Songs sind berührende Ruhepausen, weil man sie im Angesicht tiefschwarzer Abgründe geradezu herbeisehnt. Silent Hill ist keine einfache Musik. Sie tut weh und lädt beim Luftholen mehr zum Weinen als zum Durchatmen ein. Das ist Yamaokas große Stärke: Seine "fehlerhafte Klangwalze" provoziert mit ihrer eigenwilligen Stärke große Gefühle!

Einschätzung: ausgezeichnet

 
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