Im Test: Auch in VR zeitlos gut?
Techno in Spielform
Als Sega-Entwickler Tetsuya Mizuguchi Mitte der Neunziger über die Züricher Street Parade schlenderte, war er derart von der pulsierenden Kreativität der Rave-Kultur beeindruckt, dass er die Atmosphäre unbedingt in einem Spiel einfangen wollte. Nach jahrelangen Experimenten erschien im Jahr 2002 schließlich ein leuchtender Rail-Shooter im Stil von Panzer Dragoon, der aber komplett auf geometrische Technik-Ästhetik setzte. Später wurde der Dreamcast-Titel auch für PlayStation 2 (nebst obskurem „Trance Vibrator“) und als HD-Fassung für Xbox 360 umgesetzt. Jetzt ist eine angepasste Version zum Start von PlayStation VR erhältlich, die auch einen frischen Abschnitt bietet. Wer Näheres über den Spielablauf erfahren möchte, sollte sich unseren ausführlichen Artikel zur HD-Fassung durchlesen. Dieser Test dreht sich im Wesentlichen um die Neuerungen und Probleme der Virtual-Reality-Umsetzung. Nach wie vor fliegt man auf vorgegebenen Bahnen durch eine wild zur Musik pulsierenden Computerwelt, um allerlei kreativ designte Viren zu zerbröseln. Das Spielprinzip bleibt denkbar schlicht: Einfach das Zielkreuz über den Gegner bewegen, Knöpfchen drücken – und schon fliegen die zielsuchenden Raketen gen Widersacher. Bis zu acht lassen sich für eine Kombo markieren. Dazu kommen eine alles versengende Smart-Bomb sowie kleine Icons, welche dem Charakter höhere Evolutionsstufen und somit mehr Leben verleihen.
Dieses Spiel verdreht euch den Kopf!
Nur manchmal wird es zu hektisch oder unübersichtlich – z.B. wenn der riesige Marathonläufer die eigene Figur wild umkreist, an den Wänden entlang läuft und ihn mit Sprüngen attackiert. Dann ist schnelles Umschauen nötig, teilweise sogar komplett nach hinten oder oben. In solchen Momenten wird deutlich, dass die Regie ursprünglich für einen Fernseher konzipiert wurde, auf dem es leichter war, mit Rotationen die Übersicht zu behalten. Wer auf einem Drehstuhl sitzt, hat in diesem Bosskampf also klare Vorteile. Auch dann kann es in wilden Momenten aber mulmig im Magen werden – echte Übelkeitsprobleme bekam ich allerdings nie. Meist spielt die Musik auch frontal vorm Spieler. Die Kamera-Bewegungen wurden ein wenig auf VR-Bedürfnisse abgestimmt: Auf Wunsch kann man es bei einer ruhigeren Regie belassen oder in den Optionen zu mehr Dynamik wechseln.
Feuerwerk der Partikeleffekte
Eine Enttäuschung ist die alternative Move-Steuerung, die noch einen Deut schwammiger wirkt als seinerzeit die Kinect-Variante von Child of Eden. Da man kein virtuelles Gegenstück der Bewegungscontroller vor Augen sieht, fällt es schwer, Distanzen abzuschätzen. Außerdem wirken die Bewegungen allgemein etwas träge und bei weitem nicht so präzise wie per Blick oder Stick. Auch bei der Musik gibt es eine Enttäuschung: Der Sound wird zwar räumlich abgemischt, im Vergleich zum knackigen 5.1-Mix des HD-Remakes wirken die einstmals wummernden Techno-Stücke aber etwas bassarm und matschig. Bei einem derart legendären Soundtrack grenzt das fast schon an Ketzerei! Einen deutlich druckvolleren und klareren Eindruck hinterlässt der euphorisch-melodiöse, trancelastige EDM-Soundtrack des neuen Levels, in dem Mizuguchi offenbar einen Song seiner eigenen Electro-Band verarbeitet hat. Auch visuell merkt man sofort, dass der Altmeister hinter dem leuchtenden Spektakel steckt: Die durch die Luft schwebenden Elektro-Quallen und pulsierende Himmelskörper passen zum klassischen Konzept, bieten mit ihren Partikeleffekten aber trotzdem eine eigenständige Interpretation des Designs. Praktisch überall fliegt gleißend glitzerndes Lametta durch den Raum. Orientalisch anmutende Luftschlösser und explodierende Gegner zerteilen sich in tausende und abertausende feine Bildpunkte – wie bei einem wunderhübschen elektronischen Feuerwerk. Hat Mizuguchi sich etwa von Jeff Minter (Tempest 2000, TxK) beeinflussen lassen?
Mehr Bewegungsfreiheit?
Schade, dass nur ein einziges neues Level mitgeliefert wird und es keine weltweiten Highscorelisten oder Herausforderungen übers Netz gibt. Zudem kam mir ein Durchgang etwas leichter vor als früher – was allerdings auch daran liegen könnte, dass ich das Spiel mittlerweile in- und auswendig kenne. Nach dem nur ein bis zwei Stunden kurzen Durchspielen des Hauptmodus bleibt es dank der audiovisuellen Pracht aber trotzdem noch recht motivierend, weitere Herausforderungen anzugehen. Man kann z.B. versuchen, lokale Highscores zu knacken, eine möglichst hohe Prozentzahl der Gegner abzugrasen, kleine Geheimnisse zu entdecken oder kleine Boni wie neue Perspektiven und Design-Änderungen freizuschalten. Wem der visuelle Overkill mit der VR-Brille zu viel ist, kann übrigens auch einen TV-Modus starten, mit dem sich das Spiel mit einer gewöhnlichen PlayStation 4 auf dem Fernseher bestreiten lässt.
Fazit
Rez ist auch in seiner aktuellen VR-Fassung Gänsehaut pur! Ein zeitloses audiovisuelles Kunstwerk, das oft kopiert, in seiner Stilsicherheit aber auch nach 14 Jahren nicht erreicht wurde. Dank der VR-Einbindung fühlte ich mich noch intensiver ins Geschehen versetzt. Das intuitive und präzise Zielen per Kopftracking trägt ebenfalls viel zur Immersion bei und macht die bunt blitzende Reise auch für Veteranen interessant, die das Spiel bereits Dutzende Male beendet haben. Die VR-Umsetzung bringt kleine Macken wie eine manchmal überfordernde Regie, eine bassarme Abmischung (wie kann man nur?!) oder eine enttäuschende (optionale) Move-Einbindung mit sich. Doch solche Kleinigkeiten sind schnell vergessen, wenn ich erst einmal mit einem breiten Grinsen durch den Cyberspace rausche und nur mit der Kraft meiner Gedanken – pardon – Kopfbewegungen massenhaft Cyber-Mollusken in ein glitzerndes Feuerwerk verwandle. Gewissermaßen habe ich mir VR genau so vorgestellt, als ich Anfang der Neunziger zum ersten Mal von der Technik las. Hoffentlich legen Arcade-Spezis wie Jeff Minter (Polybius) mit ähnlich faszinierenden Titeln nach, denn in meinen Augen passt das Genre neben Rätselspielen bisher am besten zur noch jungen VR-Technik.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Mit Rez Infinite wird der zeitlos gute Arcade-Klassiker sogar noch vereinnahmender - ein klares Highlight für VR!
PlayStationVR
Mit Rez Infinite wird der zeitlos gute Arcade-Klassiker sogar noch vereinnahmender - ein klares Highlight für VR!
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