Im Test: Bastelstunde mit der Switch
Endlich ein Editor in der realen Welt!
In ein paar Minuten - oder auch Stunden - hat man die vorgestanzten Elemente aus den Bögen getrennt, zusammengefaltet und kann auf dem mittleren Bildschirm-Teil der Konsole eines der Minispiele starten. Enthalten sind fünf Spiele plus etwas Kleinkram und Zubehör: Ein kleines ferngesteuertes „Auto“, ein Motorradrennen, ein Angelspiel, ein virtuelles Haustier, um das man sich in kurzen Reaktionstests kümmert sowie ein Piano nebst einfachem Musik-Editor. Hat man genug gespielt, lässt sich das Konstrukt natürlich auch mit schrägen Dekorationen vollkleistern. Nintendo bietet z.B. ein entsprechendes Deko-Kit voller Kulleraugen und anderer Sticker an. Im Set 01 stecken lediglich das Spielmodul sowie allerlei Pappbögen und Kleinkram wie Schnüre, Ösen und Gummibänder. Das Wort lediglich ist eine Untertreibung, denn wir haben schon teure Brettspiele erlebt, in denen deutlich weniger Material steckte. Obwohl die Pappbögen vor den eigenen Augen viel dünner wirken als auf Bildern oder in Videos, sind sie in gefalteter Form erfreulich robust.
Robust und ausführlich
Toycon heißen hier die einzelnen Pappspielchen, die sich dank der extrem ausführlichen Anleitung bestens zusammenbauen lassen. Jeder Schritt wird derart detailreich erläutert, dass es uns manchmal schon fast zu viel war. Nicht jeder hat Spaß daran, sich durch hunderte Seiten Chat mit Professor von Papp und seinen Schülern zu klicken, die wirklich jedes Detail mit einem albernen Spruch kommentieren müssen. Typisch Nintendo! Anderswo profitiert der Spieler aber von der ausführlichen Umsetzung und dem Qualitätsanspruch des Branchen-Oldies: Man kann die übersichtlichen Schritte im eigenen Tempo vor- oder zurückspulen.
Ein RC-Auto? Papperlapapp!
Am schnellsten gemacht ist das kleine ferngesteuerte Auto. Oder handelt es sich um einen Käfer? Wie dem auch sei: das seltsame Konstrukt gleitet dank der Vibrationsmotoren der seitlich eingesteckten Joycons wie ein Luftkissenboot vorwärts. Ziemlich langsam zwar – und man muss die Frequenzen passend einstellen - aber für einen Vibrationsantrieb ist es trotzdem beachtlich. Ein lustiges Extra ist dabei die Infrarotkamera in der Front, dank der man im Dunkeln durch kleine Labyrinthe auf Tisch oder Boden gleitet, um in Bestzeit ans Ziel zu gelangen; inklusive Bildübertragung im Predator-Design. Das „autonome Fahren“ funktionierte bei uns allerdings ziemlich schlecht: Theoretisch klebt man Leuchtstreifen auf eine glatte Unterlage und dank der Kamera folgt das Fahrzeug der Straßenmarkierung. In der Praxis verirrte sich der störrische Vibro-Käfer aber meist schon nach wenigen Zentimetern, selbst nach Experimenten mit matteren Oberflächen und weniger Tageslicht.
Duell gegen andere Pappenheimer
Das haben offenbar auch die Entwickler bemerkt und diesen Toycons deshalb eine Art Sumo-Ringen spendiert, bei dem man den zweiten Spieler aus dem Ring drängt oder einfach sein filigranes Konstrukt umkippt, was hier deutlich häufiger passiert. Ebenfalls nicht allzu spannend, aber immerhin gibt es eine Mehrspielermöglichkeit. Achtet darauf, eure empfindlichen Autos nicht mit dekorativen Stickern vollzukleistern, damit sie nicht zu schwer für den Rumble-Antrieb werden!
Gibt’s keine größeren Spiele?
Nach einigen Minuten bemerkt man allerdings, dass das zuerst knifflig wirkende Einholen der Fische nicht mit ernstzunehmenden Angelspielen konkurrieren kann. Manch dicker Brocken wehrt sich zwar beträchtlich, doch für das Anlocken und Anbeißen gibt es einen viel zu einfachen Trick, zumal nicht einmal Köder am Haken baumelt. Nach dem Fang landen die schuppigen Trophäen übrigens nicht auf dem Teller sondern in einem geräumigen Aquarium, das man wie einen Bildschirmschoner laufen lassen kann. PETA dürfte bei diesem Spiel also keinen Protestbedarf erkennen. Im kleinen Pappgebäude wohnt ein putzig animierter kugelförmiger Kopffüßer, um den man sich wie um ein Haustier kümmert. Dazu startet man allerlei kleine Rektionstests, lässt es in einem Laufrad rotieren, bietet Futter an oder flutet auch mal die komplette Behausung.
Auf in die Werkstatt!
Als gelungenes Extra gibt es einen einfachen, aber gut funktionierenden Strecken-Editor. Darin zeichnet man den Kurs direkt mit dem Motorrad aufs Feld oder scannt mit der Infrarotkamera sogar Unebenheiten aus der realen Welt – z.B. die Visage vom genervten Büronachbarn! Schade, dass hier kein simultaner Multiplayer geboten wird und es auch bei anderen Toycons nur wenige Möglichkeiten für Duelle gibt.
Auf in die Werkstatt!
Oder man laboriert mit Leuchttafeln, der Infrarotkamera, der Bewegungssteuerung und anderen Feinheiten herum. Mit entsprechender Experimentierfreudigkeit lassen sich sogar andere Objekte wie Besenstile, Tennisschläger oder eigens gebastelte Pappobjekte einbinden. Ein herber Einschnitt ist allerdings, dass Nintendo dafür nur mickrige sieben Speicherplätze zur Verfügung stellt. Mit den gigantischen Möglichkeiten von LittleBigPlanet 3 und seinen verknüpfbaren Level-Welten kann man ohnehin nicht konkurrieren – im Gegenzug wird das Gebastel hier aber vor den eigenen Augen greifbar. Soll das Männchen sich drehen oder mit einem Knall umfallen, wen ich das Joycon in einem bestimmten Winkel halte? Wer das Diagramm ein wenig mit den Fingern herauszoomt, kann mit einfachen Logik-Befehlen sogar Dutzende Knoten verknüpfen, die mehrere Voraussetzungen nötig machen.
Ein echtes kleines Musik-Studio?
A propos Musik: Das aufwändigste Projekt im Bundle ist das Klavier: Während der drei Stunden Bauzeit fühlt man sich beinahe an die Elbphilharmonie erinnert. Andererseits ist es schon ein cooles Gefühl, ein „richtiges“ Instrument mit zurückfedernden Tasten gebastelt zu haben. Auch das Herumklimpern mit Piano-Sounds, albernen Katzen- oder Chor-Geräuschen macht Spaß – zumal auch fast alle Büronachbarn mit Flüchen über mein lautes Geklapper einstimmten.
Fazit
Unterm Strich hat Nintendo eine inspirierende Grundlage dafür geschaffen, die Möglichkeiten der Switch mit lehrreichen Bastel-Tricks zu erweitern. Die Anleitung ist sehr intuitiv und die fertigen Konstrukte halten bisher erstaunlich gut. Jetzt fehlen nur noch die passenden Spiele, denn bei den mitgelieferten Disziplinen handelt es sich größtenteils nur um passable Snacks, mit denen man sich selbst in einer klassischen Minispielsammlung nicht allzu lang beschäftigen würde. Warum z.B. hat man dem etwas komplexeren Motorradrennen nicht mehr Persönlichkeit verpasst? Dazu hätte man sich etwa bei Figuren oder Design-Elementen aus Mario Kart bedienen können. Für ein wenig Extra-Motivation sorgt allerdings die Toycon-Werkstatt: Dort können findige Tüftler die fein kalibrierbaren Sensoren und Rumble-Motoren der Joycons für lehrreiche Versuche nutzen. Auch dort setzen aber Nintendo-typische Beschränkungen wie die fehlende Internet-Anbindung oder die limitierten Speicherplätze unnötige Grenzen. Das Multi-Kit von Nintendo Labo bietet also ein kreatives Äußeres, das aber ein wenig mit seinen inneren spielerischen Werten enttäuscht.
Zusätzlich gibt es übrigens ein zweites Paket, das für 79,99 Euro erhältlich ist und das wir hier näher untersuchen. Mit dem „Robo-Set“ kann man sich einen Kampfroboter-Anzug basteln – inkl. langen Schnüren, klappernden Gewichten und einer Bewegungssteuerung, mit der man stampfend vorwärts läuft und in Richtung TV boxt. Auch Verwandlungen in einen Riesenroboter oder in ein Auto sind möglich. Dabei wird übrigens ein eigenes Spielmodul mitgeliefert; das Multi-Set ist für den Roboter also nicht nötig.
Pro
Kontra
Wertung
Switch
Das Basteln und Experimentieren mit robusten Papp-Spielzeugen erweist sich als faszinierendes Konzept, bei den Minispielen handelt es sich aber nur um passable Snacks.
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.