gamescom 201823.08.2018, Jan Wöbbeking

Special: Retro Gaming auf der gamescom

An den großen Ständen in Köln herrscht Triple-A und Getöse, doch in der unscheinbaren Familien-Halle 10 wartet eine Retro-Ausstellung zum Anfassen, die mittlerweile auf über 50 Stände angewachsen ist. Ein erstaunlich vielseitiger Mix von Heimcomputern, freigelegten Platinen alter Automaten, Themenausstellungen und sogar neuer Titel für alte Plattformen.

Abtauchen in die Vergangenheit

Das Beste daran: Viele Ausstellungsstücke lassen sich sogar frei ausprobieren, darunter Pinball-Tische und alte Spielautomaten des Flipper- und Arcademuseum Seligenstadt. Mit dabei sind Klassiker wie Defender, Space Invaders und Dig Dug – oder Wolfgang Nakes selbstentwickelter Nachbau des ersten kommerziell erfolgreichen Videospiels der Welt – der Münzautomat "Pong" von 1972. Spielbar sind auch jede Menge alte Konsolen und natürlich C64-Brotkästen. Zu entdecken gibt es zudem obskure Hardware wie seltene Handhelds von Retrokram, der einzige DDR-Spielautomat „Poly-Play“ oder der von Hungarian Pixels mitgebrachte ungarische „Videoton TV-Computer 64k“. Ob das lebensgroße Ghostbusters-Fahrzeug ECTO-1 oder die komplette Familie an Amiga-Computern am Stand von Amiga Future: Sämtliche Themen abzudecken würde den Artikel sprengen, schaut am besten hier in der offiziellen Übersicht nach .

Einfach mal eine ruhige Kugel schieben...
Hinter der Organisation steckt der Leipziger Journalist René Meyer, der nach der Wende seine Leidenschaft für alles bunt blinkende Interaktive auf der Mattscheibe entdeckte. Mit dem Aufbau seiner Sammlung wollte er seine fehlenden Wurzeln im Spielbereich kompensieren. Ein Startpunkt dafür waren Anfang der Neunziger Jahre die Testexemplare, die er als Spiele-Journalist zugeschickt bekam – und später beim vom ihm gegründeten Mogelpower. Die Retro-Ausstellung nahm bereits auf der Leipziger Games Convention ihren Anfang – und zog später nach Köln um, wo sie sich mittlerweile immer weiter in der Familienhalle ausbreitet.

Hunderte neue Spiele für alte Systeme?

Ein erstaunlicher Trend zeigte sich mit der Entwicklung neuer Spiele für alte Systeme, die teilweise sogar in aufwändigen Boxen verkauft werden: Entwickler-Veteran Oliver Lindau berichtete uns, dass allein im letzten Jahr rund 140 neue Spiele für den C64 erschienen sind. Vieles davon sei natürlich Schrott oder z.B. ohne großen Aufwand mit dem Shoot'Em-Up-Construction-Kit zusammengespechtet, aber 25 bis 30 der Titel seien durchaus richtig gut. Lindau selbst arbeitet momentan zusammen mit fünf weiteren Entwicklern an einer C64-Umsetzung von Eye of the Beholder. Zudem war er am klassischen Adventure Caren and the Tangled Tentacles von PriorArt beteiligt (Grafik und Animation), das vor zwei Jahren übrigens den 4Sceners-Award für das beste Szene-Game gewann.

Downloads sind doch von vorgestern!
Der Stolz des Gemeinschaftsstandes von Protovision und Out of Order Softworks war allerdings die liebevoll umgesetzte Retail-Version des Jump 'n' Runs Sam's Journey von Knights of Bytes – inklusive Cartridge und kleiner Extras wie einer Schatztruhe. Getestet würden viele neue Spiele für die Oldie-Plattformen mit Hilfe von Emulatoren, erläutert Lindau. Heutzutage könne man aber ohnehin viel effektiver für alte Hardware mit ihren mittlerweile besser dokumentierten Tricks und Macken entwickeln.

Vertrautes Zirpen

Auch musikalisch wurde einiges geboten: Bereits bei unserem Abstecher in den Retro-Bereich wurden auf der Bühne allerlei umgelötete Gerätschaften malträtiert und Chiptunes vorgeführt. Als Acts sind u.a. Blue Metal Rose oder Endgegner vor Ort. Deutlich mehr Leute dürften vermutlich Stargast Chris Hülsbeck kennen, den wir am Stand der Turrican-Schöpfer Factor 5 trafen.

Fast wie früher: Sogar das Original-Team von Factor 5 (Turrican) und Chris Hülsbeck sind mit einem Stand dabei.
Er stellte in Köln u.a. die per Kickstarter finanzierten Orchestral Selections sowie sein Album „Turrican: Rise of the Machine“ vor. Letzteres enthält frische Tracks für ein imaginäres Turrican-Spiel, die für den passenden Sound in Hülsbecks altem Amiga-Format TFMX produziert wurden. Einblicke in die Ausstellung bekommt ihr übrigens in unserer Bildergalerie und der dritten Video-Reportage aus Köln. Für die Zukunft denkt Meyer darüber nach, auch mal Nebenschauplätze seines Hobbys zu beleuchten, z.B. Spielzeugroboter oder Taschenrechner. Für eine Auszeit vom Tohuwabohu der großen Publisher dürfte Retro Gaming auch in den kommenden Jahren eine schöne Abwechslung sein. Hier bildeten sich zwar ebenfalls kleine Schlangen. Es herrschte aber eine entspannte Stimmung, zumal sich auch ziemlich viele junge Besucher in alte Spielwelten aus der Zeit ihrer Eltern stürzten.

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.