Darkest Dungeon18.01.2018, Jörg Luibl
Darkest Dungeon

Im Test: Wie eine Black-Metal-Ballade

Nintendos Öffnung trägt zahlreiche Früchte: Immer mehr Spiele, die bereits auf anderen Plattformen begeistert haben, werden auch für Switch umgesetzt. Zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung auf PC, PlayStation 4 und PS Vita ist Darkest Dungeon (ab 21,99€ bei kaufen) im eShop für 21,99 Euro erhältlich - allerdings ohne die beiden Erweiterungen, die man hinzukaufen muss. Warum die gnadenlosen Rundenkämpfe auch heute noch für Faszination sorgen, verrät der Test.

"Ruin has come to our family..."

Man kennt das ja vom Untergang des Hauses Usher: Nichts hält ewig, das Böse ist überall und wer sich dennoch in verfluchte Gemäuer wagt, spielt mit dem Wahnsinn. Aber wie kann man eine Einladung abschlagen, die von einem derart charismatischen Sprecher wie Wayne June vorgelesen wird, der auch schon Poe und Lovecraft eingesprochen hat? Also macht man sich auf den Weg, um das Familienanwesen von seinem grausigen Schicksal zu befreien. Zunächst verfügt man nur über zwei Helden namens Reynald und Dismas, die nach ein paar rundenbasierten Kämpfen im Dorf ankommen.

Darkest Dungeon lässt euch auch auf Switch drei Spielstände anlegen - dort könnt ihr auch entscheiden, ob ihr eine der beiden Erweiterungen hinzukaufen wollt. Der Tod der Helden ist dauerhaft: Man kann vor Kämpfen nicht speichern und nachladen.
Schon auf dem Weg dorthin sollte man sich in aller Ruhe mit der Steuerung vertraut machen, die auf Switch von der Touchfunktion profitiert: Ganz so komfortabel wie mit der Maus ist die Benutzerführung über das voll belegte Gamepad nicht, aber sie geht gerade bei der Auswahl der nächsten Räume sowie der Anzeige von Fähigkieten flüssiger von der Hand als auf PS4, da man ja alles mit dem Finger antippen kann. Nur auf eine Zoomfunktion mit zwei Fingern muss man leider verzichten. Wenn man sich an die Funktionen von Analogstick, Schultertasten, Touchpad & Co gewöhnt hat, erlebt man grafisch und inhaltlich nahezu dasselbe Abenteuer. Schade nur, dass die Texte im Mobilbetrieb recht klein sind und dass man dort zusätzlich mit der Dunkelheit zu kämpfen hat - das kann in U-Bahn & Co auf Dauer etwas anstrengen.

Die Red Hook Studios servieren euch auf Switch auch beide Erweiterungen - allerdings müsst ihr sie hinzukaufen. Sobald ihr ein Spiel startet, könnt ihr entscheiden, ob ihr "The Crimson Court" für 8,99 Euro und "The Shieldbreaker" für 3,49 Euro haben wollt. Zwar sorgen diese nicht nur für neue Heldenklassen und Monster, sondern auch für Anpassungen an der Spielmechanik sowie Kampfweise der KI, aber auch ohne sie sorgt Darkest Dungeon für ausgezeichnete Unterhaltung.

Im Dorf schaltet man Schritt für Schritt an die zehn Gebäude frei: In der Taverne und dem Kloster erholen sich gestresste Helden bei Wein, Weib und Gesang oder Gebet und Geißelei, im Sanitarium kann man Ticks und Seuchen heilen, aber ganz wichtig ist zunächst die Kutsche. Mit der kommen weitere Freiwillige ins Dorf, die man möglichst schnell integrieren und Erfahrung sammeln lassen sollte. Irgendwann muss man über 20 Helden verwalten, wobei allerdings viele davon auf dem Friedhof landen werden - diese Fluktuation kann den Schmerz beim Verlust eines Veteranen kaum abmildern.

Im Angesicht eines Bosses: Werden die Helden den Kampf meistern? Noch sieht es gut aus...

Über ein Dutzend Klassen mit ganz unterschiedlichen Heil-, Stärkungs- und Kampffähigkeiten stehen zur Verfügung - von Ritter, Barbarin, Kopfgeldjäger, Grabräuber, Hundemeister und Waffenknecht bis hin zu Vestalin, Okkultist, Pestdoktorin oder Narr. Selbst ein Unhold ist dabei, mit dem aber kaum jemand losziehen will. Überhaupt sind die vielen Reaktionen der angeheuerten Söldner cool: In kleinen Texten kommentieren sie die aktuelle Situation, fordern einen Platz im Team oder flehen nach einer Pause. Es ist immer was los im Dorf, zumal es auch Zufallsereignisse gibt, wenn Helden z.B. aus der Taverne kommen und plötzlich Alkoholiker sind. Prost.

"Their formation is broken!"

Auch auf Switch erleichtern deutsche Untertitel das Verständnis; die markante Sprachausgabe bleibt Englisch.

Schon der Einstieg deutet an, dass es gnadenlos und blutig, aber auch höchst stimmungsvoll zur Sache geht. Selbst wenn es sich "nur" um ein 2D-Rollenspiel handelt, bei dem man eine Gruppe von links nach rechts bewegt, sorgen die kernigen Kommentare sowie das wunderbare Artdesign von Chris Bourassa mit seiner Mischung aus klassischer Fantasy und Horror à la Lovecraft für knisternde Atmosphäre sowie Gänsehautmomente. Auch die Animationen von Hieben, Stichen sowie Schüssen werden einfach, aber unheimlich wuchtig inszeniert. Hinzu kommen viele coole automatische Aktionen der Helden, wenn der Kleptomane z.B. von sich aus zur Kiste greift und alles einsackt - erst auf lange Sicht nutzt sich die Lust auf das Hinsehen ab.

Was für ein taktisches Biest in Darkest Dungeon steckt, zeigt sich schnell in den Gefechten zwischen zwei Vierergruppen: Es kommt z.B. darauf an, welcher Held wo steht - manche Hiebe, Schüsse oder Heilungen verlangen eine spezielle Position. Daher ist es schon wichtig, wen man überhaupt auf die Reise schickt. Wer nur auf Ritter, Kopfgeldjäger und Waffenknechte setzt, die am liebsten ganz vorne dabei sind, verschwendet sie hinten. Auch der Standort des Ziels ist relevant, zumal Gefallene auf der Gegenseite vielleicht Felder blockieren, die man erstmal frei machen muss. Noch wichtiger ist der Einsatz der richtigen Fähigkeiten, die man möglichst effizient unter den Gefährten kombinieren sollte. Außerdem ist es hilfreich, sie auf die Art des Dungeons abzustimmen: Ob man ein Labyrinth, einen Wald, eine Meereshöhle oder Ruinen betritt, ist sehr relevant für die Art der Feinde sowie die dort lauernden Gefahren.

"Destroy...them...all!"

Wohin soll die Reise gehen? Jede Dungeonart wie Labyrinth oder Ruine birgt eigene Monster und Gefahren...

Das Kampfsystem bietet weit über den klassischen Angriffswert minus Rüstung hinaus viele Wechselwirkungen und Folgeschäden: Man kann Feinde zu sich heranziehen oder markieren, um mehr Schaden zu verursachen oder eine Riposte zu starten; man kann mehrere Positionen gleichzeitig attackieren oder gezielt die Abwehr der Feinde schwächen. Man kann sie blenden, vergiften oder bluten lassen, was vor allem gegen stark geschützte Feinde besser ist als Vollkontakt - der Tod kommt hier oftmals schleichend. Das Problem ist nur, dass all diese martialischen Möglichkeiten auch von den Feinden angewandt werden.

Hinzu kommt neben dem Schaden der Stress: Der Druck auf die Psyche steigt, wenn den Helden etwas Übles widerfährt - sei es eine Falle, zu wenig Licht im Dungeon, Flüche oder kritische Treffer. Und wenn all das zu viel wird, kann man schonmal durchdrehen. In diesen Situationen werden sie vor automatische Willensproben gestellt, die gut oder schlecht ausgehen können; in letzterem Fall kommt meist ein

Im Dorf kann man an die zehn Gebäude aufwerten, indem man mit erbeuteten Familienerbstücken wie Wappen aus den Kämpfen bezahlt.

weiterer Tick oder später gar eine Geisteskrankheit hinzu. All das kann sich negativ auf das Verhalten im Dorf oder die eigenen Statuswerte auswirken. Und das ist ein tolles System!

Sehr gut inszeniert werden auch die kritischen Phasen, wenn ein Held zu sterben droht. Man verliert nicht einfach seine Lebenspunkte und kippt um, sondern betritt zunächst die "Schwelle des Todes". Dann wird es spannend: Kann man seinen Helden nicht ein wenig heilen, bevor ihn der nächste Schlag trifft, ist er für immer verloren. Es gibt auch kein Nachladen oder Speichern, so dass hier wirklich alles auf Messers Schneide steht - gerade wenn es um einen Charakter geht, den man einfach mag oder der schon weiter aufgerüstet und entwickelt ist. Diese Gnadenlosigkeit des permanenten Verlustes sorgt dafür, dass man auf dem Weg durch die Kerker sehr konzentriert agiert.

Zu den Höhepunkten gehören die Bosskämpfe gegen Hexen, Sirenen, Riesenschweine oder Nekromanten, weil sie immer eine Überraschung parat haben. Erstere schmeißt z.B. einen Helden in ihren Topf und lässt ihn dort garen, dann würzt sie schon den nächsten. Schafft man es, den Kessel früh genug zu zerstören und der alten Vettel genug Schaden zu machen?

"Leave nothing unchecked."

Selbst die Erkundungsphasen sind unterhaltsam: Man muss z.B. auf Fallen achten und sie entschärfen oder Hindernisse mit Schaufeln beseitigen. Überhaupt ist die Interaktion zwischen Gegenständen und Räumen gelungen. Denn man weiß zum einen nie, ob man jetzt wirklich in diesen Kadaver oder diesen Baumstumpf greifen sollte - es könnte ein Schatz oder ein Fluch sein. Und soll man wirklich die Fackel in diesen blutroten Apparat mit dem blöden Spruch opfern? Mit einfachen Mitteln gelingt hier ein Spannungsaufbau.

Die Kampfanimationen sind einfach, aber werden angenehm wuchtig inszeniert.

Zum anderen kann man mit Schlüsseln z.B. Geheimfächer in Truhen finden, mit Weihwasser einen Beichtstuhl zur Erholung nutzen oder muss als Questziel mehrere Phiolen irgendwo platzieren - es gibt also auch genug Interaktion. Trotzdem vermisst man auf lange Sicht mehr Abwechslung und Überraschungen oder auch Rätsel in den immer ähnlich strukturierten Dungeons, zumal man manchmal dieselben Wege gehen muss.

Immerhin gibt es auch Verschnaufpausen: Auf größeren Expeditionen darf man ein Feuer machen und sich ausruhen, heilen sowie speziellere Hilfen aktivieren - auch hier unterscheiden sich die Helden. Der Hundeführer kann seine Gefährten z.B. "therapieren" und Stress abbauen; die Grabräuberin kann die Erkundungschancen erhöhen; der Okkultist nächtliche Hinterhalte verhindern. Gerade vor Bosskämpfen sollte man seine Truppe möglichst fit und stark machen.

"There can be no bravery without madness."

Nur wer seine Vierergruppe taktisch aufeinander abstimmt, wird erfolgreich sein.

Bevor man sich den acht größeren Herausforderungen mit ihren Bossen oder gar dem namengebenden "Darkest Dungeon" zuwendet, sollte man seine Helden über viele Levelaufstiege in eine kampftaugliche Verfassung  bringen und entwickeln. Zum einen findet oder kauft man Artefakte, zum anderen darf man seine Rüstung sowie Waffen beim Schmied stärken. Noch wichtiger ist die Gilde, denn dort kann man aktive Fähigkeiten verbessern oder neue hinzukaufen. Gerade das Experimentieren mit all den Hieben, Stichen, Schüssen und Zaubern ist taktisch sinnvoll, denn man darf nur jeweils vier pro Held im Kampf aktivieren.  

Aber gelingt einem die Charakterentwicklung, ohne dass sie dabei zu Psychowracks mutieren? Von der Kleptomanie bis zur Satanomanie, vom Alkoholismus bis zur Zoophobie ist alles möglich; auch multiple Ticks und

Man kann seine Helden ausrüsten und ihre Fähigkeiten entwickeln.

Seuchen innerhalb eines Helden. Manche Krankenakte liest sich nach ein paar Stunden wie der Auszug aus einem Irrenhaus. Einfache Dinge wie "Schlechtes Gewissen" kann man noch günstig kurieren, aber bei "Perversen Gelüsten" geht die Heilung in die Tausende.

Apropos: Neben Erkundung und Kampf bietet Darkest Dungeon auch etwas Management sowie eine wirtschaftliche Komponente, die zum Haushalten mit Einnahmen und Ausgaben zwingt. Nicht nur Fähigkeiten und Erholung oder medizinische Eingriffe kosten etwas, auch jede Verbesserung der an die zehn Gebäude, die man mit erbeuteten Familienerbstücken bezahlt. Davon gibt es je nach Dungeonart eine andere Sorte, so dass man meist allen mehrere Besuche abstatten muss. Schließlich will auch jeder Ausflug der Helden gut vorbereitet sein: Hat man genug Fackeln, Verbände und Gegengift dabei? Schaufeln, Weihwasser, Nahrung und Schlüssel? Aber Vorsicht: Wer zu viele Wappen, Statuen oder Geld auf einmal ausgibt, wird irgendwann von der Dunkelheit auf dem Konto verschlungen.

Fazit

Auch auf Switch springt der morbide Funke so schnell über, dass man in Darkest Dungeon versinkt. Zwar muss man sich an die im Vergleich zum PC fummeligere Steuerung gewöhnen, außerdem können die kleinen Texte sowie die Dunkelheit im Mobilbetrieb etwas anstrengen, aber aufgrund der Touchfunktion ist die Bedienung auf Nintendos Konsole intuitiver als auf PS4. Und das Spiel selbst ist und bleibt auch zwei Jahre nach der Premiere einzigartig. Mal abgesehen davon, dass ein Sprecher noch nie so stimmungsvoll ein Spiel kommentiert hat wie Wayne June: Dieses Taktik-Rollenspiel hat ein klasse Artdesign, das düstere Fantasy und Horror à la Lovecraft vereint. Es zelebriert spannende Kämpfe, bietet Erkundungsreize, Charakterentwicklung und dazu etwas Management. Zwar wiederholt sich auf lange Sicht einiges an Dungeonstrukturen und Spielmechanik, aber das herausragende Merkmal ist das kreative Kampf- und Krankheitssystem inklusive Folgeschäden, das abseits der schnöden Lebenspunkleiste mit Stress und Ticks für eine ganz frische Spielerfahrung innerhalb dieses Genres sorgt. Helden entwickeln ein Eigenleben und tragen psychische Narben davon. Wer an vorderster Front kämpft, kann eben wahnsinnig werden. So füllen sich Friedhof und Irrenanstalt, während man mit tapferen, aber vielleicht kleptomanischdepressiven Helden der Wurzel des Bösen näher kommt. Aber was tut man nicht alles, um den Untergang seines Hauses zu verhindern? Ach so: Destroy...them...all!

Pro

anspruchsvolle Rundentaktik
grandioses Horror-Fantasy-Artdesign
düstere Hintergrundstory mit Lovecraft-Flair
wunderbarer Sprecher sorgt für heroische Stimmung
Kampfsystem mit vielen Buffs, Kombos und Verletzungen
große Auswahl an Fähigkeiten und Klassen
Licht und Stress wirken sich spürbar aus
gutes Lager- und Rastsystem zur Erholung
Krankheiten und psychische Folgeschäden
je nach Dungeonart etwas andere Herausforderungen
Interaktion von Gegenständen und Interieur mit Folgen
gnadenloses Spielprinzip zwingt zur Konzentration
reichlich Waffen und Beute inklusive seltener Ausrüstung
fordernde und kreativ designte Bosskämpfe
gute deutsche Menütexte; optional Untertitel
angenehm melancholische Musikuntermalung
Touchfunktion erleichtert Bedienung

Kontra

Familiengeschichte bleibt blass
Dungeonstrukturen ähneln sich auf Dauer
ab und zu Rückwege durch bekannte Flure
einige seltsame Ereignisse (zu früh Hunger)
nur englische Sprachausgabe
voll belegte Steuerung fummelig zu bedienen
einige Kauderwelsch-Übersetzungen
etwas zu kleine Schrift

Wertung

Switch

Auch auf Switch springt der morbide Funke so schnell über, dass man in Darkest Dungeon versinkt. Dieses Taktik-Rollenspiel hat ein klasse Artdesign, das düstere Fantasy und Horror à la Lovecraft vereint.

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