Im Test: Die Menschlichkeit der Maschine
Die D.Ü.R.R.E.
A.R.I.D. ist die Abkürzung und der Name des Computers, der die Lebenserhaltung des Raumanzugs steuert. Eines Raumanzugs, dessen Besitzer auf die Erde gestürzt ist und bewusstlos wurde. Da Arid auch die Motorik des Anzugs steuern kann, muss sie ihren Piloten dorthin bringen, wo sie medizinische Hilfe findet. Gut, dass er in eine unterirdische Basis stürzte, die von Androiden geleitet wird. Um Zugang zur medizinischen Einrichtung zu erhalten, spricht Arid mit den Maschinen und erfüllt ihre Bedingungen. Dabei kombiniert sie wie in einem klassischen Adventure Gegenstände, z.B. ein Kabel mit einer Seilwinde, greift aber auch zur Waffe, um sich gegen mechanische Wachen zu wehren.
Mit oder ohne Spoiler?
Der rote Faden ist oberflächlich gesehen kaum der Rede Wert, zumal die Handlung fast ausschließlich über (gut gesprochene) Dialoge erzählt wird. Sehr clever bringen Independententwickler Warner und sein Autor Caleb Allard allerdings über verschiedene Figuren unterschiedliche Aspekte der philosophischen und technischen Grundsatzdiskussion ins Spiel: Wie viel Mensch steckt in einer künstlichen Lebensform, die wie ein Mensch aussieht und spricht, die emphatisch auf Hilferufe
Was der originalgetreuen Umsetzung leider nach wie vor fehlt, ist wenigstens ein Hauch Entscheidungsfreiheit. Wenn es irgendwann um die Wahl Mensch oder Maschine geht, müsste man Arid in die eine oder die andere Richtung lenken dürfen – entsprechende Nuancen in einem späteren Dialog wären eine ausreichende Konsequenz gewesen. So fehlt zwischen Spieler und Hauptfigur ein Verbindungsstück, mit dem Arids wichtige Entwicklung auch emotional greifbar sein könnte.
Rätsel gesucht
Eine pragmatische spielerische Entwicklung macht sie jedenfalls durch, wenn sie im Verlauf der etwa fünfstündigen Rettungsaktion neue Fähigkeiten aktiviert: In dafür vorgesehenen Situationen schaltet der Raumanzug, den sie steuert z.B. eine optische Tarnung frei, damit sie ihn zum Schutz des Piloten vor feindlichen Wachen unsichtbar machen kann. The Fall folgt dabei nicht dem Muster, dass sich verschlossene Türen durch das Anwenden neuer Fähigkeiten öffnen. Es ist stets ein Adventure, in dem Arid z.B. eine Leiterplatte finden und im richtigen Computer einsetzen muss.
Das Suchen der Objekte kann allerdings mühselig sein, denn Arid entdeckt nur, was sie im schmalen Lichtkegel ihrer Taschenlampe erkennt. Man schwenkt das Licht deshalb ständig auf und ab, während man einige Räume mehrmals durchsucht, weil bei späteren Besuchen mitunter neue Gegenstände auftauchen. Das ist vor allem aufgrund der durch kleine Symbole dargestellten Objekte ermüdend.
Anstrengend ist das Adventure zudem, weil einige Aufgabenstellungen nicht klar erkennbar sind. Die meisten Rätsel entstehen zwar aus plausiblen Zusammenhängen und viele Lösungen ergeben sich durch aufmerksames Beobachten der Umgebung. Zu oft ist der entscheidende Hinweis aber zu weit entfernt. Dann führt nur das Ausprobieren sämtlicher Aktionsmöglichkeiten zum Ziel: Man sucht den Auslöser der nächsten Dialogszene, anstatt ein Puzzle zu knacken.
Umsonst geschlichen
Erstaunlich routiniert wirken auf den ersten Blick auch die Schusswechsel mit angreifenden Droiden – beinahe wie in einem Actionabenteuer: Arid kann sich tarnen und hinter Kisten in Deckung gehen. Schleicht sie sich ungesehen an eine Wache heran, kann sie den Gegner sogar ohne einen Schuss zerstören. Bedauerlich ist aber, dass das Schleichen kaum eine Rolle spielt und dass mehr als einmal vier baugleiche Androiden im präzisen Gleichschritt hintereinander patrouillieren. „Masse statt Klasse“ ist leider das Motto der Actionszenen.
Dass das Erkunden der blauschwarzen Gänge trotz der mäßigen Action und den anstrengenden Rätseln stets spannend ist, verdankt The Fall zu einem großen Teil seinem fantastischen Ton. Denn nicht nur die Sprecher füllen ihre Rollen überzeugend aus, auch die wuchtigen Geräusche erzeugen im Zusammenspiel mit dem knarzenden Wabern des Soundtracks eine packende Atmosphäre. Stimmungsvolle Lichtschwankungen sowie das aktive Durchsuchen der Umgebung mit Arids Taschenlampe verstärken die vereinnahmende klaustrophobische Atmosphäre.
Sauber umgeschaltet?
Ein Wort schließlich zur technischen Seite der Switch-Fassung. Keine Sorge: Die ist grundsätzlich gelungen, läuft bis auf Ausnahmen auch im Handheld-Modus mit 60 Bildern pro Sekunde und bietet eine bessere Steuerung als The Fall 2. Man kann sie allerdings nicht gleich zum Start aktivieren, sondern erst wenn Arid eine Waffe in der Hand hält. Meine Version des Spiels schaltet sie außerdem stets aus, wenn ich einen Spielstand lade - das gilt auch für den grundsätzlich hervorragenden "Developer Commentary". Das sind natürlich keine großen Fehler, ein wenig mehr Sorgfalt hätte aber walten lassen sollte.
Fazit
Spielerisch erschuf John Warner mit dem ersten The Fall nur ein befriedigendes Adventure: Die im Ansatz gute Action ist zu oberflächlich, das hervorragend zu dem bedrückenden Szenario passende Anschleichen spielt praktisch keine Rolle und zwischen zahlreichen gelungenen Rätseln verstecken sich zu viele, deren Lösung sich nach langwierigem Suchen einfach von selbst ergibt. Ein gutes Erlebnis inszenierte Warner aber deshalb, weil er die alte Frage nach den Werten der Menschlichkeit in einem spannenden Science-Fiction-Abenteuer beantwortet. Seine Stärke sind clever ausgearbeitete Figuren, die das Thema unter verschiedenen Aspekten beleuchten. Seine Trümpfe sind der packende Ton sowie die überzeugenden Sprecher. Spielt The Fall, bevor ihr euch dem Nachfolger widmet! Denn nur dann kann der erste Teil noch auf interessante Weise zum Nachdenken anregen.
Pro
Kontra
Wertung
Switch
Originalgetreue Umsetzung des PC-Adventure, die ihren Nachfolger nach wie vor übertrifft.
Echtgeldtransaktionen
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