Trailblazers23.11.2018, Jan Wöbbeking

Im Test: Splatoon trifft Future-Racer

Warum mixen wir nicht einfach Splatoon mit Project Gotham Racing und Fast RMX? Schön, dass solche Ideen in manchen Firmen keine Brainstorming-Experimente bleiben. Trailblazers (ab 12,01€ bei kaufen) wirkt wie eine wilde Mischung aus Fun- und Future-Racer mit Punkte-Kombos sowie einem einfachen, aber genialen Kniff: Hier zeichnet man seine Boost-Streifen einfach selbst auf die Strecke – oder pinselt die des gegnerischen Teams über.

Ein Geheimtipp für Experimentierfreudige?

Kooperative Aspekte spielen hier eine wichtige Rolle: Soll ich mir auf der langen Geraden einen schönen roten Pfad für mein Team aufbauen? Dann könnten wir in ein bis zwei Runden ungestört über die Außenbahn durch den langen Loop düsen und das Boost-Level auf die höchste Stufe treiben – bis sich die Sicht wie in Fast RMX mit einer Fischaugenoptik verzerrt. Oder male ich lieber erstmal die feindliche Farbe über, damit die Gegner uns nicht heimlich auf der Abzweigung überholen? Ich könnte auch einen Widersacher vor mir mit einem Schwall Farbe zum Rotieren bringen, was für ähnlich viel Genugtuung sorgt wie beim Paintball. Zunächst arbeite ich mich effektiv auf unserer Farbspur an ihn heran, vooorsichtig zielen, flatsch, Treffer! Und dann schnell ein Schlenker zur Seite, damit ich nicht selbst in den Unfall rausche. Die Attacke leert zwar den kompletten Farbtank, der sich nur langsam wieder füllt. Trotzdem kann es sinnvoll sein, auf die Jagd zu gehen – etwa, wenn schon mein Vordermann den Weg effektiv mit unserem Farbton vollgekleistert hat.

In der realen Welt sind Straßen aus Solarwaben noch nicht ausgereift – in Trailblazers bedecken sie bereits die komplette Strecke. In Wahrheit wird der Kurs also gar nicht mit Farbe vollgekleistert, sondern die kleinen Waben leuchten einfach in der entsprechenden Farbe auf, wenn man sie „markiert“.
Ihr merkt schon: Die ungewöhnliche Kreuzung aus Splatoon und Rennspiel eröffnet viele Möglichkeiten für spannende taktische Verfolgungsjagden – und das Punktesystem zwingt den Spieler zur Kooperation. Ähnlich wie in Project Gotham Racing baue ich für die finale Wertung Mal-, Boost- und Rennkombos auf, wobei ich peinlich genau auf eine saubere Fahrweise achten sollte. Schon eine sachte Berührung mit der Bande lässt die mühsam aufgebaute Kette zusammenkrachen, bevor die entsprechenden Punkte mit einem Klingeln aufs Konto wandern. Vor allem in den schwerfälligeren Gleitern ist bei Drifts viel Feingefühl gefragt. Oft wird dabei allerdings von der übertrieben ruppigen KI in die Bande gerammt - manchmal sogar von den eigenen Teamkollegen! Zusätzlich muss ich auf die Aufgaben achten, die einem im Story-Modus vor dem Rennen gestellt werden: Erreiche eine bestimmte Kombo-Punktzahl, komme vor Konkurrent XY ins Ziel, durchfahre eine bestimmte Anzahl an Toren.

Variantenreiche Duelle

Letztere kippen beim Durchfahren einen Schwall Farbe auf die Strecke sind eine schöne Ergänzung für den Aufbau zusammenhängender Linien. Mit zehn Strecken und fünf Modi fällt der Umfang nicht gerade üppig aus, die Story bietet dank des eigenwilligen Spielprinzips und variierender Regeln aber trotzdem genügend Abwechslung.

Steilkurve gefällig? Die Gleiter haften sich stets an die Oberfläche.
Zudem kann man ein wenig mit den individuellen Fähigkeiten der acht Karts und ihrer fest vorgegebenen Fahrer experimentieren. Das Handling unterscheidet sich nur leicht und erinnert mit den relativ schwerfälligen Gleitern generell an Future-Racer wie WipEout. Der Großteil der Strecken kann mit seinen zahlreichen Abzweigungen und Besonderheiten wie langen Korkenziehern überzeugen – auch wenn die Comic-Kulisse am Rand ziemlich schlicht bleibt. Die Fahrt führt durch die Wüste, einen nebligen Sumpf voller verschlungener Abzweigungen und in futuristische Städte mit achterbahnähnlichen Konstruktionen. Trotz der bestenfalls zweckmäßigen Grafik geht die Unity-Engine leider auch auf der Switch ab und zu in die Knie. Liegt es eventuell an den vielen wabenförmigen Flächen, die ständig dynamisch ihre Farbe wechseln?

Ein technischer Unfall?

Vor allem auf der PlayStation 4 kam es oft zu Ruckel-Einlagen, die manchmal sogar das Fahrgefühl störte; die PC-Version ließ sich viel flüssiger spielen, da das Problem dort deutlich seltener auftrat. Auf der Switch liegt man irgendwo dazwischen. Es war eine gute Entscheidung, diesmal die Auflösung ein wenig herunterzuschrauben, wodurch vor allem weiter entfernte Objekte ein wenig grob und krümelig wirken - sogar auf dem kleineren Screen im Handheld-Modus. Im Gegenzug bleibt es meist bei flüssigen 30 Bildern pro Sekunden. Auf manchen anspruchsvollen Kursen mit vielen Abzweigungen kommt es allerdings auch diesmal wieder zu nervigen kleine Rucklern, die zum Teil sogar kurz das Bild stillstehen lassen. Die übrigen technischen Macken (z.B. beim Speicherstand oder den Optionen) sind uns auf der Switch bislang zum Glück nicht untergekommen.

Einige Sprünge erweisen sich als ziemlich knifflig, weil man danach schnell mal vor einem Baum landet und dann die mühsam aufgebaute Kombo abschreiben kann.
In einigen Bereichen präsentiert sich der Multiplayer vorbildlich: Man darf on- und offline zu viert im Splitscreen (lief bisher erfreulich flüssig) antreten sowie im Netz zusammen mit Nutzern der anderen Plattformen (und Bots) spielen. Oft mangelt es allerdings an genügend Mitspielern.

Get freaky!

In punkto Design hatte Entwickler Supergonk ein glücklicheres Händchen als bei der etwas schwachen Technik: Außerirdischen Figuren wie ein Rennfrosch, Roboter oder die hochnäsige galaktische Kaiserin passen gut zum albernen Thema, auch wenn der (überspringbare) Lockerrom-Talk in Textform manchmal zu sehr ausufert. Ungewöhnlich klingt der basslastige Soundtrack, der den Subwoofer ordentlich arbeiten lässt. Zunächst wusste ich nicht so recht, was ich von den mitunter ziemlich infantilen Melodien, zerhackten Kinderchor-Samples oder ewig langen Rap-Zeilen wie "Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tricktricka-Tech-Technology" von A. Skillz & Krafty Kuts halten sollte. Doch schon nach kurzer Zeit haben sie sich derart in mein Ohr gebrannt, dass ich mittlerweile über den Kauf des Soundtracks nachdenke. Der Aufbau der funklastigen Breakbeats erinnert stark an Jet Set Radio und ähnlich „flippige“ Tracks der Jahrtausendwende. Gab es etwa vor kurzem eine Art Big-Beat-Revival, von dem ich nichts mitbekommen habe? Zeitlich würde es zumindest passen, schließlich ist in den letzten Jahren auch der damals beliebte Jump-up-Sound zurückgekommen.

Fazit

Tests wie der von Trailblazers sind mitunter frustrierend: So viel Potenzial – aber eben auch einige Macken! Das Spiel hätte das Splatoon der Fun-Racer werden können, doch der Fahrspaß wird gelegentlich von Rucklern oder der ruppigen KI gestört. Manche Probleme wie Speicher-Bugs hat man allerdings mittlerweile im Griff, weshalb die Switch-Fassung eine etwas bessere Wertung einfährt. In seinen besten Momenten erzeugt Trailblazers ein angenehm frisches Spielgefühl: Das Malen der eigenen Boost-Streifen eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für spannende Verfolgungsjagden. Wer sich früh eine clever platzierte, lange Linie zeichnet, kann dort später viel Geschwindigkeit und eine hohe Boost-Kombo aufbauen. Oder will man lieber den Gegner schwächen und überpinselt seine Farbe auf einer Abkürzung? Alternativ kann man ihn auch aus der Nähe mit einem Farbschwall abschießen. Oder man baut sich kooperativ lange Boost-Felder auf. Hier ist vieles möglich – daher ist es umso trauriger, dass das Spiel nach wie vor etwas unfertig wirkt und man dem ambitionierten Projekt nicht mehr Entwicklungszeit gegönnt hat.

Pro

Malen eigener Boost-Streifen ermöglicht viele taktische Alternativen
Kooperation wird stark belohnt
vielfältige Modi und Aufgaben im Story-Modus
farbenfrohes Comic-Design
passender fröhlicher Bigbeat-Soundtrack
bis zu vier Spieler im Splitscreen - auch online
im Netz können Besitzer aller Systeme miteinander spielen (Cross-Platform)

Kontra

gelegentliche Ruckel-Attacken
verwirrend präsentierte Menüs und Ergebnisse
zu simpel gestrickter Online-Modus
etwas klobige Hintergründe
lange Ladezeiten und ausufernde Dialoge im Story-Modus

Wertung

Switch

Tolles Spielprinzip, schwache Umsetzung: Technische Probleme wie Ruckler stören die eigentlich spannenden kooperativen Rennen mit selbstgemalten Booststreifen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.