Im Test: Widerstandskampf mit Abstrichen
"The New Weichspüler"
Natürlich sieht Wolfenstein 2: The New Colossus auf Switch nicht annährend so gut aus, wie auf PlayStation 4 oder Xbox One und schon gar nicht wie auf PC, aber was die Entwickler (Panic Button in Zusammenarbeit mit MachineGames) aus der vergleichsweise leistungsschwachen Konsole herausholen, ist stellenweise beeindruckend - und eine Spur besser als bei Doom. Nichtsdestotrotz fällt zunächst die unschärfere und verwaschene Optik auf, die manchmal so wirkt, als würde das Spiel dauerhaft mit Weichzeichnung bzw. Bewegungsunschärfe arbeiten. Die Unschärfe entsteht durch niedrigere Auflösung und hochgradige Sparmaßnahmen bei den Texturen. Letzteres ist höchstwahrscheinlich der Grund dafür, dass das Spiel nur knapp 20 GB Speicherplatz auf der Switch verschlingt - im Vergleich zu 50 GB auf PC.
Dynamische Auflösung und 30 fps
Die Auflösung ist auf maximal 720p beschränkt und verändert sich dynamisch je nach aktueller Rechenlast. Soll heißen: In aufwändigen Szenen, zum Beispiel in weitläufigeren Arealen (New Orleans) oder in Gefechten mit vielen Gegnern (Gerichtssaal), wird die Auflösung und damit die Schärfe reduziert, damit das Geschehen möglichst mit 30 Bildern pro Sekunde dargestellt werden kann.
Im Handheld-Modus sind die technischen Abstriche ausgeprägter und obwohl Wolfenstein 2 im mobilen Betrieb gelegentlich eindrucksvoll aussieht, ist das Bild schon ziemlich unscharf, was der "kleinere Bildschirm" meist kaschiert - manchmal, vor allem in metallischen Umgebungen, kann die Gegnersuche sogar einem Suchbild gleichen. Für exaktere Angaben und Details verweise ich auf die britischen Technikfüchse von Digital Foundry . Abstriche sind ebenfalls bei den dynamischen Licht- und Schatteneffekten und dem volumetrischen Nebel zu beobachten, wobei ganz klar die Verringerung der Texturqualität stärker ins Auge fällt. In Bewegung sind die Matschtexturen nicht so prägnant, nur in ruhigeren Momenten fällt es zum Beispiel schwer, die Schrift auf Schildern und Plakaten zu erkennen, was bei den anderen Versionen problemlos möglich ist. Besonders stark fällt der Unterschied aus, wenn die vorgerenderten Zwischensequenzen (Hinweis: schwarze Balken) in den normalen Ablauf übergehen und die Charaktere aus der Nähe zu sehen sind.
Gut umgesetztes Shootergeschehen
Trotz der ganzen technischen Anpassungen gelingt Panic Button dennoch das Kunststück, die Atmosphäre sowie das Feeling der Schauplätze und das rasante Shooter-Geschehen so gut wie ohne Abstriche auf die Nintendo-Konsole zu übertragen - ohne Inhalte zu streichen oder mit zusätzlichen Ladepausen zu versehen. Die Feuergefechte, die Waffen und die Action fühlen sich nahezu wie auf den anderen Konsolen an (abgesehen von der fps-Halbierung), wobei ich anstelle der Joy-Cons den Pro-Controller bevorzuge, da das Zielen damit etwas präziser vonstattengeht. HD-Rumble fühlt sich mit großen Waffen ebenfalls gut an und die Zielhilfe kann im Menü ausgeschaltet werden. Optional lässt sich der Shooter mit Bewegungssteuerung kontrollieren - wie bei Doom. Die Bewegungssteuerung ist überraschend gelungen, gerade wenn man die Schüsse etwas präziser platzieren möchte.
Allerdings trat bei mir noch ein seltsamer Menü-Bug auf, und zwar konnte ich im Hauptmenü den linken Joy-Con-Controller gar nicht nutzen. Im Shooter und im Spielmenü (Karte, Errungenschaften etc.) funktionierte alles reibungslos. Die Lösung des Problems: Die Switch-Konsole musste einmal komplett ausgeschaltet werden (Stand-by reicht nicht). Danach funktionierte alles problemlos.
Ein toller Shooter dank Charakterzeichnung und Inszenierung
An den spielerischen und inhaltlichen Qualitäten des Shooters hat sich kaum etwas getan, deswegen verweise ich an dieser Stelle auf den Test (PC, PS4 und Xbox One). Als einer der besten Shooter des letzten Jahres konnte The New Colossus hauptsächlich durch die Charakterzeichnung und seine Geschichte, die mutig zwischen Drama, Satire, Gewalt, Witz und Over-the-Top-Momenten wechselt, überzeugen - mit einem hohen Anteil an erstklassig inszenierten Zwischensequenzen. Abseits der ungefähr drei Stunden Cutscenes darf sich BJ Blazkowicz entweder in hohem Tempo mit Akimbo durch die Levels ballern oder in Stealth-lite-Manier, wobei dieser Spielaspekt etwas zu oberflächlich daherkommt. Die Feuergefechte überzeugen durch Tempo, enorme (anpassbare) Waffenwucht und gut gestaltete Levels, die ihren Schlauch-Charakter nicht immer verbergen können. Lediglich das Trefferfeedback, wenn Blazkowicz getroffen wird, fällt zu mager aus, während die Schwierigkeitsgrade besser ausbalanciert sein könnten.
Fazit
Hut ab! Die Switch-Umsetzung von Wolfenstein 2: The New Colossus ist gut geworden und zeigt, dass die Portierung von grafisch anspruchsvolleren Titeln kein Ding der Unmöglichkeit ist. Selbst die Gefechte in den weitläufigere Levels lassen sich im Docked-Modus weitgehend problemlos spielen, wobei sich das Spielgeschehen mit 30 fps natürlich nicht so flüssig wie mit 60 fps anfühlt. Trotzdem ist es Panic Button gelungen, das Feeling der Schauplätze und das rasante Shooter-Spielgefühl fast ohne Abstriche auf die Nintendo-Konsole zu übertragen, obgleich natürlich die niedrigere (dynamische) Auflösung und die nicht aufgelösten Texturen dafür sorgen, dass alles "weichgespült" aussieht. Im direkten Vergleich zu den anderen Versionen zieht die Switch-Fassung klar den Kürzeren. Dennoch ist es stellenweise beeindruckend, wie gut das Spiel aussehen kann, selbst im noch "weichgespülteren" Handheld-Modus, wenn man nicht so sehr auf das Detail, sondern eher auf das große Ganze achtet. Warum allerdings die drei mittelprächtigen Download-Erweiterungen, die Freiheitschroniken, nicht enthalten sind und auch der Freiheitschroniken-Season-Pass gar nicht angeboten wird, ist unklar. Ansonsten ist und bleibt Wolfenstein 2: The New Colossus einer der besten Ego-Shooter für Einzelspieler. Das Spiel erzählt eine starke, überraschende und stimmungsvolle Geschichte mit B-Movie-Flair, die von ihren charismatischen sowie zumeist gut entwickelten Charakteren lebt und mithilfe von hochkarätig inszenierten Zwischensequenzen in hoher Qualität dargeboten wird. Oftmals gelingt sogar die Gratwanderung aus emotionaler Erzählung, Ernst, überzeichnetem Comic, derber Gewaltdarstellung und (absurdem) Humor - so etwas habe ich in noch keinem Shooter in dieser Qualität gesehen. Lediglich das Trefferfeedback fällt zu mager aus und die Spielzeit ist mit ca. acht bis zehn Stunden ausbaufähig.
Pro
Kontra
Wertung
Switch
Das Spiel- und Shootergefühl wurde gut auf Switch übertragen, aber die grafischen Einschränkungen (Auflösung, Texturen) sind deutlich.
Echtgeldtransaktionen
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- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
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