Brettspiel-Test: Agricola (Worker Placement (Arbeitersetzspiel))

von Jörg Luibl



Agricola (Brettspiel) von Heidelberger Spielverlag / Asmodee Digital
Zeitlos geniale Hofstrategie
Release:
13.06.2013
13.06.2013
kein Termin
kein Termin
13.04.2020
Q2 2007
Spielinfo Bilder Videos
Wenn sich ein Brettspiel vor Awards kaum retten kann und in internationalen Bestenlisten ganz weit oben steht, wird man natürlich neugierig: Was steckt hinter der Euphorie über ein Spiel, das auf den ersten Blick fast schon langweilig anmutet? Man ist doch bloß ein Bauer, der auf seinem armseligen Acker etwas anpflanzt und Tiere züchtet - und das auch noch im 17. Jahrhundert! Das kann doch nicht wirklich spannend sein! Oder gar besser als Die Siedler von Catan? Oh doch.

Aller Anfang ist arm

Agricola ist Aufbaustrategie für ein bis fünf Spieler ab zwölf Jahren. Es kostet zwischen 30 und 35 Euro und ist auch schon für zwei Spieler sehr empfehlenswert - selbst die Solitaire-Variante macht Laune.
Da steht man mit seiner Frau auf dem Acker und schaut auf eine karge Landschaft mit zwei armseligen Holzhütten. My home is my castle? Nicht im Jahr 1670 irgendwo in Mitteleuropa. Nachdem über Generationen Pest und Kriege wüteten, müssen viele Menschen von vorne anfangen - symbolisiert durch einen fast leeren Hofplan und zwei spartanische Rundhölzer.

Die Ausstattung von Agricola ist auf den ersten Blick ansehnlich, aber nicht gerade spektakulär: Einfach bedruckte Farbpläne, viele charmante Zeichnungen, hunderte bunte Karten und einfache Steine, außerdem hat man die Tiere figürlich dargestellt. Aber es versprüht zunächst eher pädagogischen Holzcharme als ein Wow-was-ist-da-alles-drin? wie etwa StarCraft - Das Brettspiel oder den Humor des Space-Artdesign à la Galaxy Trucker . Aber dafür ist die Liebe auf den zweiten Blick umso größer, obwohl alles klein und armselig anfängt.

Als Spieler startet man mit einem jungen Ehepaar und hat nicht mal genug zu essen für die erste Runde. Wie will man da eine Familie gründen? Der einzige potenzielle Reichtum: Das unbestellte Land in Form von fünfzehn Parzellen. 14 Jahre hat man Zeit, um eine ertragreiche Hofwirtschaft aufzubauen - danach wird abgerechnet, was zu zweit knapp eine Stunde dauert. Hört sich nach wenig Zeit an? Richtig: Das Leben rast in vierzehn Runden an einem vorbei und in jeder muss man lebenswichtige Entscheidungen treffen.

Aufbaustrategie der hundert Wege

Es ist viel drin, aber ein normaler Tisch reicht: Zwar fehlen modellierte Figuren (lediglich die Tiere sind als solche zu erkennen), aber es gibt über dreihundert Karten und zig Spielsteine aus Holz. Die Anleitung ist verständlich und enthält eine Anfängerversion zum schnellen Reinschnuppern.
Das Problem sind zum einen die Nachbarn: Bis zu fünf Bauern können in diesem Spiel ab zwölf Jahren gegeneinander antreten, um am Ende die meisten Punkte zu ergattern. Und viele Wege führen zum Sieg, denn ein florierender Hof kann aus zig Elementen bestehen: Wie groß ist die eigene Familie? Wie viele Schafe, Kühe oder Rinder hat man am Ende? Wie viel Weizen und Gemüse hat man geerntet? Welche Qualität haben die Häuser - Holz, Lehm oder gar Stein? Wie viel Land hat man mit Zäunen oder Ställen bebaut? Hat man gar fortschrittliche Öfen, eine Schlachterei oder einen Brunnen angeschafft? Die Endabrechnung sorgt aufgrund der vielen relevanten Punkte für Spannung pur.

Schon hier erkennt man, wie vielfältig die strategischen Möglichkeiten sind. Aber das Spiel ist trotzdem nicht so kompliziert, dass man sich erst Stunden einarbeiten müsste - es erklärt sich nach dem ersten Aufbau fast von selbst, denn es hat eine sehr klare Struktur: Rundenkarte legen, Rohstoffe bzw. Lebewesen auffüllen, Menschen zur Arbeit schicken und evtl. ernten. Agricola hat zwar im Jahr 2008 den Sonderpreis "Komplexes Spiel" bekommen, aber es ist wesentlich einfacher zu verstehen und logischer aufgebaut als ein Im Wandel der Zeit oder StarCraft - Das Brettspiel. Und trotzdem fasziniert seine offene Spieltaktik, die immer wieder für neue Spannung sorgt.

Kommentare

SpookyNooky schrieb am
Heute auch für Freundin und mich gekauft, um die Park-Besuche im Sommer etwas aufzupeppen. :D Das Material sollte auf den Teppich passen. Ich fand nur den Preis von ca. 40 Euro (+ Versand) etwas happig. Bin gespannt, die Kaufentscheidung rührt auch komplett vom Brettspiel"test" hier auf 4players her(genau wie damals Galaxy Truckers und Civilization - Das Brettspiel). Weiter so.
gracjanski schrieb am
Die Moorbauern Erweiterung lohnt sich auf jeden Fall. Ergänzt sich bestens in der Spielmechanik, ich freue mich schon auf die nächste Runde, aber vorher kommt noch Caylus und ich schätze Caylus wird dann verkauft, wenn sie sich zu ähnlich sind.
Jörg Luibl schrieb am
Viel Spaß, Agricola gehört in meine All-Time-Top-3! :wink:
Kleiner Tipp: Setz frühzeitig auf Schafe, Rinder und sonstige Tiere - die vermehren sich ohne Zusatzkosten, sobald man mind. zwei auf einer Weide hat!
BloodyJoe schrieb am
Jörg dein Test hat mich auch hier wieder überzeugt! Heute Abend ist unsere erste Runde Agricola. Man bin ich gespannt!
Fankman schrieb am
Mindflare hat geschrieben:
Null. hat geschrieben: Ich habe mir dieses fantastische Spiel nur auf der Spielemesse 2008 (?) in Essen gekauft, einzig und allein aufgrund des Sonderpreises Komplexes Spiel in Verbindung mit einem so vermeintlich simplen Thema.
Kommt hin, da ist es auch Spiel des Jahres geworden!
Hat jemand schon Erfahrungen mit der Moorbauern Erweiterung? Es gibt wohl Wälder brandroden und Torf stechen als neue aktionen. Dann muss das Haus auch noch geheizt werden. Dazu gibt es noch Pferde als neues Getier.
Ja die Moorbauern-Erweiterung ist ganz geil.
Das Spiel wird dadurch noch taktischer, da man zusätzlich noch Gratisaktionen hat, die man ohne Einsatz einer Person brauchen kann. Diese sind aber nicht so mächtig wie die regulären Aktionen, so muss man immer abwägen ob man die Gratisaktion zuerst nehmen will und dadurch in Kauf nimmt dass einem die guten Aktionen weggeschnappt werden oder ob man mit den Gratis-Aktionen warten will und dann vielleicht leer ausgeht :evil:
schrieb am