4Sceners20.06.2012, Bobic
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Special: Echtzeitgraphik: Die Lehre von der Demoszene an der Technischen Universität in Wien

Es klingt nicht gerade spannend, wenn man als Demoszene-Interessierter etwas über Lehrveranstaltungen des Arbeitsbereichs Computergraphik an der Technischen Universität Wien liest. Gräbt man jedoch tiefer in den Archiven der TU Wien stolpert man über kurz oder lang in die Sparte der Echtzeigraphik. Und da bekantlich auch die Demoszene auf "Real-Time Rendering" setzt, fühlt man sich schnell heimisch. Zumal die Studenten in diesem Kurs als Leistungsnachweis nicht nur eine mündliche Prüfung ablegen, sondern auch selbst eine Echtzeit-Demo erstellen müssen. Die alljährliche Hall of Fame der gesammelten Einreichungen, die seit 2003 auf der Webseite der TU Wien zur Schau gestellt werden, fördern dabei ein paar außergewöhnlich gute Werke zu Tage. Gemacht von Menschen, die vielleicht die Spieleprogrammierer von morgen sein können - oder ihren kreativen Geist hoffentlich in die richtige Demoszene transportieren.

Der Anfang

Es begann mit einem Thread im Forum auf Pouet.net, dem vielleicht wichtigsten Portal der Demoszene. Ausgerechnet Adok, seines Zeichens Chefredakteur des Diskmagazines Hugi und zugleich eine der umstrittensten Personen in dieser Bewegung der Digitalen Kunst, machte auf eine Demo namens Gruppenzwang aufmerksam. Zwei Studenten an der TU Wien haben diese erstellt, so Adok, der selbst an dieser Universität tätig ist und das Werk bei einer kürzlich stattgefundenen Veranstaltung zum ersten Mal gesehen hat. Dass es sich bei "Gruppenzwang" um eine bereits vier Jahre alte Produktion handelte, war ihm offensichtlich nicht bekannt. Er wollte wissen, was die User auf Pouet.net, die wahren Demoszener, davon halten. Wobei die Antwort bei der Qualität der Gruppenzwang-Demo bereits vorab eine logische Schlussfolgerung zuließ.

Die beiden Autoren, das Brüderpaar Martin und Wolfgang Knecht, haben ein wundervoll gestaltets Echtzeitkunstwerk erschaffen, das nicht nur gut aussieht, sondern vor allem voller Harmonie von einer Szene zur nächsten wechselt und Designideen enthält, die man bei einem Erstlingswerk im Echtzeitsektor nicht oft zu Gesicht bekommt. Zumindest nicht in Kreisen der Demoszene. Die Liste der enthaltenen Effekte liest sich dabei sehr ansprechend. Bekannte FX wie Screen distortion, Flow simulation oder Motionblur kennt man. Die tolle Einbindung von Softshadows, Pixelperfect spheres (mit Raycasting) und vieles andere sorgt jedoch für ein besonderes Erlebnis, das vom trippigen, ungewöhnlichen Soundtrack gut untermalt wird. Dass die herumschwebenden Würfelketten sich von Anfang bis Ende durch die Demo ziehen, ist außerdem ein geschickter Designkniff, der einen großen Beitrag zur Faszination dieser Demo leistet. Mit Platz 1 beim Echtzeitkurs der TU Wien des Jahres 2007 wurden die Knecht-Brüder für ihre tolle Arbeit auch dementsprechend belohnt.

Echtzeitkunst, 3D-Flybye und Oldskool

Für Liebhaber der Demoszene wie uns war damit der Weg bereitet. Wir hatten Blut geleckt, wollten wissen, was die Nachwuchs-Programmierer an der TU Wien noch zu leisten in der Lage sind. Die bereits eingangs erwähnte Hall of Fame Retrospektive ist dabei der perfekte Einstieg in die Welt der Wiener Echtzeitgraphik-Studenten. Dort tummeln sich einige wirklich hochklassige Demos, die den Beweis vom Talent der Kursteilnehmer liefern. Auch ist erkennbar, dass dem ein oder anderen der Begriff "Demoszene" nichts Fremdes ist - allen voran den beiden Machern von "Gruppenzwang". Der große Unterschied zur echten Szene dabei ist, dass man beim Echtzeigraphikkurs an der TU Wien das Thema Size-Coding nicht behandelt. Viele der gezeigten Effekte könnte ein echter Demoszene-Coder in 4k oder 64k realisieren. Hier sind sie mehrere Megabyte groß, überschreiten so manches Mal sogar die 100MB Grenze. Auch greifen die Studenten gerne auf frei erhältliches Grafik- und 3D-Material aus dem Internet zurück. All das als Problem zu lokalisieren, wäre jedoch falsch. Denn der Grundgedanke, die Programmierung von Echtzeitszenen und -effekten zu erlernen, hat mit diesen Dingen nichts zu tun.

Als Inspirationsquellen für die meisten dienen freilich erst einmal Computerspiele - oder die ein oder andere Single-Effekt-Show bekannter Coding-Quellen (so wie etwa der Fur Shader in der Demo Tribbles ). Deshalb verwundert es nicht, dass viele TU'ler normale 3D-Flybys erschaffen. Also Vorführungen, bei denen die Kamera mal mehr, mal weniger spektakulär, über ein vordefiniertes 3D-Areal fliegt. In der Demoszene wäre etwa YAB3DFD von Smash Designs ein typischer und bekannter Vertreter dieser Zunft ("Yet Another Boring 3D Flyby Demo"). Dies gipfelt beispielsweise in beeindruckender Form in Lux von Alex Druml und Lukas Rössler, dem besten Technik-Demo des 2010er Jahrgangs. Was hier an atemberaubenden Kamerafahrten und -perspektiven eingebaut wurde, ist sensationell und mindestens ebenso pompös wie der Ochestersoundtrack von Immediate Music. Der trägt den Titel "With great Power", was die Machart dieser Demo wahrlich unterstreicht. In derselben Liga spielt The Alhambra , das bislang jedoch nur als Video existiert, weil die Programmier noch weiter an ihrem Werk feilen. Ein Blick auf die offizielle Webseite zu The Alhambra fördert hoffentlich bald das finale Release zu Tage.

Die Piratenvorführung Grog zählt ebenso zur Gattung der von Spielen inspirierten 3D-Flugshows, wobei auch hier grafisch hervorragende Arbeit abgeliefert wurde. Ein wenig zu langatmig präsentiert sich hingegen das 2006er Release Funsui , das für diese Zeit aber ebenfalls ordentlich aussieht. Mit Evolution , das aus dem selben Jahr stammt, geht es hingegen viel Szene-lastiger zu, was vor allem an den gelungen Kamerafahrten und der Musik im Demo-Style liegt. The Boilermakers peppt seine 3D-Maschine noch mit etwas Würfelsprüherei auf, was ihm gut zu Gesicht steht. Mit unheimlicher dichter Atmosphäre glänzt hingegen die Demo Lighthouse von Daniel Cornel. Schauplatz und einzige Szene zugleich ist ein auf einer kleinen Felseninsel erbauter Leuchtturm, den die Kamera immer wieder gut einfängt und regelmäßig den Blick auf das toll gestaltete Wasser gewährt. Im Zusamenspiel mit der ruhigen Musik ergibt sich ein stimmungsvolles Schauspiel, das den Zuschauer sofort in seinen Bann zieht und an die Indie-Perle Dear Esther erinnert. Technisch und optisch eine Augenweide ist Insomnia . Vier Szenen werden hier gezeigt, wobei insbesondere der Flug über die Mondlandschaft entzückt, wobei sich die Darstellungszeit eines jeden Schauplatzes die Gemütslage des Zuschauers deutlich auf die Folter spannt. Hier wäre eine deutlich kürzere Laufzeit, trotz aller Schönheit, dringend erforderlich.

Deutlich mehr Demo-Style findet sich in Euphoria , der besten Demo aus 2008. Ulrich Binder und Michael Zöch, den kreativen Köpfen hinter Euphoria, merkt man an, dass sie etwa 1995 von Kewlers & MFX kennen, zeigen sich Grafik und Effektdesign doch deutlich inspiriert von der legendären Demo der Finnen. Garniert haben sie ihre Effektshow mit einem Track des australischen Demoszene-Musiker Mick Rippon, welcher bereits in der Fairlight-Demo Deadline verwendet wurde. Cuberich , Preisträger aus dem Jahr 2010, weiß mit der Idee, einen großflächigen Würfel zum zentralen Element der Show zu machen, zu gefallen. Auf dessen Seitenflächen prangen jeweils andere Effekte, die zum Teil sehr gut aussehen. Das Design müsste hingegen in Sachen Flow und Rasanz deutlich abgeändert werden, um mit echten Szenedemos konkurrieren zu können. Für eine "First Prod" aber dennoch sehr gut gemacht. Ganz auf Oldskool setzt die mit dem niedlichen Namen Trenki versehene Produktion von Markus Trenkwalder. Der gute Mann entpuppt sich als echter Kenner von vor allem der alten Demoszene. Mit zahlreichen Retro-Effekten, typisch altem Design und hervorragender Chipmusik hat er eine kleine Perle erschaffen, die sich kein Freund der alten Cracktro-Zeit entgehen lassen darf. Auch ganz auf Oldskool getrimmt ist die Little Crew Demo , eine - der Titel verrät es - Mini-Hommage an Second Reality von der Future Crew. Allerdings wurden hier nur zwei Effekte daraus nachprogrammiert.

Mit netten Schattenspielen überzeugt die Single-Screen-Demo Shadow Volumes! , während A Spark of Life ein wildes Chaos aus Licht und Schatten mit bunten Farben vermischt. Verschiedene Arten der Oberflächendarstellung werden in Team Fortress auf diverse Würfel projeziert, Zeugs im All schickt uns in einen sehr schön gestalteten Weltraum, Wild Light Machinery bringt ein tolles Schattenspiel in einem lichtdurchlässigen Würfel mit sich, während Foo von Michael Mehling ganz auf Minimalismus setzt. Hier verformt sich ein einziges Objekt zu ruhiger Piano-Musik, ohne mit Textur- oder Special-Effects-Kram bombardiert zu werden. Die Klarheit und Leere bestimmt hier das Design - ganz so wie es in viele New-Media-Spots umgesetzt wird.

Showcase

Es steckt also reichlich kreativer Geist in den Beiträgen zu den Echtzeitgraphik-Kursen der TU Wien. Einige der Besten davon haben wir unterhalb dieses Artikels noch einmal als YouTube-Videos verlinkt. Eine Liste mit allen sehenswerten Demos der Jahrgänge 2003 bis 2011 findet sich hier ebenso. Neben Verknüpfungen zu den AVI-Videos dieser Demos sind auch die ausführbaren Versionen für Windows verlinkt.

Sehenswerte Demos aus dem Echtzeitgraphikkurs der TU Wien:

Gruppenzwang (EXE / Video )

Lux (EXE / Video )

Foo (EXE / Video )

Euhporia (EXE / Video )

Evolution (EXE / Video )

Wild Light Machinery (EXE / Video )

Lighthouse (EXE / Video )

Grog (EXE / Video )

The Alhambra (Video )

Zeugs im All (EXE / Video )

The Boilermakers (EXE / Video )

 
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