Den Rest der Zeit verbringt man u.a. damit, Buddy zuzuhören (der auch vor modernen Anspielungen, z.B. auf Videospiele nicht halt macht), sich Propagandafilme der American Rifle Association anzuschauen und die Kulisse in sich aufzusaugen. Die ist zwar auf den ersten Blick nicht besonders aufwändig. Doch die Entscheidung, den Spieler als Passagier durch weitgehend realistisch gestaltete Räume zu schicken, in denen auf Holz geklebte Figuren im Stile von Film- oder Werbeplakaten der 50er Jahre als Sinnbild der ach so heilen Welt mit einem interagieren oder kommunizieren, war ein Glücksgriff. Nicht nur, weil er leicht an das erinnert, was Bethesda mit Fallout 4 zu neuen Ufern geführt hat. Sondern auch, weil es ungemein hilft, die Karikatur des amerikanischen Lebensstils in ein überzogenes Licht zu setzen. Andererseits gibt es trotz dieser Abstraktion eine enorme Immersion, sobald man diese Spielwelt akzeptiert hat – was bei mir bereits nach wenigen Minuten der Fall war.
Immersive Minispielballereien
Bleispritzen sind natürlich auch die besten Rasenmäher oder Heckenscheren.
Denn von Beginn der Reise an, die einen vom Kleinkindalter über die Jugend bis hin zum Erwachsensein und der eigenen Elternschaft durch entscheidende Episoden des Durchschnittslebens führt, wird man sehr stark in die Geschehnisse eingebunden. Man hat jederzeit in der rechten und linken Hand eine oder mehrere Waffen, die allerdings von The American Dream vorgegeben werden. Die meiste Zeit ist man zwei Pistolen unterwegs. Von Zeit zu Zeit werden diese aber durch Repetier-, Sturm oder Scharfschützengewehre, eine Pumpgun (mit absurder Überhitzungsfunktion) oder Schnellfeuerpistolen ersetzt. Je nachdem, was das jeweilige Kapitel für Aufgabenstellungen bereithält, die in meist simplen, aber durch die Bank unterhaltsam Minispiel-Ballereien umgesetzt werden. Dass man so stark in das Geschehen gezogen wird und manchmal sogar den omnipräsenten Stuhl vergisst, in dem man sitzt, ist bemerkenswert und hätte ich diesem simpel gestrickt scheinenden VR-Experiment nicht zugetraut. Doch zum einen funktioniert die Bewegungserkennung bzw. Zielerfassung auf allen Systemen akkurat – mit leichten, aber nicht die Wertung beeinflussenden Abstrichen bei PlayStation VR, bei dem es abhängig von der Konfiguration zu leicht verziehenden Momenten in den Außenbereichen der Kameraerfassung kommen kann.
Selbst gesellschaftliche Treffen wie z.B. Tanzveranstaltungen sind ohne Waffen nicht möglich.
Und zum anderen sorgt die stets aktive, sowie gut gelungene Nachlademechanik dafür, dass man Stück für Stück in die Welt gezogen wird. Hat man das Magazin leer geschossen, kann man rechts und links auf den Armlehnen des Fahrsessels einen Knopf drücken. Jetzt wird ein neues Magazin herausgeschossen, das man nun mit der Knarre auffangen muss, damit es eingeführt wird. Auch die Pump-Bewegungen bei der Schrotflinte, das Bewegen des Verschlusses bei Repetiergewehren usw. wurde alles so inszeniert, dass man als Spieler sofort Teil der Spielwelt wird, bis das Nachladen beinahe so selbstverständlich funktioniert wie das Atmen. Und von dem Moment an kann man sich noch stärker auf den Humor einlassen, der von Schenkelklopfern über Schmunzler bis hin zu Situationen, in denen einem das Lachen beinahe im Hals stecken bleibt, während man „Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt, oder?“ denkt, ein breites Spektrum an Themen und Witz abdeckt. Bei der mechanischen Qualitätssicherung sind allerdings einige Bugs durchgerutscht. Der schwerwiegendste davon war ein Fortschrittstrigger, der nicht ausgelöst wurde, so dass man am Anfang einer Szene stecken bleiben kann. Dank sehr großzügiger Kontrollpunkte hat ein Neustart das Problem behoben. Es dauerte allerdings ein paar Minuten, bis mir bewusst wurde, dass die Wartezeit nicht Bestandteil des amerikanischen Traumes war - ein weiterer Beleg dafür, wie sehr die Spielwelt einen in den Bann ziehen kann.