Gear.Club Unlimited07.12.2017, Jan Wöbbeking

Im Test: Das Forza für die Switch?

Eden Games bringt sein Smartphone-Rennspiel Gearclub auf die Switch. Der Untertitel Unlimited deutet es an: Statt Grind und Mikrotransaktionen soll hier der Fahrspaß und das Aufmotzen von Fuhrpark sowie Werkstatt im Mittelpunkt stehen. Ein ernst zu nehmender Forza-Konkurrent für unterwegs?

Die fetten Jahre sind vorbei

„Was ist nur aus den Eden Studios geworden?“ Michael wirkt sichtlich geschockt, als ich ihn mit ein paar anderen Kollegen zum Test des Splitscreen-Modus ins Konsolenbüro hole. Vom idyllischen Test Drive Unlimited schwärmen schließlich heute noch einige Rennspielfans. Der Nachfolger aus dem Jahr 2011 stürzte bereits wertungstechnisch ab – und auch in Gearclub.Unlimited ist nicht mehr viel vom alten Glanz zu spüren. Das macht sich vor allem im lokalen Multiplayer bemerkbar, der zu zweit trotz heruntergeschraubter Details öfter mal unter die 30 Frames fällt und zu viert sogar unter richtig krassen Einbrüchen leidet, so dass man beinahe schon die einzelnen Bilder zählen kann. Drahtlose Duelle oder einen „echten“ Online-Multiplayer hat sich der Entwickler übrigens gespart. Stattdessen gibt es aber immerhin ein paar Handy-typische Ligen mit Geistern anderer Spieler, in denen man in festgelegten Zeitrahmen um die weltweiten Bestenlisten kämpft. Eine einfach gestrickte, aber willkommene Abwechslung für zwischendurch, mit der man sein Konto für die Karriere aufbessert und bei entsprechendem Können in höhere Ligen aufsteigt.

Im Splitscreen vorm TV kommt es vor allem zu viert zu krassen Rucklern.
Im Fokus von Gearclub.Unlimited steht aber der Einzelspielermodus. Nach und nach schaltet man erfreulich viele Gebiete der amerikanischen Landschaft frei, die man auf einer schlicht gehaltenen Karte überblicken kann. Auch die einfach gehaltenen Menüs wirken im Vergleich zur „großen Konkurrenz“ ziemlich billig. In der erweiterbaren Werkstatt erwirbt man hin und wieder neue Abteilungen für Bereiche wie Motor, Karosserie, Reifen, Rallye-Umrüstungen oder sogar einen Windkanal. Das Aufmotzen läuft allerdings ziemlich simpel ab: Überall erwirbt man nur einfache Kits, welche die Statusbalken verschieben und ein paar Erfahrungspunkte aufs Konto tickern lassen. Selbst ich als Arcade-Fan hätte mir wenigstens einfache Infos über die Modifikationen gewünscht.

Upgrades und Erfahrungspunkte

Auch den Werkstatt-Abteilungen selbst verpasst man Upgrades: Neben der Spielwährung ist dafür manchmal auch ein höheres Level nötig. Zudem lassen sich auch einige optische Verzierungen für die Werkstatt erwerben – z.B. ein Sofa oder ein Kaffee-Automat, der regelmäßig von Mechanikern frequentiert wird. Apropos Spielwährung: Hier scheinen die Entwickler einen ordentlichen Weg gefunden zu haben, die Finanzierung des Originals auf das Vollpreis- bzw. Midprice-Modell umzuwandeln. Bislang ist mir zumindest kein übertriebener Grind aufgefallen.

Nach den Rennen wird leider nicht im Detail aufgeschlüsselt, wie sich die verdienten Belohnungen zusammensetzen. Laut Beschreibung erhöhen sie sich z.B. durch deaktivierte Fahrhilfen.
Es gibt allerdings ein Detail, welches die Balance deutlich stört: Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad hatten die Computergegner nicht die geringste Chance. Auf dem höchsten dagegen schwankt die KI stark – so dass ich auch hier nur manchmal gefordert wurde, meine Gegner oft ebenfalls hunderte Meter hinter mir ließ und sie bis zur Ziellinie nicht mehr zu Gesicht bekam. Mal düst man an der sich schlängelnden Küste entlang, anderswo geht es durch verwinkelte Dörfer oder über lange Geraden in der Wüste. Thematisch stimmt die Abwechslung auf den 24 Kursen also, grafisch, wirken sie aber selbst für Mobil-Verhältnisse enttäuschend: Häuser z.B. ähneln sich stark und besitzen weniger Details als die Gebäude in zehn Jahre alten Rennspielen wie Forza Motorsport 2 oder Project Gotham Racing 4. In der Werkstatt hängen sogar eckige Reifen – und das im Jahr 2017.

Nicht gerade zeitgemäß

Positiv anzumerken ist hier lediglich der saubere Look, da die Engine offenbar in der nativen Auflösung rendert – oder zumindest nah daran. Interessant in diesem Zusammenhang sind die Performance-Unterschiede zwischen dem flüssigen mobilen Betrieb und der TV-Darstellung: Im Dock fällt die Bildrate manchmal ein wenig unter 30 Bilder oder bleibt kurz hängen. Ein grafischer Tiefpunkt sind die Rally-Ausflüge: Erde und Matsch wirken hier wie eine platte Fläche, weil kein Bisschen Dreck aufgewirbelt wird und sich hier von dünnen Reifenspuren abgesehen nichts verformt. Selbst das fast 20 Jahre alte Sega Rally 2 wirkte diesbezüglich schon viel realistischer. Das Fahrgefühl im Gelände unterscheidet sich also nicht allzu stark von gewöhnlichen Straßenrennen. Insgesamt mangelt es an Abwechslung: Statt ausgefallene Modi wie Verfolgungsjagden oder Kudos-Wettbewerbe für den Fahrstil einzubauen, servieren die Entwickler dem Spieler nur ein Standard-Programm, das hauptsächlich Meisterschaften mit Positions- und Zeitrennen zu bieten hat.

Nicht beeindruckend: Auf Offroad-Abschnitten ist der Untergrund kaum animiert.
Eine kleine Auszeit vom Rennalltag bekommt man hier höchstens mal, wenn man z.B. auf einem interessant designten Kurs auf eine Kreisel zurast – und dann mit Schmackes zurück durch die Geister der KI. Das arcadelastige Handling dabei gehört allerdings auch nicht zu den Stärken des Spiels. Nach ein wenig Gewöhnung und dem Abstellen einiger Fahrhilfen hatte ich die Steuerung irgendwann im Griff, sie ist aber lange nicht so feinfühlig wie z.B. in Forza Horizon 3 oder dem guten alten PGR 4, bei denen man mit geschicktem Spiel von Gas und Bremse sein Auto regelrecht „spüren“ kann.

Kein Vergleich zu den großen Vorbildern

Negativ wirkt sich dabei natürlich auch das Fehlen von Analogtriggern an der Switch aus. Positiv ist, dass man hier einige Feinheiten wie die Ideallinie im Menü deaktivieren kann. Sogar das KI-Können lässt sich jederzeit in den bereits erwähnten drei Stufen modifizieren. Zwischendurch schaltet man auch immer mehr Händler mit stärkeren Vehikeln frei.

Ein Blick in die Garage, die sich erweitern und mit neuen Modulen ausstatten lässt.
Im Vergleich zu den über 700 Fahrzeugen von Forza Motorsport 7 wirkt der Fuhrpark hier mit 32 Wagen (darunter z.B. Exemplare der Kompaktklasse oder Supersportwagen) natürlich mickrig. Da Gear.Club Unlimited (ab 19,30€ bei kaufen) aber deutlich arcadelastiger ausfällt und weniger Wert auf die Abstimmung legt, reichte mir die Zahl trotzdem. Schön wäre natürlich etwas mehr Abwechslung gewesen, z.B. mit Oldies, Konzeptfahrzeugen oder auch mal einem Truck oder einer knuffigen Isetta wie in Forza Horizon 3. Stattdessen muss man sich hier mit einer Hand voll Leistungsklassen und Marken zufrieden geben. Von Ford hat man z.B. den Focus RS 2016 sowie den Mustang GT 2015 integriert, zudem sind diverse Modelle von BMW, Mercedes-AMG, Lotus, Nissan, Dodge, McLaren (z.B. der P1) und weiteren Herstellern vertreten.

Fazit

Schade! Gear.Club Unlimited ist eindeutig nicht der Forza- oder Gran-Turismo-Konkurrent, den sich manch ein Switch-Besitzer erhofft haben dürfte. Ob bei der etwas kargen Kulisse, dem verhältnismäßig kleinen Fuhrpark, dem Mangel an Abwechslung, den Performance-Problemen im lokalen Multiplayer oder den schlichten Menüs: Hier erinnert fast alles an die Herkunft vom Smartphone. Auch die Balance des schwankenden, meist zu niedrigen Schwierigkeitsgrads hat Eden Games nicht im Griff. Im Gegenzug braucht man sich aber immerhin nicht mit übertriebenen Grind-Mechanismen oder In-App-Käufen herumzuschlagen. Switch-Besitzer müssen sich vorerst weiter mit Rennspiel-Perlen ohne echte Autos wie Mario Kart 8 oder Fast RMX zufriedengeben.

Pro

ordentlicher Umfang mit 24 Strecken und vielen Meisterschaften auf einer großen Landkarte
kleine Online-Ligen mit Zeitrennen bringen Belohnungen und Extramotivation
Aufmotzen der Werkstatt motiviert mitunter...
KI-Können, Fahrhilfen und einiges mehr jederzeit justierbar

Kontra

schwankender, oft zu niedriger Schwierigkeitsgrad
zu wenig Abwechslung bei den Modi-Typen
...Werkstatt-Upgrades nerven aber mit ihrer monotonen Handyspiel-Aufmachung
arcadelastiges Fahrverhalten nicht immer feinfühlig genug
gelegentliche Bugs und Abstürze
Mangel an grafischen Details in der Kulisse und eckige Reifen
auf Rallye-Kursen keinerlei animierter Dreck oder Schlamm
30 Frames pro Sekunde im TV-Betrieb nicht immer stabil
kein echter Online-Modus
im Vier-Spieler-Splitscreen sehr niedrige Framerate
schlichte Menüs
kein Soundtrack während der Rennen und in Menüs nur seichte Fahrstuhlmusik
schwer durchschaubare Belohnungen nach einem Rennen

Wertung

Switch

Schwache Kulisse, wenig Abwechslung und Mängel bei der Balance: Gear.Club Unlimited kann leider nicht ansatzweise mit den großen Vorbildern mithalten.

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