The Messenger05.09.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Kniffliger Kampfplattformer

Shinobi und Ninja Gaiden bekommen ein spielbares Denkmal: The Messenger von Sabotage Studio und Publisher Devolver schickt sich an, die knifflige alte Schule fernöstlicher Kampfplattformer aufleben zu lassen. Kann das Spiel positiv aus der Flut an Pixelhüpfern und „Metroidvania“-Titeln herausstechen?

Shinobi Gaiden

An Retro-Plattformern herrscht bekanntlich nach wie vor kein Mangel, doch The Messenger hat es mit seinem Design auf Anhieb geschafft , mein Interesse zu wecken. Die blutroten Dämonen wecken schon nostalgische Gefühle und durch mein Ausbildungs-Camp gegen die höllische Bedrohung wuseln sogar Ninjas mit anderen Kostümfarben – fast wie in Klassikern der VHS-Ära. Auch der Rest der Kulisse erinnert angenehm an diese Epoche, die ausgiebig in Mega-Drive- und NES-Oldies zitiert wurde. Das Ganze wirkt zwar nach heutigen Maßstäben etwas karg, aber die dunklen Grotten, Dörfer und Wasserfälle wecken bei älteren Spielern wie mir sofort die passenden Assoziationen. Ein noch wichtigerer Teil der Atmosphäre ist der Chiptune-Soundtrack vom Künstler Rainbowdragoneyes, der mich mit seinen genialen Melodien und verspielten Bassläufen sofort ins Abenteuer gesogen hat.

Ninjaaa!
Auch spielerisch gibt sich das Action-Adventure klassisch: Als Überbringer einer Schriftrolle spielt mein Messenger eine wichtige Rolle im Zeitalter der auferstandenen Dämonen, die überall durch die halboffenen Levels wuseln. Damit in Verbindung steht eine alte Prophezeiung, deren Details sich mir erst nach und nach offenbaren. Manchmal übertreiben es die in Kutten gehüllten Kultisten ein wenig mit ihren ausufernden, verschwurbelten Umschreibungen. Davon abgesehen passt die ordentliche  Portion Selbstironie der Unterhaltungen aber gut zur Stimmung. Der Held selbst war schließlich auch nicht gerade der Musterschüler seines altehrwürdigen Bundes, sondern  eher ein Tunichtgut – der sich im Angesicht der real gewordenen Bedrohung aber tapfer durch die finsteren Gegner schnetzelt.

Fokus aufs Plattforming?

Später verkauft der Shopkeeper auch Tipps gegen gesammelte Scherben - falls man die verschwurbelt formulierte Prophezeiung nicht versteht. Ein Kreuz auf der Karte zeigt danach das Ziel an.
Die einfach gehaltenen Kämpfe mit ihren wenigen Schwertattacken bleiben dabei eher Mittel zum Zweck. Im Zentrum steht das geschickte Turnen über Felsspalten sowie Klettern und Hüpfen über poröse Plattformen. Auf dem Weg durch die teils scrollenden, teils überblendenden Räume beseitigt man Feuer spuckende Golems, kugelschleudernde Stachelschildkröten und andere Monstrositäten. Besonders schön gelöst ist, dass sich viele Exemplare sogar als Sprungbrett missbrauchen lassen: Einmal beherzt zukloppen und schon erreicht man mit dem zweitem Hüpfer einen Vorsprung über dem Widersacher. Mit Hilfe des Wing-Suits gleitet man auch zu entlegenen Höhlen. Dank der knackig-präzisen Steuerung gelingt das meist auf befriedigende Weise. Man muss sich zwar einige Zeit an das etwas behäbige Oldschool-Bewegungsschema des Helden gewöhnen, doch danach wird klar, wie sinnvoll und punktgenau Handhabung und Kollisionsabfrage hier ineinandergreifen.

Durchaus knifflig

Falls ich einmal abstürzte oder mir im Kampf der letzte Energiepunkt geleert wurde, war entweder ich selbst daran schuld, oder die Entwickler haben die Stelle bewusst knifflig designt. Und knifflig wird es hier durchaus – zwar bei weitem nicht so unbarmherzig wie in Celeste, aber meine Zahl der Tode lag auch hier schon relativ früh im dreistelligen Bereich. Mal jagt mich ein an Shenlong erinnernder Drache über die Wolken, anderswo muss ich mich gegen einen blitzschnellen Dämon oder zwei verfressene Riesen im Bosskampf beweisen. Einer der beiden schleudert ständig seinen kugelrund zusammengefalteten Kollegen durch die felsige Arena. Manchmal verabschiedet er sich auch auf die gegenüber liegende Felsspitze im Hintergrund, um mich von dort aus zu bewerfen oder anderweitig zu attackieren. Obwohl die Bosskämpfe keine echten Rätsel beinhalten, stellen sie meist eine schöne Herausforderung dar. Die Endgegner können eine Menge einstecken, schleudern eklig rotierende Magie-Waffen durch die Manege und zischen auf ruckartigen Wegen durch die Luft.

Schweißtreibend: Die Bosse fordern nicht nur verschiedene Techniken, sondern können auch richtig viel einstecken.
Wer hier überleben will, muss sich also genau auf alle Phasen einstellen und verschiedene Fähigkeiten ausnutzen. Später kommen zudem Tricks hinzu, die bei der Erkundung der sich öffnenden Welt helfen. Zunächst schicken die Entwickler den Spieler nämlich durch relativ lineare Levels, in denen man lediglich kleine Geheimräume entdeckt. Hat man sich durch die Welt und ihre Bosse gekämpft, verwandelt sich das Spiel allerdings in ein an Metroid angelehntes, offenes Erkundungsabenteuer.

Sprung durch die Zeit

Mit Hilfe von Zeitrissen schaltet man immer wieder zwischen den Epochen um – ähnlich wie in Fly'n, Giana Sisters: Twisted Dreams & Co. Ein Sprung durch den glühenden Zeit-Kreis und schon erscheint rechts vom Ninja ein neu gebauter Stützpfeiler, an den man sich mit der Harpune heranziehen kann. Sekunden später geht es durch den nächsten Zeitriss, um in einer Ruine in einen Eingang zu schlüpfen und im tiefen Bergwerk auf einen Bauarbeiter zu treffen, der bei der Reparatur einer Brücke hilft. Hier und da trifft man immer wieder auf Freunde, die anderswo hilfreich werden. Wem die Suche nache den magischen Noten-Artefakte nicht genug ist, kann sich zusätzlich auf die Jagd nach den meist zwischen vielen Stacheln versteckten Siegeln begeben.

Nein, das ist nicht Shenlong, sondern Manfred. Kein Scherz.
Auch optisch wird man beim Wechsel in eine andere Epoche versetzt: Plötzlich sind die Pixel etwas weniger grob. Die Musik mit ihrer veränderten Instrumentierung wie einer Panflöte und komplexeren Bassläufen weckt derweil Erinnerungen an frühe Amiga-Titel – und das scheppernde Klingeln Erinnerungen an den Mega-Drive-Soundchip. Im Shop des Ordens schaltet man zwischendurch eine Reihe von Gadgets sowie Verbesserungen der Statuswerte frei. Danach erwischen z.B. Ninjasterne gleich mehrere Gegner hintereinander oder an einem Speicherpunkt werden mehr Energiepunkte aufgeladen. Die Checkpoints sind meist fair über die Areale verstreut, mancherorts könnten sie aber ruhig etwas näher aneinander liegen. Allgemein gibt es in punkto Balance noch Luft nach oben: In den letzten Levels der linearen Spielhälfte musste ich mich oft richtig angestrengt durchbeißen und bin hunderte Male gestorben. Danach sinkt der Anspruch in der offenen Welt aber plötzlich deutlich.

Wie gemacht für die Switch?

Quälgeist Quarble frisst dem Helden nach einem Tod einige gesammelte Scherben weg und kloppt spöttische Sprüche. Eine schöne Alternative zum klassischen System mit Leben.
Zum Teil dürfte das an der Übung liegen, die man hier im Laufe der harten Bosskämpfe anhäuft. Doch andere Titel wie Ori and the Blind Forest schaffen es deutlich besser, den Anspruch trotz solcher „Lernerfolge“ gleichmäßig zu steigern. Trotzdem hat es auch The Messenger geschafft, mich immer wieder zu motivieren – selbst wenn es im späteren Spielverlauf eher die Neugier nach neuen Abschnitten war, die mich antrieb. Inhaltliche oder grafische Unterschiede sind uns in den PC- und Switch-Fassungen übrigens nicht aufgefallen. Da der Grafikchip von Nintendos Handheld kaum gefordert wird, gehört das Spiel zu den Titeln, in denen man kurze Videoclips aufzeichnen kann. Außerdem sinkt der Batteriestand auf langen Reisen erfreulich langsam.

Fazit

The Messenger ist ein Retro-Plattformer ganz nach meinem Geschmack: Sabotage Studio hat den schwankenden Schwierigkeitsgrad zwar nicht immer im Griff. Davon abgesehen ist ihnen aber ein überaus motivierendes Action-Adventure alter Schule (oder alten Dojos?) gelungen. Grafisch und spielmechanisch orientiert man sich auf gelungene Weise an Klassikern wie Shinobi oder Ninja Gaiden. Mit der sich später öffnenden Welt und dem selbstironischen Humor werden aber auch neue Facetten hinzugefügt. Wenn man mit nützlichen Gadgets wie Wingsuit und Harpune durch die Bergwelt turnt und nebenbei Gegner als Sprungbrett benutzt, entwickelt sich ein guter Rhythmus. Dabei liegt der Fokus hauptsächlich auf der Akrobatik, hinzu kommen einfach gestrickte Kämpfen gegen das Dämonen-Fußvolk sowie extra knackige Bosse. Unterm Strich ist das sehr gute Retro-Action, bei der auch der geniale Chiptune-Soundtrack eine Menge zur Stimmung beiträgt!

Pro

knackig-präzise Steuerung und Kollisionsabfrage
überschaubare aufrüstbare Fähigkeiten kommen sinnvoll zum Einsatz
mitreißende Ohrwurm-Melodien und gelungene Variationen der Stücke
Retro-Stilmix passt gut zum Thema des Fernost-Abenteuers
selbstironischer Humor und philosophische Geschichten lockern das Spiel auf
sinnvolles Scherben-System statt Leben

Kontra

gelegentliche Schwankungen beim Schwierigkeitsgrad stören die Motivation
mitunter zu ausschweifende Texte

Wertung

Switch

Knifflige Plattform-Action alter Schule mit coolem Chiptune-Soundtrack und präziser Steuerung.

PC

Knifflige Plattform-Action alter Schule mit coolem Chiptune-Soundtrack und präziser Steuerung.

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Kommentare

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vor 6 Jahren
Der Chris

The Messenger sollte jedenfalls auf jeder Wunschliste landen. Gefühlt scheint das Spiel gerade zu floppen, was ich gar nicht verstehen kann (und was nebenbei gesagt auch extrem Schade wäre). Manchmal ergeht es einem ja so, dass man, wenn man ein Spiel spielt, Teil eines großen Hypes ist, weil viele andere das Spiel genauso abfeiern wie man selbst.
Ich hab ein bisschen Angst dass es bei mir am Ende auf dem Stapel mit den Spielen landet, die ich gerne geliebt hätte. Diese sehr anspruchsvollen Platformer greifen bei mir (auch emotional) leider des öfteren ins Leere. Shovel Knight ist bei mir da leider so der prominenteste Fall. Ich müsste es eigentlich großartig finden...aber irgendwie hat es bei mir nicht diese Euphorie ausgelöst. Super Meat Boy hat da bei mir zum Beispiel besser funktioniert. Da stimmt dann der Flow auch. Bei Shovel Knight klopf ich gefühlt eher Steine und so richtig flowt es bei mir nicht. Ich hab Angst dass der Messenger bei mir am Ende genauso ist. :(

vor 6 Jahren