Nintendo Labo: Toy-Con 01: Multi-Kit16.03.2018, Jan Wöbbeking
Nintendo Labo: Toy-Con 01: Multi-Kit

Vorschau: Nicht von Pappe?

Endlich wieder Bastelstunde: Wir haben uns erstmals an die Papp-Experimente in Nintendo Labo gewagt. Welche Möglichkeiten gibt es für kreative Tüftler? Ist Pappe wirklich robust genug für einen Kampfroboter? Und machen die Minispiele überhaupt Spaß? In unserer Vorschau geben wir erste Antworten.

Dünn aber robust

Basteln, spielen, experimentieren: Mit Nintendos Mix aus Bastelset und Minispielen soll all das möglich sein. Zuerst setzt man aus Pappbögen, Schnüren und dekorativen Stickern Dinge wie einen Motorradlenker, ein Klavier oder ein kleines ferngesteuertes Auto zusammen. Danach werden Konsolen-Elemente wie die kleinen abziehbaren Joycon-Controller in das Gebilde gesteckt, und man kann mit dem eigens gebauten „Toycon“-Objekt ein Minispiel steuern. Ab dem 27. April sind drei Labo-Produkte im Handel erhältlich (deren Inhalt hier im Detail aufgelistet wird): Das Multi-Set für 69,99 Euro enthält viele kleinere Objekte wie die Angel, das ferngesteuerte Auto, das Piano, den Motorradlenker sowie ein Gebäude, in dem ein kleines Haustier wohnt. Wer sich ein größeres „Modell“ gönnen will, kann stattdessen 79,99 Euro für das „Robo-Set“ investieren und sich einen Kampfroboter-Anzug basteln – inkl. langen Schnüren und Bewegungssteuerung mit stampfenden Beinen und Armhieben in Richtung TV. Außerdem erhältlich: Ein kleines Design-Paket für 9,99 Euro mit bunten Stickern.

Trotz einer leichten Verzögerung flutschte die Roboter-Steuerung deutlich präziser als in manch altem Minispiel mit Bewegungssteuerung auf Wii oder mit Kinect.
Die erste Überraschung beim Ausprobieren war die Dicke oder besser gesagt Dünne des Materials. Wir staunten nicht schlecht, als die vorgestanzten Bögen zum ersten Mal in greifbarer Form vor uns lagen: Hält man die Kante direkt vors Auge, wirkt sie hauchdünn – beinahe schon wie bei einem Trennblatt für den Aktenordner. Vielleicht handelt es sich um eine optische Täuschung, denn in Videos und sogar auf unseren Fotos vom Event wirken die geriffelten Kanten deutlich dicker als in der Realität. Die gute Nachricht ist, dass sie trotzdem sehr robust zu sein scheinen: Beim Heraustrennen habe ich zwar hier und da einen versehentlichen Knick in dünne Elemente gemacht, sobald sie aber erst einmal gefaltet waren, wirkte alles erfreulich stabil. Selbst an dem langen Event-Tag haben wir kein einziges wirklich kaputtes Toycon entdeckt. Schlimmstenfalls flutschte mal etwas aus einer Halterung, was sich aber schnell wieder einbauen ließ. Oder eine Pfalz leierte auf Dauer etwas aus. Die Toycons dürften also auch kleinere Racheakte wütender Geschwister aushalten, die mit Schmackes auf ein Bauwerk stampfen.

Vergnügliche Bastelstunde

Das Zusammenbauen gehörte zu den schönsten Beschäftigungen: Je nach „Toycon“-Modell ist man laut Nintendo ein paar Minuten oder auch mal drei Stunden beschäftigt. Wir konnten das schnell machbare RC-Auto ausprobieren. Auch als kinderloser Single war es richtig spaßig, nach Ewigkeiten mal wieder etwas mit den eigenen Händen zu basteln statt nur vor den Editoren von LittleBigPlanet oder Super Mario Maker zu hocken.

Da genügend Bögen für alle Modelle beiliegen, muss man fertige "Toycons" nicht wieder abbauen, bevor man die nächsten in Angriff nimmt.
Aber auch jüngere Kinder dürften gut zurechtkommen, wenn die Eltern mal nicht mitmachen: Auf dem Konsolenbildschirm ruft man eine detaillierte animierte 3D-Anleitung auf, die sämtliche Handgriffe minutiös durchgeht. Mir war es schon fast etwas zu ausführlich – wer möchte, kann aber jederzeit vorspulen und so einzelne Schritte verkürzen. Hat man die Joycons im kleinen „Käferauto“  verstaut, bewegt es sich mit den Vibrationen des HD-Rumble vorwärts. Das geht zwar nur im Schneckentempo und man muss ein wenig per Schieberegler mit den Vibrationsfrequenzen herumspielen. Es handelt sich aber trotzdem um eine coole Spielerei – zumal man dank Stoppuhr und Infrarotkamera in einem der Joycons sogar Wettrennen im Dunkeln starten kann. Einfach ein paar Klötzchen und Hindernisse auf der Strecke platzieren und schon sieht man auf dem Bildschirm der Switch die Umgebung in der „Nachtsicht“. Weniger gut funktionierte eine Art Sumo-Ringen, bei dem man den Gegner aus dem Kreis drängt. Dafür ist der Vibrations-„Motor“ offenbar zu schwach - vor allem, wenn man das Gefährt vorher mit schweren Stickern oder Glitzerbommeln dekoriert hat.

Minispiele nur kurzzeitig interessant?

Die meisten Minispiele wirkten eher wie Snacks, die mechanischen und haptischen Besonderheiten machen sie aber mindestens kurzzeitig interessant:  Beim Angeln etwa spielt der Faden für die Steuerung eigentlich gar keine Rolle. Trotzdem ist es cool, wirklich an der Rute zerren zu können und dank der Feder-Spule eine mechanische Rückmeldung zu spüren. Knabbert ein Fisch am Haken, bemerkt man außerdem die Vorteile von Nintendos feinfühlig umgesetztem HD-Rumble. Vom Spiel erfasst werden allerdings nur der Lagesensor der Rute und die Rotation eines Joycons, das in der Kurbel steckt. Schön auch, dass die Wasserwelt so detailverliebt gestaltet ist, mit kleinen Fischen und fetten Brocken wie Schwerthaien. Es fällt gar nicht so leicht, die an der Schnur zerrenden Biester an die Oberfläche zu ziehen. Der Rest des Software-Aufgebots funktionierte mechanisch ähnlich präzise, präsentierte sich spielerisch aber eher durchwachsen. Im den Motorradrennen der höchsten Klasse etwa gestaltet sich das Driften eine Ecke kniffliger als in Mario Kart 8. Man kann sich sogar in die Kurve lehnen, das Drumherum mit seinen Fahrern und Strecken wirkt aber generisch.

Vertraut keinen Medien - zumindest nicht, wenn es um die Dicke der Pappbögen geht. Sie wirken auf Fotos und in Videos seltsamerweise immer etwas massiver als in der Realität. Robust sind sie aber trotzdem.
Wer einmal richtig schön bescheuert aussehen möchte, sollte sich zudem mal in den Roboteranzug schmeißen. Danach boxt man mit ausholenden Hieben in Richtung Fernseher oder geht auch mal in die Hocke, um sich in ein (fliegendes) Fahrzeug zu verwandeln. Die Highscore-Jagd oder Zwei-Spieler-Kämpfe aus der Seitenansicht (mit zweitem Anzug) könnten dabei für etwas mehr Langzeitmotivation sorgen. In der Demo gab es vorerst nur eine kleine Karte zum Ramponieren von Ufos und Hochhäusern zu entdecken. Später kann man auch allerlei Spezialattacken freischalten, mit denen man seinen Robo aufmotzt. Schade, dass sich bei den übrigen Toycons offenbar nur wenige Multiplayer-Möglichkeiten ergeben. Im Motorradspiel etwa saßen wir zwar nebeneinander auf fetten Pappkartons, drehten aber einsam gegen den Computer unsere Runden. Am meisten interessiert mich aber die so genannte „Toy-Con-Werkstatt“, mit der sich eigene Kreationen und Spielexperimente auf dem Tisch erschaffen lassen. Auf dem Event konnten wir leider noch nicht damit herumspielen, bekamen aber schon mal einen ausführlichen Vortrag über die Möglichkeiten. Bastlern aus LittleBigPlanet oder Super Mario Maker dürfte das Prinzip des grafisch präsentierten Logik-Editors bekannt vorkommen.

Toycons Marke Eigenbau

Simpel aber verlässlich: Oft werden von der Infrarotkamera im Joycon die Bewegungen reflektierender Sticker erfasst.
Links auf dem Touchscreen platziert man ein paar Kästchen mit Eingaben wie Knöpfen oder einem bestimmten Winkel des Lagesensors. Dann verbindet man sie mit einigen Ausgaben auf der rechten Seite. Registriert die Infrarotkamera der Papp-Knarre z.B. einen reflektierenden Punkt auf dem Kopf eines Püppchens, beginnt ihr Joycon-Motor zu vibrieren und schmeißt sie um. Fast wie im Western. Sogar Einfache Lightgun-Shooter sollen sich so mit Hilfe weißer Punkte auf dem Fernseher umsetzen lassen. Interessant dürfte es auch werden, wenn findige Tüftler normale Haushaltsgegenstände zu Controllern umbauen. Ein Besen als Gitarre? Oder lieber die Switch-Konsole, nachdem man Gummibänder über den Screen gespannt hat? Laut einem Präsentationsvideo ist vieles möglich. Der Logik-Editor soll offenbar verhältnismäßig simpel bleiben. Trotzdem kann man aber herauszoomen oder mehrere Kästchen übereinander stapeln, um mehr Ein- und Ausgaben miteinander zu verknüpfen.

Ausblick

Nintendo Labo ist eine tolle Idee: Mechanisch ist dem Switch-Hersteller offenbar ein vielseitiges und robustes kreatives Spielzeug gelungen. Einer der größten Motivationsfaktoren ist natürlich das gut erklärte Basteln und Vollkleistern der Kreationen mit bunten Stickern. Auch im Logik-Editor steckt Potenzial: Ich bin gespannt darauf, welch wilde Kreationen sich die Community ausdenkt und welche profanen Altersgegenstände mit den Steuer-Sensoren der Switch aufgemotzt werden. Die relativ schlicht gehaltenen Minispiele dagegen wirken bislang nur solide, zumal es offenbar an Multiplayermöglichkeiten mangelt. In erster Linie dürfte sich Nintendo Labo also an Familien und kreative Tüftler richten. Ich bin gespannt auf längere Bastelstunden mit den finalen Kits.

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