Im Test: Solides Action-RPG, schwache Technik
Titanen gegen den Zahn der Zeit
in den letzten zwölf Jahren ist viel in der Spielewelt passiert. Als Titan Quest erschien, war die Xbox 360 gerade mal ein paar Monate auf dem Markt und die PlayStation 3 nicht einmal erschienen. Und das Action-Rollenspiel (aka Hack&Slay oder auch "Kloppmist") zehrte immer noch vom Diablo-2-Erfolg, an den auch Dungeon Siege nicht heranreichen konnte. Loki von Cyanide sollte erst 2007 erscheinen, Silverfall oder Sacred 2 ein weiteres Jahr später. Auch Titel wie Torchlight waren zu diesem Zeitpunkt maximal in der Konzeptphase. Dementsprechend wurde damals die Veröffentlichung von Titan Quest herbeigesehnt. U.a. auch, weil sich hinter dem damaligen Entwickler-Team Iron Lore Entertainment mit Brian Sullivan einer der führenden Köpfe der Ensemble Studios (Age of Empires) an einem Diabloesken Rollenspiel versuchte.
Immer noch unterhaltsam
Der spielerische Kern wurde zwölf Jahre nach dem Original und gut zwei Jahre nach der Anniversary Edition am PC natürlich nicht angefasst. Von den ersten zaghaften Schritten mit einer nur leicht bewaffneten und fähigkeitslosen Figur bis hin zu Schlachten gegen dutzende Gegner und Halbgötter, bei denen der Bildschirm ggf. mit Zaubereffekten übersät wird, bietet Titan Quest klassisches Hack&Slay. Das bedeutet hinsichtlich des Kampfsystems im Wesentlichen ein „Klick&Weg“: Der anvisierte Gegner wird aufs Korn genommen, solange der entsprechende Knopf gehalten wird. Ist nach seinem Ableben ein weiterer im Umkreis geht es weiter, ohne dass man die Taste erneut betätigen muss. Bei Nahkämpfern bedeutet dies unter Umständen, dass man auch ohne Richtungsangaben auf dem linken Stick weitgehend automatisch zum nächsten Feind läuft und dann auf ihn einschlägt oder –sticht. Dieser Halbautomatismus ist zwar nicht mehr wirklich zeitgemäß, doch zusammen mit dem vor allem im ersten Akt auf „Normal“ sehr benutzerfreundlichen Schwierigkeitsgrad kommt man in einen angenehmen Flow: Man grast die Karte ab, erledigt die Feinde, öffnet Kisten und sammelt Beute. Unterbrochen wird der
Doch im Allgemeinen stellt Titan Quest für die ersten paar Stunden kaum vor größere Herausforderungen. Mit Ausnahme des Inventarplatzes, der wie schon 2006 viel zu klein ist, um all das aufzunehmen, was man als Belohnung bekommt. Selbst mit der Erweiterung des Rucksacks und einem Fokus auf mindestens ungewöhnliche Gegenstände, die man lukrativ verkaufen kann, ist man eher früher als später gezwungen, das jederzeit verfügbare Portal zu den freigeschalteten Knotenpunkten zu benutzen. Doch die hohe Beuteausschüttung hat auch Vorteile: So hat man z.B. nur selten Geldmangel, um sich bei Bedarf stärkere Ausrüstung anzuschaffen – nur für den Fall, dass man tatsächlich kein Fundglück haben sollte und man auch nicht genug Sondermaterialen sammelt, um die Waffen oder Kleidung mit Boni auszustatten. Übrigens bleibt es bei zwei Punkten, die schon in der Urfassung gestört haben, wenngleich beide mittlerweile abgemildert wurden. Man kann immer noch rare bzw. noch seltenere Gegenstände bei Händlern erwerben, allerdings bei weitem nicht mehr so häufig wie früher. Dass diese Option immer noch nicht komplett entfernt wurde, liegt vermutlich daran, dass weder Bosse noch heldenhafte Kreaturen, bei denen man eigentlich „bessere“ Beute erwarten würde, eine kohärentes „Drop“-System haben. Immer noch kann es passieren, dass sie nur banales Zeug (dafür in Massen) fallen lassen, während selbst eine „Königliche Truhe“ am Ende eines beschwerlichen Dungeons nur ein paar Heiltränke statt schicker Ausrüstung beinhalten können. Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag wurde im Vergleich zu 2006 zwar optimiert, ist aber weiterhin nicht perfekt.
Alles unter Kontrolle
An der Steuerung gibt es etwas mehr auszusetzen als seinerzeit auf PS4 bzw. One. Die direkte Steuerung der Figur unterstützt zwar zusammen mit den halbautomatischen Standardattacken den Spielfluss, der sich schon nach kurzer Zeit für Jäger und Sammler einstellt. Merkwürdig ist allerdings, dass auf Switch im Vergleich zu PS4 oder One die Pad-Eingaben häufiger mit etwas Verzögerung umgesetzt werden bzw. dass der Held sich für etwa eine halbe bis ganze Sekunde weigern kann, weiterzugehen, wenn man den rechten Stick zur Neuausrichtung des Blicks und damit der halbautomatischen Erfassung nutzt. Spezialangriffe und ggf. Magie werden über das Digipad (bei Verwendung des Pro Controllers) bzw. die vier linken Knöpfe ausgelöst, wobei man mit der linken Schultertaste zwischen zwei Vierersets umschaltet. Alternativ kann man auch noch für jeden der zwei Waffenslots eine Sonderfunktion erreichbar machen, während die oberen Schultertasten für die Heil- bzw. Magietränke zuständig sind.
Technisch problematisch
Auch die Kulisse macht theoretisch immer noch einiges her. Zum einen, weil die Urfassung mit ihren farbenfrohen, detailliert und teils aufwändig animierten Gebieten schon einen richtig guten Eindruck hinterlassen konnte. Und zum anderen, da die zu Grunde liegende Anniversary Edition auf dem PC mit all ihren visuellen Erweiterungen und Anpassungen an hohe Auflösungen auf dieser Basis dafür sorgen konnte, dass das antike Hack&Slay erstaunlich gut alterte. Auf Switch blättert der Lack allerdings. In der höchsten Zoomstufe wirken die Übergänge von beweglichen Körperteilen nicht nur etwas grob, sondern kann man abhängig von der Position der Figur sogar deutlich die "Nähte" zwischen einzelnen Texturen ausmachen. In der Entfernung, in der die meisten spielen dürften, fallen diese Mankos allerdings kaum noch auf. Es gibt allerdings weitere Störfeuer, die deutlich machen, dass entweder die Hardware oder das für die Portierung verantwortliche Team überfordert waren. So kann es mittlerweile häufiger als auf PS4 oder One dazu kommen, dass bestimmte Teile des Geländes wie z.B. Marktstände oder Wagen in Städten, aber auch Zelte in Feindeslagern vergleichsweise spät aufpoppen oder erst nachträglich mit Texturen beklebt werden. Ebenso kann man auf Probleme mit dem Schattenwurf der Hauptfigur treffen, der nicht akkurat berechnet wird und in diesen Momenten dann für eine verwirrende „Schwebe“-Illusion sorgt.
Fazit
Im Jahr 2018 funktioniert das simple Hack&Slay-Konzept des zwölf Jahre Titan Quest immer noch. Man kann auf Switch ebenso wie auf One oder PS4 eine unkomplizierte Monster-Jagd vor mythologischem Hintergrund in einer riesigen, handgezeichneten Welt sowie eine nach wie vor beachtliche Beute-Motivation erleben. Mitunter vermisst man allerdings einige Komfort-Funktionen, die seit dem ursprünglichen Release von späteren Hack & Slays vor allem auf Konsole aufgegriffen wurden und die dafür sorgen, dass sich Titan Quest vor allem hinsichtlich des Kampfes trotz gut angepasster Pad-Nutzung etwas rudimentär bzw. „rustikal“ anfühlt. Auch das Inventar steht heute wie damals in keiner Relation zur erlangten Beute und macht zig Portal-Öffnungen zu den Siedlungen nötig, um alles einzulagern oder zu verkaufen. Doch die Kulisse, die mit ihren geschmeidigen Animationen und schicken Effekten schon damals einiges her machte, wurde vom Zahn der Zeit nur leicht angeknabbert und wirkt immer noch größtenteils stimmungsvoll – solange man nicht zu dicht an die Hauptfigur heranzoomz. Allerdings muss sie nicht nur mit kleinen Ungereimtheiten bei Schatten auskommen, während in manchen Momenten die Levelarchitektur zu spät eingeblendet oder mit Texturen tapeziert wird. Zusätzlich wird das Action-Rollenspiel im gedockten Modus und im Splitscreen durch eine höchst instabile Bildrate torpediert. Mobil läuft alles flüssiger, während die Schrift in den Menüs durchaus größer ausfallen dürfte. Dies ist definitiv die schwächste Konsolenversion von Titan Quest, die nur in Ansätzen zu vermitteln versteht, wieso die antike Monsterjagd in nahezu jeder Liste zeitloser Favoriten des Action-Rollenspiels geführt wird.
Pro
Kontra
Wertung
Switch
Inhaltlich gelungene, aber technisch zweifehlafte Neuauflage des Hack&Slay-Klassikers, die sowohl mobil als auch im Dock mit Problemen kämpft.
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt keine Käufe.
- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
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