Brettspiel-Test: Hive (Abstrakte Strategie)

von Jörg Luibl



Hive: Geniale Legetaktik für zwei Personen
Zeitloses Meisterwerk
Publisher: Huch & friends
Release:
02.08.2013
kein Termin
kein Termin
05.01.2014
Q2 2007
Erhältlich: Digital (Steam), Entwicklerseite
Erhältlich: Digital (Steam), Entwicklerseite
Spielinfo Bilder Videos
Es gibt verdammt viele Strategiespiele für zwei Personen. Im Gegensatz zu Klassikern wie Schach, Go oder Backgammon können die meisten der Neuerscheinungen allerdings nur kurze Zeit unterhalten. Das liegt oft daran, dass es ihnen abgesehen von der schönen Aufmachung an Spieltiefe sowie taktischer Vielfalt und überraschender Finesse mangelt. Nur ganz selten findet man in einer unscheinbaren Schachtel zeitlose Genialität.

Im Bann der Bienenkönigin

Hive sieht auf den ersten Blick etwas seltsam aus: Wenn man die kleine Schachtel öffnet, findet man weder ein edles Brett noch Figuren oder eine umfangreiche Anleitung, sondern lediglich 22 sechseckige Steine mit eingravierten Insekten: Grashüpfer, Käfer, Spinnen, Ameisen und Bienenköniginnen. Die fühlen sich angenehm schwer an, aber was soll das werden? Spartanische Strategie für Botaniker - oder deren Kinder? Diese Skepsis ist einem spätestens nach zwei, drei Partien peinlich, wenn sich das faszinierende Potenzial von Hive offenbart.

Ein Beispielzug für den Grashüpfer: er kann alles in einer Reihe überspringen und muss dann sofort landen.
Ein Beispielzug für den Grashüpfer: er kann alles in einer Reihe überspringen und muss dann sofort landen.
In dem kleinen Faltblatt mit der sympathisch kurzen Anleitung verbirgt sich ein strategisches Konzept, das selbst nach hundert Partien noch für Überraschung sorgt. Und das, obwohl das Spiel kinderleicht zu lernen ist: Ziel ist es, die gegnerische Bienenkönigin mit seinen Insekten und Spinnen so zu umzingeln, dass sie keinen Freiraum mehr hat - dieses Prinzip erinnert an den Steingewinn im japanischen Brettspiel Go. Nur dass einmal gelegte Steine hier noch bewegt werden können. Und das sorgt für taktische Spannung mit variablen Situationen.

Schach und Go lassen grüßen

Denn es kommt auch eine Ähnlichkeit zum Schach ins Spiel, da man nicht nur zwischen Weiß und Schwarz wählt, sondern sich jeder Stein anders bewegt - das erinnert an Turm, Läufer & Co: Die Ameise kann quasi überall hin laufen, die Spinne krabbelt drei Felder weit, der Grashüpfer darf endlos weit überspringen, der Käfer ist ein Feld langsam, darf aber auf Feinde krabbeln und sie damit blocken. Man hat also abseits der zu schützenden Königin nur vier Figuren mit unterschiedlichen Bewegungsmerkmalen; allerdings in mehrfacher Ausführung, so dass jeder elf Steine besitzt.

Wie setzt man ohne Spielbrett? In den ersten drei Zügen legt man quasi das unsichtbare Feld aus, indem man sechseckige Steine nacheinander Kopf an Kopf platziert - spätestens im vierten Zug muss man seine Bienenkönigin anlegen. Danach liegen also sechs Steine wie von einer Schnur verbunden aneinander, denn man darf nie in den freien Raum legen. Ab jetzt darf man entweder neue Steine legen oder bereits gelegte bewegen. Dabei gelten zwei Regeln: Man darf neue Steine nur an eigene
Hive ist ein rundenbasiertes Strategiespiel für zwei Personen. Eine Partie dauert an die zwanzig Minuten; der Preis liegt zwischen 15 und 20 Euro.
Hive ist ein rundenbasiertes Strategiespiel für zwei Personen. Eine Partie dauert an die zwanzig Minuten; der Preis liegt zwischen 15 und 20 Euro.
legen und man darf die Kette durch eine Bewegung nie zerbrechen. Außerdem kann man gegnerische Steine nicht klassisch schlagen, sondern höchstens blockieren.

Überraschende Wendungen

Hier zeigt sich auf lange Sicht die Vielfalt der Spielmechanik: Erstens kann man sogar mehrere Gegner bewegungsunfähig machen, indem man klug abwartet und dann am äußeren Ende einer Kette seinen Stein platziert.

Zweitens kommt aufgrund der unterschiedlichen Laufmuster eine ungeheure Dynamik ins Spiel, so dass längst verloren geglaubte Partien noch gewonnen werden können, wenn man sich clever bewegt. Man kann einen aggressiven Spieler, der direkt die Königin bedrängt, auf viele Arten kontern - Hive braucht dafür aber keine langen Stellungskriege. Das macht es auch zum idealen Einstiegsspiel für acht- bis zehnjährige Kinder, die man auf den komplexen Geschmack bringen will. Übrigens gibt es auch eine iPod-Version, die wir uns zum Testzeitpunkt leider noch nicht anschauen konnten; das holen wir nach.

Fazit

Intensiv, clever, zeitlos: Hive ist eines der ganz wenigen Spiele, das an die strategische Qualität der historischen Brettspielgiganten heran kommt. Es ist nicht ganz so anspruchsvoll und kompakter, aber es erlaubt trotz seiner einfachen Steine eine Vielzahl an Zügen und Kombinationen, überraschende Wendungen und defensive Siegstrategien. Das Einkesseln erinnert an Go, die Bewegungsmuster an Schach und doch entsteht eine ganz eigenwillige, weil stetig variierende taktische Dynamik. Es spielt sich so intensiv wie eine Partie Schach kurz vor der Mattsituation, denn jeder Zug kann über Sieg oder Niederlage entscheiden. Die Genialität des Spiels offenbart sich aber erst, wenn man nach hundert Partien noch von Kombinationen oder Wendungen überrascht wird. Ich habe im Laufe der Jahre verdammt viel Strategie für zwei Personen gesammelt - vieles verstaubt irgendwann, aber Hive wird immer wieder gespielt. Es ist einfach und genial.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere Brettspieltests im Archiv: Galaxy Trucker, StarCraft - Das Brettspiel, Agricola.

Kommentare

SpookyNooky schrieb am
Habe mir für den heißen Sommer Hive Pocket geholt. Bereits enthalten sind die beiden neuen Figuren Marienkäfer und Moskito. :)
Eines muss ich aber noch erwähnen, da selbst die Anleitung diesen Fehler macht: Spinnen sind keine Insekten, sondern Spinnentiere. Insekten sind immer Hexapoda (also Sechsfüßer).
Numrollen schrieb am
Hmm ist das normale Frauentauglich? Bin da unsicher, selbst Arler Erde war der feinen Dame zu komplex :D Hat da jemand ein paar 2 Spieler Coop Tipps? Pandemic hat ihr gut gefallen, Pandemic Legacy ist MIR aber eindeutig zu teuer und ist es mir egal das ich es eh nur 10x spielen würde. Da gehts ums Prinzip.
Theaias schrieb am
Hive habe ich ja nun auch schon länger, gestern hatte ich mal die Chance endlich Hive Carbon zu testen!
Neben einer schwarz weiß Optik bietet die neue Version zwei neue Spielsteine:
Der Moskito: Er nimmt genau die Eigenschaften an, an dessen Spielsteine er angrenzt. So sind ein paar schöne neue Spielzeuge möglich. Erst an eine Ameise anlegen, dann zum nächsten Käfer und blockieren.
Der Marienkäfer: Er geht genau drei Schritte und muss diese über zwei Steine machen.
Einfach herrlich, wie viel mehr damit machen kann. Sollte man also unbedingt mal ausprobieren. Beide Steine (also eigentlich vier Steine) kann man sich auch bestellen, leider gibts keinen vernünftigen Shop dafür.
Bûcheron schrieb am
Ist zwar schon länger her, aber trotzdem:
1) Ja, ein Käfer darf sich auf eine Königin setzen.
2a) Ja, das ist kein Problem - er könnte sich auch einen anderen Käfer setzen, der seinerseits schon auf einem anderen Insekt sitzt.
2b) Klar, er kann auch auf eigene Steine.
johndoe953557 schrieb am
also,
wir haben es gestern gespielt und da sind uns 2 sachen aufgefallen die uns die wir nicht kläen konnten,
erstens: darf ein käfer sich auf eine königin setzen...???
zweitens: darf der käfer wenn es sich auf einem "gegner" befindet, von da aus auch auf andere Krabbler gehen...??? und darf der sich auch auf eigene steine setzen...???
schrieb am