Keep Talking and Nobody Explodes28.11.2016, Michael Krosta

Im Test: Die VR-Bombe tickt...

Man muss also einfach nur weiterreden und dann explodiert auch niemand? Ah, ja! Was ist das denn für ein bescheuerter Titel? So seltsam er klingt, beschreibt der Name des Spiels vortrefflich, worum es geht: Kommunikation und Koordination beim gemeinschaftlichen Entschärfen einer tickenden Bombe. Ein Spieler entschärft, der oder die anderen dürfen die Anweisungen geben. Nachdem man bereits auf dem PC den kooperativen Bombenspaß erleben durfte, gilt es jetzt auch mit PlayStation VR die Nerven zu behalten und den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen...

Das rote Kabel durchschneiden?

*Beep*Beep* Der Countdown tickt … *Beep*Beep*

Er: „Im letzten Bauteil der Bombe sehe ich fünf farbige Kabel, die horizontal untereinander liegen.“

Ich: „Moment. Ich blättere zum entsprechenden Abschnitt im Handbuch zur Entschärfung. Okay! Ist das unterste Kabel schwarz? Falls ja: Ist die letzte Ziffer der Seriennummer ungerade?“

Er: „Nein und warte ... nein“.

Ich: „Ist da genau ein rotes Kabel?“

Er: „Nein.“

Der Spieler mit dem VR-Headset sieht die Bombe, kann mit den einzelnen Modulen interagieren und das tickende Paket von allen Seiten betrachten.

Ich: „Ist da mehr als ein gelbes Kabel?“

Er: „Nein! Mach hin! Wir haben nur noch 20 Sekunden!“

Ich *schneller*: „Gibt es ein schwarzes Kabel?“

Er: „Nein. Hattest Du das nicht schon gefragt?“

Ich: „Nein! Dann schneid' das erste Kabel durch!“

Er: „Sicher?“

Ich: „Ja! Echt jetzt!“

*Stille*Stille*.

Er: „Entschärft“.

Beide: „Puuhhhh! Nein, es ist nicht immer das rote Kabel ...“

Eine Aufgabe für (mindestens) zwei Personen

Die grundlegende Idee des Spiels mit dem komischen Titel „Keep Talking and Nobody Explodes“ ist schlichtweg großartig, denn es geht um das gemeinschaftliche Entschärfen einer Bombe - natürlich unter Zeitdruck, denn der Countdown tickt unaufhaltsam runter. Die Teilnehmer übernehmen dabei verschiedene Aufgaben. Ein Spieler sieht die Bombe auf dem Monitor, kann sie von allen Seiten genau betrachten, die Module des Sprengkörpers anklicken und dort Aktionen durchführen. Die anderen Spieler wühlen sich durch das Handbuch zur Bombenentschärfung (digital oder analog) und dürfen die Anweisungen geben bzw. den Umgang mit dem Sprengkörper erklären. Dabei müssen sich die „Handbuchtäter“ auf die Beschreibungen und die Informationen von dem „Entschärfer“ verlassen, denn die „Handbuch-Spezialisten“ sehen auf dem Bildschirm lediglich die Anleitungen, während der Entschärfende unter der VR-Brille nur die Bombe im Blick hat..

Die anderen Spieler dürfen im ausgedruckten 'Bomb Defusal Manual' nachschlagen, wie das Bombenmodul entschärft werden kann und die Anweisungen geben bzw. die Fragen stellen. Dank Social Screen wird die Anleitung auch auf dem TV-Bildschirm für Mitspieler angezeigt.
„Keep Talking and Nobody Explodes“ ist also ein kooperativ spielbarer Titel mit asymmetrischer Gestaltung, weil die Spieler verschiedene Aufgaben übernehmen, aber trotzdem gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten. Und weil es auf die möglichst effektive Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen ankommt, denen unterschiedliche Informationen zur Verfügung stehen, ergibt sogar der ungewöhnliche Titel durchaus Sinn.

Gute Module, schlechte Module

Im aktuellen „Bomb Defusal Manual - Version 1“ (nur in englischer Sprache) werden elf Module beschrieben, die in den zufällig generierten Bomben in zufällig generierten Varianten vorkommen können. Die Entschärfung jedes Moduls ist ein eigenes Minispiel aus den Kategorien „Merken“, „Koordination“, „Konzentration“ und natürlich „Kommunikation“. Während das Durchschneiden von Kabeln wohl die klassischste Version beim Bombenentschärfen ist und mit abzuarbeitenden Anweisungen in Textform einhergeht, muss man gelegentlich mit einem großen Knopf mit wechselnder Aufschrift wie „Detonate“ oder „Press“ hantieren. Hierbei berichtet der „Entschärfer“, was er sieht und der „Handbuchexperte“ stellt Fragen basierend auf der Dokumentation. Und dann ist mehr oder weniger klar, was zu tun ist.

Von Kabeln, Knöpfen und Codewörtern

Neben einfachen Kabeln und dicken Knöpfen darf man eine Variante des Farbmerkspiels „Simon says“ spielen, seltene bis ungewöhnliche Zeichen in eine Reihenfolge bringen, sich die Zahlen von eins bis vier auf den Positionen eins bis vier in je vier Varianten merken oder Passwörter mit fünf Zeichen knacken. Herausforderung, Schwierigkeitsgrad und auch der Spaß beim Entschärfen schwanken je nach Modul. Während das Eins-bis-Vier-Merken mit Papier-und-Stift ziemlich simpel ist, aber viel Zeit durch die Trägheit der simulierten Anzeige kostet, entpuppt sich die Passwort-Variante als schlicht gestrickt und die "Complicated Wires" sind nur durch die Darstellung im Venn-Diagramm (Mengendarstellung) kompliziert - und dies auch nur für den Lesenden des Manuals.

Leider recht schnell durchschaut: das Passwort-Modul.
Nicht so gelungen ist hingegen das Morsecode-Modul, weil der Code ziemlich schwer an der Signallampe abzulesen ist. Da hätte eine akustische Untermalung mit Pieptönen zusätzlich zur Lampe wahrhaft geholfen. Deutlich besser sind das (blinde) Lotsen durch ein Labyrinth, die Kabelsequenzen und „Who‘s on First“. Bei letzterem müssen bestimmte Wortkombinationen abgeglichen werden und weil die notwendigen Begriffe unter Umständen ziemlich gleich klingen (z.B. you, you’re, you are, your, ur oder see, c, cee), muss man sich entscheiden, wie man die Begriffe möglichst effizient kommuniziert. Und immer wenn beide Personen gleichermaßen gefordert sind, entfaltet das Spiel erst seine Faszination.

Fehlende Vielfalt bei den Kellerbomben

Insgesamt müssen in der „Kampagne“ 32 Bomben entschärft werden. Umfang, Schwierigkeitsgrad und Zeitdruck steigen mit der Zeit. Abseits davon gibt es den Freeplay-Modus, in dem Bomben mit bestimmten Optionen (Modulzahl, Zeit, Needy, Hardcore) erstellt werden können - hierbei lassen sich praktischerweise manche Module dauerhaft ausschließen. Elf verschiedene Bombenmodule klingen zwar nach ordentlich viel Abwechslung, aber da sich beim Entschärfen bei manchen Vertretern ziemlich zügig Routine einstellt, hätte etwas mehr Vielfalt sicher nicht geschadet.

Ein Fehler beim Entschärfen ist (außer bei Hardcore-Bomben) nicht gleich das Ende. Manche Bomben verzeihen bis zu drei Fehler. Die gemachte Fehlerzahl hat stellenweise sogar Einfluss auf die notwendigen Anweisungen.
Gleiches gilt für das Szenario, das der Entschärfende sieht, denn der Bomben-Bändiger sitzt stets an einem Tisch in einem maroden Keller, während zunehmend treibende Musik im Hintergrund düdelt. Auch die eine oder andere und ggf. sehr nervige Überraschung ist vorhanden. Ein zweites Szenario, z.B. mit der Bombe unterwegs in einem Transporter oder das Entschärfen an belebteren Orten mit mehr Ablenkungspotenzial, hätte „Keep Talking and Nobody Explodes“ zusätzlich aufgewertet.

Ohne VR geht nichts

Während die VR-Unterstützung auf dem PC lediglich optional angeboten wurde, ist sie auf der PS4 Pflicht. Beim Spielen auf der Konsole wird also nicht nur mindestens einen Mitspieler, sondern auch das Headset zwingend benötigt. Man darf geteilter Meinung sein, ob das tatsächlich sinnvoll für einen solchen Nischentitel ist, denn über die Chat-Funktion im PSN hätte man auch problemlos ohne VR-Zwang über eine Onlineverbindung gemeinsam die Bomben entschärfen können - vergleichbar mit Skype-Sitzungen am PC.

So konzentriert sich die PS4-Umsetzung vor allem auf lokale Zusammenkünfte. Dabei wird dem Social Screen neben seinem Einsatz bei Playroom VR endlich wieder ein Sinn verliehen, denn dank der Trennung des Bildes sieht eben nur der Headset-Träger die Bombe, während sich die Mitspieler auf dem TV-Bildschirm mit Hilfe des Controllers durch das Bombenhandbuch blättern dürfen. Persönlich bevorzuge ich trotzdem weiter die ausgedruckte Variante - auch deshalb, weil es als Alternative zum Original auch eine gelungene deutsche Fan-Übersetzung gibt. Denn das Spiel ist auch auf der PS4 weiterhin nur auf Englisch verfügbar. Wenn die Mitspieler bei der Fremdsprache nicht sonderlich fit sind und dazu noch der Countdown unerbittlich tickt, können aufgrund der Sprachbarrieren nicht nur wichtige Informationen, sondern auch wertvolle Sekunden verloren gehen. Davon abgesehen wäre es cool gewesen, wenn man dem Entschärfer auch eine optionale Move-Steuerung angeboten hätte, mit der das Bedienen von Knöpfen und das Durchtrennen von Drähten sicher noch packender und immersiver ausgefallen wäre.

Fazit

Was für ein bombastischer Spaß! Wenn man motivierte und redselige Mitspieler zur Seite hat, entpuppt sich "Keep Talking and Nobody Explodes" auch mit PlayStation VR als ein echter Kracher! Dabei profitiert die Umsetzung einerseits von den Vorteilen, die der Social Screen für das lokale Zusammenspiel erlaubt. Andererseits hätte das asymmetrische Bombenentschärfen wie beim PC auch ohne VR-Zwang auskommen können, zumal ich das Lesen im ausgedruckten Handbuch immer noch dem Blick auf den Fernseher vorziehe. Auch deshalb, weil man dort auf eine deutsche Fan-Übersetzung zurückgreifen kann, denn das schnellere Verständnis kann vor allem bei den ersten Anläufen durchaus wertvolle Sekunden einsparen. Ärgerlich, dass das Spiel offiziell weiterhin nur auf Englisch angeboten wird. Die Kritikpunkte, die Marcel in seinem PC-Test angesprochen hat, bleiben ebenfalls bestehen: Manche Module der Bomben sind klasse, andere weniger gut gestaltet. Zudem vermisst man als Entschärfer immer noch die Abwechslung, da man bei jeder Bombe auf dem gleichen Stuhl im gleichen langweiligen Kellergewölbe Platz nehmen muss. Davon abgesehen ist Keep Talking and Nobody Explodes aber ein cooles und innovatives Partyspiel, das mit den richtigen Leuten für einen Bombenstimmung sorgt.

Pro

hervorragende Spielidee
zufällig generierte Bomben und zufällig generierte Modulinhalte
stellenweise sehr gut gestaltete Module mit fiesen Fallen
zusätzliche Optionen und Überraschungen
stimmige Soundkulisse
Spieldesign erlaubt neue Manuals etc.
Freeplay-Modus
Social Screen erleichtert lokales Teamwork
inoffizielle deutsche Übersetzung des Handbuchs erhältlich

Kontra

mehr Module und mehr Ideen für das Manual hätten nicht geschadet
schwankende Qualität der Module
sich einstellende Routine bei manchen Bauteilen
Szenario bietet nicht sonderlich viel Abwechslung
auf PS4 ausschließlich in VR spielbar
nur englisches Handbuch & Bildschirmanzeigen
keine Move-Unterstützung

Wertung

PlayStation4

Mit den richtigen Leuten ein echter Partykracher, bei dem eine innovative Verknüpfung aus Kommunikation und Teamwork den Schlüssel zum Erfolg bildet.

VirtualReality

Mit den richtigen Leuten ein echter Partykracher, bei dem eine innovative Verknüpfung aus Kommunikation und Teamwork den Schlüssel zum Erfolg bildet.

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