Super Mario Odyssey20.09.2017, Jan Wöbbeking

Vorschau: Wo der Frosch den Schnauzbart hat

Nintendo gibt Mario die Freiheit zurück: Nach einer Reihe eher linearer Jump-n-Runs geht es raus in die offene Welt, in der wir jüngst ein paar neue Reiseziele wie eine Lagune nebst Seemonster besuchen konnten. Das Highlight des Spiels ist natürlich Marios Fähigkeiten als Parasit, der vom Lavaklumpen bis zum Hochdruck-Tintenfisch alles übernimmt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Eine vielversprechende Rückkehr zu den Stärken von Super Mario 64 und Sunshine?

Putziger Parasit

Endlich bin ich ein Frosch! Viel mehr als extra hoch springen und extra bescheuert aussehen kann die schnauzbärtige Amphibie zwar nicht, doch das genügt bereits, um ein paar richtig hohe Berge zu erklimmen. Auch mit anderen Viechern haben wir bei unserer kürzlichen Spielsession ausgiebig experimentiert: Einfach die magische Mütze auf einen Gegner oder ein anderes Objekt schmeißen und schon wird man in seine Haut versetzt, bis man es wieder per Schultertaste verlässt. Der Gumba beherrscht naturgemäß nur seinen grimmigen Blick, einen kleinen Hopser und auf Knopfdruck einen etwas schnelleren Lauf. Er kann sich aber immerhin mit Artgenossen zu einem ganzen Gegnerturm hochstapeln – wer weiß, wann das noch nützlich wird. Effektiver nach oben brachten uns die in den Bergen steckenden Gabeln: Einfach die Mütze drauf pfeffern – den Stick nach unten ziehen und mit einem „flick“ loslassen. Vorher kann man sie auch ein wenig zur Seite zerren, um neben der Plattform geheime Areale zu erreichen.

Hatty verhilft Mario zu seinem wandlerischem Talent.
Von denen gibt es in der Welt erfreulich viele; manche sollen die Lösung eines Rätsels erfordern. In der idyllischen Lagune (alias Blubberstrand im Küstenland) sind wir bereits auf allerlei versteckte kleine Grotten getroffen. Hier und da geben befreundete Figuren Tipps zu den Verstecken oder markieren den ungefähren Ort auf der Karte – manchmal allerdings nur gegen den Einsatz von Münzen oder Amiibos. Ein kleiner Textkasten in der letztwöchigen Direct-Show bestätigte allerdings, dass die Figürchen nicht zwingend nötig sind, um alle Geheimnisse der Welt aufzuspüren. Oder man verwandelt sich einfach in einen Touristenausguck, um das Gewusel aus großer Höhe zu betrachten.

Albernes Nintendo

Auch das sympathisch grinsende Seemonster hatte einen gut behüteten Mond unter seinem Bauch versteckt. Die leuchtenden Himmelskörper erfüllen diesmal die Rolle der Sterne oder Shines und dienen zudem als Treibstoff für das Luftschiff Odyssey, mit dem Mario die sehr unterschiedlichen Welten bereist. Der ständige Designwechsel wirkt auf den ersten Blick wie ein Stilbruch, ergibt im Kontext der großen Reise aber Sinn und macht den Trip interessant. Endlich hatte ein großes Studio wieder den Mut, in einer knallbunten, offenen Hüpfwelt der Fantasie seiner Entwickler freien Lauf zu lassen! Ein Anlass für den Ausflug ist natürlich wieder Bowser. Er plant nicht nur eine Zwangsheirat mit Peach, sondern hat auch das Mützenkönigreich verwüstet und die kleine Schwester von Marios magischem Mitstreiter Cappy entführt. Also verbrüdert sich der neue Freund mit Mario und wird sein wichtigstes Werkzeug: Ein Wurf auf ein Objekt oder einen Gegner und schon übernimmt man seinen Körper.

Manche Blubberstrand-Bewohner sind nicht gerade erfreut über den schnauzbärtigen Touristen.
Der Beginn der Geschichte war bereits liebenswert inszeniert und auch Gegenspieler wie die langohrigen Hochzeitsplaner passen prima in die alberne Welt. Das Highlight des Tages war allerdings der glitschige Hochdruck-Tintenfisch: Geht ihm das Wasser aus, kann er nur noch sehr langsam durch die Gegend wabbeln. Mit einer vollen Treibstoffblase düst er aber herrlich agil durch die Lagune, z.B. zu einem Bosskampf gegen einen weniger freundlichen Kraken: Der zeigte sich gar nicht erfreut darüber, dass ich in einigen Winkeln des Levels diverse Korken erreicht hatte, um ihn damit zu bombardieren, was seinen Hitzkopf wortwörtlich zum Kochen brachte. All das weckte natürlich gute Erinnerungen an Marios Gamecube-Spiel, hier fühlt sich die Steuerung der Wasserdüsen allerdings eine ganze Ecke einfacher, direkter und flotter an: Per Hochdruck-Strahl bugsiert sich der Tintenfisch mit ziemlich gerader Flugbahn nach vorne oder in die Höhe – bis irgendwann der Tank zur Neige geht. Auch die Säuberungsaktionen per Hut erinnern an Sunshine: Der mit ätzender Flüssigkeit vollgepladderte Boden muss ab und zu mit Hutwürfen gereinigt werden. Oder man wird selbst zum Feuerwesen und erreicht als Lavaklumpen höher gelegene Abschnitte des glühenden Magmastroms. Auch in dieser Gestalt gab es einen unterhaltsamen Bosskampf, bei dem einem der stetige Kotzestrahl des Hochzeitskochs entgegenschwappt. Prost, Mahlzeit!

Jetzt setzt es die Bratpfanne!

Cool war auch die Verwandlung in einen Pfannen schleudernden Hammerbruder (oder Pfannenbruder?), der mit erstaunlich hoher Frequenz Gegner und poröse Käsewände zerdepperte. In solchen Momenten fühlte ich mich wie mein zwölfjähriges ich, das am liebsten mit stolzgeschwellter Brust über jedes entdeckte Geheimnis plappern würde – aber ich will euch noch nicht zu viel verraten (und darf es dank strikter Embargo-Vorgaben oft auch gar nicht). Ich habe zumindest schon einige versteckte Abschnitte gefunden, die wieder das typische Entdeckergefühl vom N64 und Gamecube aufkommen ließen. Neben meinem bereits erwähnten Favorit, der Lagune, bin ich auch kurz durch Hattys schwarz-weiße Heimatwelt gehüpft, in der ich bislang aber nur das Tutorial ausprobieren konnte.

Attacke!
Die wechselnden Musikstile unterstreichen bislang schön die entspannte Urlaubsstimmung, statt alte Melodien zu zitieren oder sich zu sehr auf dramatische Orchester-Themen im Stil von Galaxy-Teile zu konzentrieren. Wirkliche Ohrwurmmelodien sind mir bislang aber noch nicht untergekommen. Ziemlich karg wirkte zudem das „Luncheon Kingdom“ mit seinem Küchen-Szenario. Die kantige Level-Architektur passt zwar zum Edelstein-Look einiger Hügel, man wird aber mit erstaunlich detailarmen, leeren Wänden konfrontiert. Auch einige platte Rasenflächen sehen mit ihren vereinzelten Grashalmen trostlos aus – vor allem, wenn man vorher die hübsch überwucherten Tempel im Startlevel von Yooka-Laylee vor Augen hatte. Bei anderen Aspekten der Grafik lässt Mario die Konkurrenz aus dem Hause Playtonic aber weit hinter sich – z.B. bei den vielen ulkigen Animationen der Figuren oder der lebendigen Wasserdarstellung mit ihren feinen Wellen und aufsteigenden Luftbläschen. Zudem wirkt das Endergebnis bereits deutlich homogener und sauberer.

Nicht ganz so präzise?

Störend aufgefallen ist mir zudem der leichte Verzögerung beim Hüpfen und schnellen Richtungskorrekturen. Es wurde zwar nicht ganz so träge wie in Yooka-Laylee und könnte auch am Input-Lag des Event-Fernsehers gelegen haben – trotzdem wirkte die Handhabung nicht ganz so knackig direkt wie z.B. in Galaxy 2, das ich erst kürzlich noch einmal herausgekramt hatte. Die Wurftechnik der Mütze erforderte ein wenig Eingewöhnung, ermöglichte dann aber nützliche Attacken: Wir haben mit den zwei in den Händen gehaltenen Joycons gesteuert, wodurch sich die Flugrichtung per Bewegungskontrolle abändern ließ, um z.B. mit einer Geste nach links um die Ecke zu werfen. Oder man schleudert die Kopfbedeckung geradewegs in die Höhe. Ich bin gespannt darauf, ob ich auf Dauer die Bewegungssteuerung bevorzuge oder irgendwann auf den Pro-Controller umsteige.

In versteckten Ecken der Levels trifft man auf Gemälde, über die Nintendo aber noch keine Details verraten möchte.
Auch im mobilen Kleiderschrank haben wir uns bereits ein wenig ausgetobt, um uns in Haute-Couture wie eine Badehose oder einen schicken Anzug zu hüllen. Die unterschiedlichen Hüte bringen laut Nintendo ebenfalls nur kosmetische Änderungen mit sich. Wer möchte, kann sich übrigens jederzeit in einem Fotomodus mit diversen Filtern in Szene setzen. Es soll auch einige Minispiele wie Seilhüpfen oder „Koopa Free Running“ mit weltweiten Bestenlisten geben, diesmal ist mir aber kaum eins davon begegnet. Lediglich einmal landete ich in einer mexikanischen Spielhalle, um meine Mütze auf die Riesenwalzen eines einarmigen Banditen zu schleudern. Im Gegenzug schlüpften wir aber wieder einmal in die Wand, um uns in eine flache Figur zu verwandeln und eine kurze 2D-Passage zu meistern – eine schöne Abwechslung!

Ausblick

Ich habe schon lange kein Event mehr erlebt, bei dem so lebhaft über die neuesten Entdeckungen diskutiert wurde. Ständig fielen Sätze wie „Wie jetzt? Wie bist du da schon wieder hingekommen!?“. Sogar Nintendos präsentierende Mitarbeiter drehten immer wieder den Kopf zum Nachbarn, wenn jemand einen neuen Geheimgang entdeckt hatte – und ärgerten sich zusammen mit mir darüber, dass man sich doch eigentlich gar nicht so viel spoilern wollte. Aber keine Bange: Als ich einen Blick auf die Liste der möglichen Verwandlungen warf, hatte ich noch viele leere Seiten mit noch mehr leeren Feldern vor mir. Schön, dass Mario endlich wieder das Entdeckergefühl ausstrahlt, das offen konzipierte Klassiker wie Super Mario 64 und Sunshine auszeichnete. Das Herumstöbern und Marios albern animierte Parasitenfähigkeiten entfalteten schon in der ersten Stunde eine gewaltige Suchtwirkung! Lediglich einige kargen Kulissen wie in der Küchenwelt und der dezente Input-Lag haben meinen Enthusiasmus etwas gebremst – an Letzterem könnten aber auch träge Fernseher auf dem Event schuld gewesen sein.

Einschätzung: sehr gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.