Der zweite Blick
|
Puerto Rico erschien 2002 bei Ravensburger und kostet aktuell knapp 25 Euro. Es ist laut Anleitung für 3 bis 5 Spieler ausgelegt, aber es gibt auch eine offizielle Regel für zwei.
|
Bieder, spröde, unauffällig - auf den ersten Blick sieht Puerto Rico nicht gerade interessant aus. Es will kein karibisches Flair aufkommen, wenn man die Box öffnet und durch das eher zweckmäßige denn edle Material stöbert. Die braunen Kolonisten werden nicht figürlich, sondern als schnöde Steine dargestellt, die ausgestanzten Pappmarker wirken nicht besonders stabil und der Spielplan in der Mitte versprüht den Charme einer farbigen Tabelle. Das Beste am Artdesign ist noch die Illustration der eigenen Basis San Juan; da erkennt man immerhin einen gerodeten Dschungel am Meer, die Skizze des kleinen Hafens sowie die schön gezeichneten Rollen an der Seite.
Von diesem Ersteindruck sollte man sich nicht abschrecken lassen. Denn unter der Oberfläche steckt eines der durchdachtesten Brettspiele der letzten zehn Jahre. Eines, das den Aufbau einer kleinen Insel zu einer großartigen Spielerfahrung für Strategen macht. Warum? Weil Andreas Seyfarth die kleinen Räder für den wirtschaftlichen Erfolg unheimlich clever verzahnt hat: Aufbau und Handel greifen nicht nur ineinander, sondern ermöglichen auch individuelle Taktiken. Es dauert allerdings seine Zeit, bis man all die Möglichkeiten der Spezialisierung verinnerlicht hat – Puerto Rico ist kein Familienspiel für zwischendurch, eher ein Denkspiel für Erwachsene.
Aufschwung in der Karibik
|
Die Qual der Gebäudewahl: Hier stellt man die Weichen für den Erfolg. |
Jeder der drei bis fünf Spieler beginnt als Gouverneur mit wenig Startkapital und etwas Landbesitz – zwölf gerodete Flächen Urwald und ein Hafen als Verbindung zum alten Europa stehen zur Verfügung. Was kann man tun? Das kommt darauf an, für welche Rolle man sich in einer Runde entscheidet. Und davon gibt es je nach Spielerzahl bis zu acht: Kapitän, Händler, Goldsucher, Siedler, Baumeister, Bürgermeister, Aufseher. Jede Wahl entspricht quasi einer Aktion. Wählt man den Siedler, darf man z.B. eine der ausliegenden Plantagen (Mais, Zucker, Tabak, Indigo, Kaffe) auf seiner Insel errichten.
Das Besondere ist, dass der jeweilige Startspieler bzw. Gouverneur nicht nur seinen nächsten Zug mit der Rollenwahl festlegt, sondern auch alle anderen. Sprich: Nachdem er eine Plantage ausgelegt hat, müssen auch alle anderen in dieser Runde als Siedler aktiv werden und anpflanzen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man bestimmt die Aktion, darf als Erster auswählen und erhält auch noch optional als Einziger ein Privileg. In diesem Fall dürfte der Siedler statt einer Plantage auch einen Steinbruch anlegen, der die Gebäudekosten senkt. Erst nachdem alle fertig sind, wechselt die Startspielerkarte zum Nachbarn.