Frauen über Spiele06.09.2005,
Frauen über Spiele

Special:

Warum Frauen keine Videospiele mögen

Ein Gastbeitrag von Maral Haar (Diplom-Psychologin & Usability Engineer)

Viele Studien aus dem Gesundheitsbereich zeigen, dass Frauen bessere soziale Netzwerke haben. Es ist nahe liegend, dass dies nicht nur gut für die Gesundheit ist, sondern auch jegliches Suchtverhalten vermindert. Teilweise dienen ja Videospiele auch zur Befriedigung von Bedürfnissen, die alternativ durch zwischenmenschlichen Kontakt befriedigt werden. Beispielsweise kann man Anerkennung und Selbstwertgefühl bekommen, indem man immer neue Aufgaben bewältigt, die das Spiel einem stellt, man kann Zuneigung entwickeln zu Spielfiguren und man wird unterhalten. Der Vorteil von Spielen ist, dass man das alles zu einem "festen Preis" bekommt. Das heißt, man muss ein Spiel kaufen, sich Zeit nehmen und in einem gewissen Umfang anstrengen. Freunde dagegen können einem zwar möglicherweise noch mehr geben, aber die "Risiken" sind auch höher. Sie sind nicht immer für einen da, man muss selbst immer wieder die Beziehungen pflegen, und manchmal fordern Freunde auch Zuwendung und Aufmerksamkeit, weil sie selbst Probleme haben.

Da Mädchen von klein auf dahingehend sozialisiert werden, dass Beziehungspflege zu ihrem Alltag gehört, fällt ihnen all das vermutlich leichter und sie sind es auch einfach gewohnt. Daher sind sie vermutlich im Durchschnitt eher bereit dazu und auch in der Lage, besagten "Preis" zu zahlen. Und wenn dann eben Freunde anrufen um sich zu verabreden, sagen Frauen vermutlich bereitwilliger zu, anstatt ein Videospiel weiter zu spielen. Sowohl weil ihnen aufgrund ihrer Sozialisation Beziehungen zu anderen Menschen wichtiger sind, als auch, weil es ihnen vielleicht weniger Mühe macht, und ihnen dafür auch mehr gibt als ein Spiel. Das heißt, selbst Frauen, die viel spielen, haben mit höherer Wahrscheinlichkeit auch noch soziale Kontakte, die sie pflegen und sind dadurch weniger suchtgefährdet als gänzlich einsame Menschen, die viel spielen.

Warum jedoch insgesamt viel weniger Frauen überhaupt Videospiele spielen, hat denke ich zwei wichtige Gründe: 1. weil sie es gar nicht erst versuchen, 2. weil aktuelle Spiele meist nicht für Anfänger geeignet sind. Und die meisten Frauen sind Anfänger, da sie als sie klein waren, meist Mädchenspielzeug geschenkt bekamen, und Videospiele in den Augen der meisten leider nicht in diese Kategorie fallen. Und ebenso werden auch Spiele für ältere Spieler gezielt an eine männliche Zielgruppe vermarktet, selbst wenn einige Spiele durchaus auch für Frauen interessant wären.

Ausnahmen sind hier beispielsweise die Sims oder Eyetoy, die auch Frauen gezielt angeboten werden, und tatsächlich kann Sims einen Anteil von 25% weiblichen Spielern vorweisen (Quelle: PC Games ;02.08.2005) und Eyetoy hat den Anteil weiblicher PS2 Spielerinnen von 5% auf 20% angehoben (Quelle: PS2 Gaming Universe ;vom 02.08.2005). Gleichzeitig erfordern beide Spiele keine besondere Fähigkeit im Umgang mit Gamepads. Bei Eyetoy kommt einem sogar eine körperliche Koordinationsfähigkeit zugute, wie sie durch die meisten Sportarten gefördert wird. Die Sims haben den Vorteil, dass man keinen allzu großen Zeitdruck bei der Bedienung hat, und dadurch auch in Ruhe überlegen kann, wo man klicken muss, bzw. was als nächstes getan werden muss.

Leider ist dies bei vielen Spielen anders, und die alte Regel von Atari "a minute to learn and a liftime to master" wird nur noch selten berücksichtigt. Untersuchungen zum so genannten "Flow" Erlebnis, was als wichtiger Faktor für Spielspaß gilt, haben gezeigt, dass eine Grundvoraussetzung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Herausforderung und Fähigkeit ist (z.B. Csikszentmihalyi, 1975). Das heißt, wenn etwas viel zu leicht ist, ist es langweilig. Ist es viel zu schwer, ist es frustrierend oder verursacht sogar Angstgefühle. Häufig machen Frauen, die sich dazu hinreißen lassen mal ein Videospiel auszuprobieren genau letztere Erfahrung: Es ist ganz offensichtlich viel zu schwierig, und dadurch wird der durch Sozialisation vermittelte Eindruck, dass Computer allgemein und Videospiele im Speziellen eben nichts für Frauen sind nur bestätigt.

Besonders stark ist dieser Eindruck, wenn Misserfolge im Spiel gleich hart bestraft werden, speziell mit dem Tod der Spielfigur. Hat man dagegen das Gefühl, dass man zwar die Aufgabe nicht geschafft hat, aber man es ja einfach nochmals versuchen kann, stellen sich eher Ehrgeiz und Motivation ein. Daher ist auch die Vorliebe und Abneigung für verschiedene Genres nicht nur dadurch zu erklären, dass Frauen nur kooperativ spielen wollen, und Gewalt abstoßend finden, sondern sie hat auch etwas mit dem eigentlichen Gameplay zu tun. Adventure Spiele sind häufig so beschaffen, dass man nicht sterben kann, und in FPS ist man häufig sehr schnell tot, wenn man einen Fehler macht.

Dennoch ist es wahrscheinlich, dass Frauen teilweise auch andere Ansprüche an Spielinhalte stellen als Männer. Da ebenso viele Frauen wie Männer Brettspiele spielen und dabei auch durchaus entschlossen um den Sieg kämpfen, scheinen sie ja durchaus auch kompetetive Spiele zu mögen. Der Erfolg von Filmen wie "Troja", "Der Soldat James Ryan" oder auch "Herr der Ringe" zeigt, dass Frauen durchaus auch Gewalt "unterhaltsam" finden können. Allerdings gibt es deutlich weniger Frauen, die Gewalt an sich faszinierend finden. Wie die besagten Filme außer der gezeigten Gewalt auch eine spannende Handlung haben, wollen Frauen in einem Spiel eben auch ein interessantes Gameplay und / oder eine spannende Story.

Im Grunde wollen Männer das sicher auch, und ich kenne auch eine Vielzahl von Männern, die die meisten FPS nicht zu Ende gespielt haben, da ihnen mit der Zeit das Gameplay zu langweilig wurde. Denn dies lässt sich bei vielen FPS umfassend damit beschreiben, dass immer wieder neue Gegner auftauchen, die man erschießen muss. Und wenn man eben von der Gewalt oder den Waffen an sich nicht fasziniert ist, ist das schnell langweilig. Da viele Spiele jedoch genau so beworben werden, dass die Gewalt und der Kampf in den Vordergrund gestellt werden, probieren viele Frauen, die prinzipiell Videospiele spielen, diese gar nicht erst aus, selbst wenn sie eigentlich eine spannende Handlung haben wie z.B. Splintercell oder Riddick. Selbst bei Spielen, bei denen der Kampf eigentlich nur ein Spielelement unter vielen ist, wird er bei der Vermarktung so in den Mittelpunkt gestellt, dass es abschreckend wirkt.

Das geht soweit, dass selbst Frauen die selbst Spieleentwicklerinnen sind, diese meist nicht einmal ausprobieren, wie Sheri Graner Ray, eine Veteranin unter den amerikansichen Spielentwicklern, kürzlich in einem Workshop für Gamedesignerinnen feststellen musste: Sie hatte "Warcraft", "Diablo", "Halo", "Half-Life", und "Max Payne" zu Demonstrationszwecken dabei, und die 25 Teilnehmerinnen hatten keines dieser Spiele gespielt. Obwohl sie zu den erfolgreichsten Titeln des Jahres gehören und obwohl diese Frauen allesamt selbst in der Branche arbeiten (Quelle: CNET News ; 02.08.2005). Und in diesem Workshop war es beispielsweise so, dass alle Frauen anschließend eines oder mehrere dieser Spiele kaufen wollten, nachdem sie sie mal gespielt hatten.

Mein Aufruf also an alle Spielerinnen und Spieler: Zeigt euren Freundinnen doch mal, dass Spiele toll sind! Nehmt ein freundliches Spiel mit spannender Handlung, in dem Fehler nicht gleich mit dem Tod bestraft werden und wo man auch mit langsamen Reaktionen Erfolg haben kann. Wie wäre es mit Syberia, Glass Rose oder Herdy Gerdy zum Einstieg in Konsolen und nach ein bisschen Übung kann man sich auch an KOTOR oder Eternal Darkness wagen. Bei PC Spielen bieten einem jegliche Adventure Spiele oder auch Siedler (besonders ältere Teile) und auch AOE einen leichten Einstieg um zu sehen, dass Spiele mehr zu bieten haben als stumpfsinniges Gemetzel und zudem auch (ganz normalen!) Frauen Erfolgserlebnisse zu bieten haben.

              

 
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