Titan Quest06.08.2018, Mathias Oertel
Titan Quest

Im Test: Solides Action-RPG, schwache Technik

Die Zeit rast. In der Spielewelt mitunter noch zügiger als sonst schon. So sind zwölf Jahre eine halbe Ewigkeit. Dementsprechend ungewöhnlich war es, dass THQ Nordic dem 2006 erschienenen Action-Rollenspiel Titan Quest (ab 3,90€ bei kaufen) eine Konsolenversion spendiert, die mit etwas Verspätung nun auch auf Switch erhältlich ist. Ob das Hack&Slay immer noch zu unterhalten versteht, klären wir im Test.

Titanen gegen den Zahn der Zeit

in den letzten zwölf Jahren ist viel in der Spielewelt passiert. Als Titan Quest erschien, war die Xbox 360 gerade mal ein paar Monate auf dem Markt und die PlayStation 3 nicht einmal erschienen. Und das Action-Rollenspiel (aka Hack&Slay oder auch "Kloppmist") zehrte immer noch vom Diablo-2-Erfolg, an den auch Dungeon Siege nicht heranreichen konnte. Loki von Cyanide sollte erst 2007 erscheinen, Silverfall oder Sacred 2 ein weiteres Jahr später. Auch Titel wie Torchlight waren zu diesem Zeitpunkt maximal in der Konzeptphase. Dementsprechend wurde damals die Veröffentlichung von Titan Quest herbeigesehnt. U.a. auch, weil sich hinter dem damaligen Entwickler-Team Iron Lore Entertainment mit Brian Sullivan einer der führenden Köpfe der Ensemble Studios (Age of Empires) an einem Diabloesken Rollenspiel versuchte.

In der Switch-Version von Titan Quest ist das prinzipielle Alter des Spiels nur ein kleines Problem. Schwerwiegender sind die technischen Unzulänglichkeiten.
Und das seinerzeit recht erfolgreich: Iron Lore hatte im Gegensatz zu Diablo 2 mit seinen zufällig generierten Abschnitten die gesamte Welt von Hand gezeichnet. Und nicht nur das: Man konnte die mit Fabelwesen wie Minotauren, Harpyien, Medusen oder Zentauren bestückte Antike, die man mit einem einsamen Helden durchstreift, theoretisch in einem Rutsch ohne Nachladephasen durchqueren. Angesichts der durchaus schicken Kulisse, die man 2016 in der "Anniversary Edition" für den PC modernisierte und an hohe Auflösungen anpasste, war das damals eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft. Zudem gab es eine umfangreiche Charakterentwicklung, bei der man mit zwei aus acht Spezialisierungen (eine weitere kam später mit dem Add-On Immortal Throne hinzu) mit zig aktiven oder passiven Fähigkeiten auswählte, um so seine präferierte Spielweise von Zauberern bis Nahkämpfern (auch in Mischform) für die Figur zu finden. Dass die gefundene oder erstandene Ausrüstung mitunter bestimmte Figurenstufen oder Eigenschaftswerte erforderte, heizte die Suche nach der perfekten Ausrüstung zusätzlich an. Und nicht zuletzt konnten mit der einfachen Steuerung und vor allem der im Nachhinein betrachtet etwas im Übermaß sowie gelegentlich unpassend ausgeschütteten Beute alle Jäger-und-Sammler-Instinkte befriedigt werden.

Immer noch unterhaltsam

Der spielerische Kern wurde zwölf Jahre nach dem Original und gut zwei Jahre nach der Anniversary Edition am PC natürlich nicht angefasst. Von den ersten zaghaften Schritten mit einer nur leicht bewaffneten und fähigkeitslosen Figur bis hin zu Schlachten gegen dutzende Gegner und Halbgötter, bei denen der Bildschirm ggf. mit Zaubereffekten übersät wird, bietet Titan Quest klassisches Hack&Slay. Das bedeutet hinsichtlich des Kampfsystems im Wesentlichen ein „Klick&Weg“: Der anvisierte Gegner wird aufs Korn genommen, solange der entsprechende Knopf gehalten wird. Ist nach seinem Ableben ein weiterer im Umkreis geht es weiter, ohne dass man die Taste erneut betätigen muss. Bei Nahkämpfern bedeutet dies unter Umständen, dass man auch ohne Richtungsangaben auf dem linken Stick weitgehend automatisch zum nächsten Feind läuft und dann auf ihn einschlägt oder –sticht. Dieser Halbautomatismus ist zwar nicht mehr wirklich zeitgemäß, doch zusammen mit dem vor allem im ersten Akt auf „Normal“ sehr benutzerfreundlichen Schwierigkeitsgrad kommt man in einen angenehmen Flow: Man grast die Karte ab, erledigt die Feinde, öffnet Kisten und sammelt Beute. Unterbrochen wird der

Im mobilen Betrieb wurde keine Touch-Funktion eingebaut, die die Benutzerführung massiv erleichtert hätte. Immerhin gibt es eine komfortable Übersicht beim Sammeln der Beute.
Spielfluss nur, wenn man bei einigen, in erster Linie großen oder ihrerseits magiebegabten Kontrahenten auch mal kurzzeitig die Flucht ergreifen oder einen Heiltrank einwerfen muss, der die schwindende Gesundheitsleiste schnell wieder auffüllt.

Doch im Allgemeinen stellt Titan Quest für die ersten paar Stunden kaum vor größere Herausforderungen. Mit Ausnahme des Inventarplatzes, der wie schon 2006 viel zu klein ist, um all das aufzunehmen, was man als Belohnung bekommt. Selbst mit der Erweiterung des Rucksacks und einem Fokus auf mindestens ungewöhnliche Gegenstände, die man lukrativ verkaufen kann, ist man eher früher als später gezwungen, das jederzeit verfügbare Portal zu den freigeschalteten Knotenpunkten zu benutzen. Doch die hohe Beuteausschüttung hat auch Vorteile: So hat man z.B. nur selten Geldmangel, um sich bei Bedarf stärkere Ausrüstung anzuschaffen – nur für den Fall, dass man tatsächlich kein Fundglück haben sollte und man auch nicht genug Sondermaterialen sammelt, um die Waffen oder Kleidung mit Boni auszustatten. Übrigens bleibt es bei zwei Punkten, die schon in der Urfassung gestört haben, wenngleich beide mittlerweile abgemildert wurden. Man kann immer noch rare bzw. noch seltenere Gegenstände bei Händlern erwerben, allerdings bei weitem nicht mehr so häufig wie früher. Dass diese Option immer noch nicht komplett entfernt wurde, liegt vermutlich daran, dass weder Bosse noch heldenhafte Kreaturen, bei denen man eigentlich „bessere“ Beute erwarten würde, eine kohärentes „Drop“-System haben. Immer noch kann es passieren, dass sie nur banales Zeug (dafür in Massen) fallen lassen, während selbst eine „Königliche Truhe“ am Ende eines beschwerlichen Dungeons nur ein paar Heiltränke statt schicker Ausrüstung beinhalten können. Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag wurde im Vergleich zu 2006 zwar optimiert, ist aber weiterhin nicht perfekt.

Alles unter Kontrolle

An der Steuerung gibt es etwas mehr auszusetzen als seinerzeit auf PS4 bzw. One. Die direkte Steuerung der Figur unterstützt zwar zusammen mit den halbautomatischen Standardattacken den Spielfluss, der sich schon nach kurzer Zeit für Jäger und Sammler einstellt. Merkwürdig ist allerdings, dass auf Switch im Vergleich zu PS4 oder One die Pad-Eingaben häufiger mit etwas Verzögerung umgesetzt werden bzw. dass der Held sich für etwa eine halbe bis ganze Sekunde weigern kann, weiterzugehen, wenn man den rechten Stick zur Neuausrichtung des Blicks und damit der halbautomatischen Erfassung nutzt. Spezialangriffe und ggf. Magie werden über das Digipad (bei Verwendung des Pro Controllers) bzw. die vier linken Knöpfe ausgelöst, wobei man mit der linken Schultertaste zwischen zwei Vierersets umschaltet. Alternativ kann man auch noch für jeden der zwei Waffenslots eine Sonderfunktion erreichbar machen, während die oberen Schultertasten für die Heil- bzw. Magietränke zuständig sind.

Für den mobilen Betrieb ist die Schrift mitunter sehr klein ausgefallen. Im Dock wiederum gibt es nahezu ständig Bildraten-Probleme.
Die Beute-Aufnahme bzw. -Selektion wurde ähnlich komfortabel gestaltet. Drückt man die Sammeltaste länger, werden alle Gegenstände in der Nähe in einem Menü angezeigt, wobei alles Gold und sämtliche Verbrauchsgegenstände mit einem weiteren Klick unkompliziert eingesammelt werden können. Waffen, Kleidung, etc. hingegen kann man problemlos durchschalten, bekommt dabei sogar den Vergleich mit der aktuellen Ausrüstung angezeigt und kann dann pro Gegenstand entscheiden, ob man ihn in den Rucksack stopfen möchte oder nicht. Alle anderen Funktionen wie Inventar, Fähigkeitenbaum, die Karte oder der Portalstein, aber auch die rudimentären Befehle für evtl. beschworene Begleiter werden über ein Radialmenü ausgewählt – alles sehr intuitiv und komfortabel, auch wenn es ungewöhnlich ist, eine Karte nicht über einen einzelnen Knopf druck erreichen zu können..

Technisch problematisch

Auch die Kulisse macht theoretisch immer noch einiges her. Zum einen, weil die Urfassung mit ihren farbenfrohen, detailliert und teils aufwändig animierten Gebieten schon einen richtig guten Eindruck hinterlassen konnte. Und zum anderen, da die zu Grunde liegende Anniversary Edition auf dem PC mit all ihren visuellen Erweiterungen und Anpassungen an hohe Auflösungen auf dieser Basis dafür sorgen konnte, dass das antike Hack&Slay erstaunlich gut alterte. Auf Switch blättert der Lack allerdings. In der höchsten Zoomstufe wirken die Übergänge von beweglichen Körperteilen nicht nur etwas grob, sondern kann man abhängig von der Position der Figur sogar deutlich die "Nähte" zwischen einzelnen Texturen ausmachen. In der Entfernung, in der die meisten spielen dürften, fallen diese Mankos allerdings kaum noch auf. Es gibt allerdings weitere Störfeuer, die deutlich machen, dass entweder die Hardware oder das für die Portierung verantwortliche Team überfordert waren. So kann es mittlerweile häufiger als auf PS4 oder One dazu kommen, dass bestimmte Teile des Geländes wie z.B. Marktstände oder Wagen in Städten, aber auch Zelte in Feindeslagern vergleichsweise spät aufpoppen oder erst nachträglich mit Texturen beklebt werden. Ebenso kann man auf Probleme mit dem Schattenwurf der Hauptfigur treffen, der nicht akkurat berechnet wird und in diesen Momenten dann für eine verwirrende „Schwebe“-Illusion sorgt.

Den Kämpfen merkt man die zwölf Jahre alte Mechanik zwar an, doch sie sind weiterhin unterhaltsam.
Ebenfalls unschön sind die Figuren, die wild in der Gegend zappeln, starr auf der Stelle verharren (selbst wenn man sie angreift) oder gegen unsichtbare Grenzen laufen. Über die gesamte Spielzeit verteilt sind diese Phänomene eher selten, stören in diesen Augenblicken aber umso mehr und reißen einen kurz aus der Spielwelt. Und über allem liegt eine sehr instabile Bildrate. Vor allem am großen Bildschirm sowie im Splitscreen-Modus hat die Engine fast durchweg Probleme, die Landschaft flüssig abzubilden. Im mobilen Betrieb zeigt sich dieses Manko zwar nur sporadisch, dafür jedoch sind die Anzeigen auf dem kleinen Touchscreen nicht optimiert, während man auf Berührungs-Funktionen, die z.B. die Aufnahme von Gegenständen, die Zielauswahl von Gegnern, Bewegung etc. erleichtern würden, komplett verzichtet hat. Es bleibt zu hoffen, dass das Ende August auf Switch erscheinende Victor Vran in diesen Bereichen bessere Ergebnisse abliefert, da ansonsten das klassische westliche Action-Rollenspiel auf Switch dem Untergang geweiht ist, bevor es überhaupt durchstarten konnte.

Fazit

Im Jahr 2018 funktioniert das simple Hack&Slay-Konzept des zwölf Jahre Titan Quest immer noch. Man kann auf Switch ebenso wie auf One oder PS4 eine unkomplizierte Monster-Jagd vor mythologischem Hintergrund in einer riesigen, handgezeichneten Welt sowie eine nach wie vor beachtliche Beute-Motivation erleben. Mitunter vermisst man allerdings einige Komfort-Funktionen, die seit dem ursprünglichen Release von späteren Hack & Slays vor allem auf Konsole aufgegriffen wurden und die dafür sorgen, dass sich Titan Quest vor allem hinsichtlich des Kampfes trotz gut angepasster Pad-Nutzung etwas rudimentär bzw. „rustikal“ anfühlt. Auch das Inventar steht heute wie damals in keiner Relation zur erlangten Beute und macht zig Portal-Öffnungen zu den Siedlungen nötig, um alles einzulagern oder zu verkaufen. Doch die Kulisse, die mit ihren geschmeidigen Animationen und schicken Effekten schon damals einiges her machte, wurde vom Zahn der Zeit nur leicht angeknabbert und wirkt immer noch größtenteils stimmungsvoll – solange man nicht zu dicht an die Hauptfigur heranzoomz. Allerdings muss sie nicht nur mit kleinen Ungereimtheiten bei Schatten auskommen, während in manchen Momenten die Levelarchitektur zu spät eingeblendet oder mit Texturen tapeziert wird. Zusätzlich wird das Action-Rollenspiel im gedockten Modus und im Splitscreen durch eine höchst instabile Bildrate torpediert. Mobil läuft alles flüssiger, während die Schrift in den Menüs durchaus größer ausfallen dürfte. Dies ist definitiv die schwächste Konsolenversion von Titan Quest, die nur in Ansätzen zu vermitteln versteht, wieso die antike Monsterjagd in nahezu jeder Liste zeitloser Favoriten des Action-Rollenspiels geführt wird.

Pro

stimmungsvolle Spielwelt
schnörkelloses Hack&Slay alter Schule
facettenreiche Charakterentwicklung
komfortabler Handel
durchdachte, eingängige Pad-Steuerung
gute deutsche Sprachausgabe
abwechslungsreiches Gegnerdesign
durchgehende Welt ohne Ladezeiten
gute Unterhaltung für Jäger & Sammler
komfortable Teleportfunktion
Splitscreen-Koop

Kontra

Add-On "Ragnarök" nicht integriert
technische Schwierigkeiten (Schatten, Textur
oder Geometrie-Pop-ups)
konstante Bildratenprobleme im Dock-Modus
mitunter verzögerte Umsetzung der Laufbewegung nach manueller Zielausrichtung
kleines Inventar
magere Story
nur gelegentlich situative Spannung auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad "Normal"
nur rudimentäre Begleiter-Befehle
mechanisch mittlerweile etwas angestaubt

Wertung

Switch

Inhaltlich gelungene, aber technisch zweifehlafte Neuauflage des Hack&Slay-Klassikers, die sowohl mobil als auch im Dock mit Problemen kämpft.

Echtgeldtransaktionen

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  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
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