Everspace05.01.2017, Benjamin Schmädig

Vorschau: FTL trifft Wing Commander

Das gleißende Licht eines Sterns wird von den Armaturen reflektiert, Raketen wirbeln auf einen Gegner zu, Gewehrsalven rattern und beschädigte Schiffe torkeln rauchend an Asteroiden vorbei: Everspace (ab 24,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist Science-Fiction, wie sie Star Wars definiert hat, in Perfektion! Auf den ersten Blick zumindest. Denn auf den zweiten besteht seine Galaxie nur aus winzigen, immer gleich aussehenden Levelstückchen. Dahinter steckt natürlich ein System – aber auch ein gutes Spiel?

FTL-like

Noch ist Everspace ja längst nicht fertig. Als in Entwicklung befindliches Projekt ist es zwar seit einigen Monaten auf GOG , Steam sowie Xbox One spielbar, allerdings fehlen noch zahlreiche Inhalte, darunter die angekündigte Unterstützung der Virtual-Reality Headsets Rift und Vive, eine Geschichte sowie weitere Gegner und mehr. Wie genau dieses actionreiche FTL: Faster Than Light zu seiner Veröffentlichung aussehen wird, ist daher noch gar nicht erkennbar.

Die unendlichen Weiten in Everspace sehen fantastisch aus...

Moment mal! FTL? Was hat Everspace mit dem taktischen Raumschiff-Aufrüsten zu tun, bei dem man von einem zufällig erstellten Sektor in den nächsten springt? Nun, Everspace ist genau das: Man springt von einem Sektor in den nächsten, um prozedural erstellte Rohstoffe zu sammeln, ebenso zufällige Feinde zu bekämpfen und mit der Beute das eigene Raumschiff auszubauen. Und segnet man das Zeitliche, beginnt die kleine Reise von vorn.

Vom zuvor angehäuften Geld verbessert man dabei die Eigenschaften des aktuellen Schiffs oder kauft ein stärkeres Vehikel, wobei man die Verbesserungen ebenso behält wie einmal aufgetriebene Blaupausen, mit denen man aus gesammelten Materialien leistungsfähigere Module (Waffen, Schilde, kurzzeitige Boosts und mehr) als die der Werksausstattung herstellt. So entsteht trotz der ständigen Neustarts ein Gefühl des Fortschritts. Die typische FTL-Schleife also, wie sie sich längst so viele Spiele zu eigen gemacht haben.

Ballern statt „echter“ Arbeit

Mein Problem damit: Ich kann mit den winzigen Weltraum-Häppchen, die alle nahezu gleich aussehen, wenig anfangen. Das war schon im geistigen Vorgänger Galaxy on Fire so und das ist hier nicht anders. Schön, dass das All so hübsch ist. Spielerisch entlarvt man es aber viel zu schnell als dreidimensionale Statistik, die nach Bedarf und „Würfelglück“ mit beliebigen Ressourcen und Gegnern verziert wird.

... bestehen aber aus vielen kleinen, immer gleichen Sektoren.

Echtes Raumschiff-Feeling kommt jedenfalls nicht auf: U.a. betreibt man keinen Bergbau, sondern ballert stupide auf Rohstoffvorkommen. Kisten mit Waffen und anderen Modulen öffnet man auf die gleiche Weise. Und hat man keinen Scanner an Bord, klappert man in jedem Areal stets die gleichen Asteroiden und Raumschiffwracks ab, bis entsprechende Symbole sämtliche Objekte in der unmittelbaren Umgebung offenbaren. Hält man sich lange genug in einem Sektor auf, treffen außerdem ständig neue Angreifer ein.

Weil sie hauptsächlich als Zielmarkierungen zum Hinfliegen und Abhaken dienen, merkt man diesen kleinen Ereignissen ihre Herkunft als Zufallsobjekte einfach zu sehr an. Die Interaktion mit ihnen und das Spiel um sie herum sind derzeit viel zu oberflächlich, als dass sie fesseln könnten.

Eigenbau

Spaß macht immerhin das Aufrüsten des Schiffs, in dem man zahlreiche Waffen mit unterschiedlichen Eigenschaften verbauen darf: Einige schaden vor allem Schilden, andere feuern statt schneller schwacher nur wenige, dafür umso stärkere Schüsse. Module hingegen verstärken die Schilde mal passiv, mal auf Knopfdruck, liefern mehr Energie für Nachbrenner und Waffen oder erhöhen kurzfristig die Durchschlagskraft aller Geschosse.

Man findet solche Module in Kisten, bei zerstörten Gegnern und Händlern oder stellt sie selbst her, falls ausreichend Materialien vorhanden sind. Dieses Personalisieren funktioniert deshalb so gut, da es die Rohstoffsuche motiviert und weil es einfach cool ist, ein selbst zusammengestelltes und erweitertes Schiff zu fliegen. Immerhin muss man sich auf feindliche Flieger einstellen, die mit ganz unterschiedlichen Stärken und Schwächen verbissene Duelle austragen. Eine clevere Idee sind etwa gegnerische Drohnen, welche die Schilde ihrer Verbündeten aufladen – Taktik spielt in manchen Gefechten eine wichtige Rolle.

Die Action ist schick, ein glaubwürdiges Fluggefühl kommt aber nicht auf.

Doom in Space

Allerdings reißt mich ausgerechnet die Action aus dem „Erlebnis Weltraum“, denn wie ein Raumschiff fühlt sich das, was ich hier fliege, kaum an. Hatte ich mich anfangs noch gewundert, warum auf dem linken Analogstick die lateralen Bewegungen liegen, wurde mir beim Umstieg auf die leider sehr viel präzisere Steuerung mit Maus und Tastatur irgendwann klar, warum das so ist: Everspace spielt sich wie ein Shooter.

Dabei ist es grundsätzlich nicht nur logisch, sondern auch spielerisch gut, dass sich die Raumschiffe auf allen Achsen frei bewegen, anstatt wie in Elite Dangerous hauptsächlich um die Längsachse zu rollen. Die übermäßig schnelle Beschleunigung in alle Richtungen sorgt hier aber dafür, dass man überhaupt kein Gefühl für eine zumindest halbwegs nachvollziehbare Bewegung in der Schwerelosigkeit entwickelt. Würde Everspace mit seiner unglaubwürdigen Physik wenigstens ein packendes Fluggefühl erzeugen...

Ausblick

Anders als in FTL muss ich mich hier zu jedem Neustart zwingen - dabei sind sich beide Spiele inhaltlich ganz ähnlich. Doch wo man in FTL lediglich auf die „Skizze“ eines Raumschiffs blickt, während man Crew und Material entwickelt sowie folgenschwere Entscheidungen trifft, zählt in Everspace vor allem die Action vom Cockpit aus. Sprich: Das Pilotendasein müsste ebenso fesseln wie das motivierende Ausbauen und Aufrüsten des Fliegers. Doch genau das gelingt dem Spiel mit seinem mageren Fluggefühl, den kurzen Gefechten gegen immer gleiche Gegner vor immer gleichen Hintergründen und dem langweiligen, spielerisch anspruchslosen Sammeln von Ressourcen einfach nicht. Zumindest bislang, denn noch sind gar nicht alle Inhalte integriert und vielleicht sorgt wenigstens die geplante VR-Unterstützung für ein Mehr an Spannung. Alles in allem sehe ich dem fertigen Everspace jedoch recht skeptisch entgegen.

Einschätzung: befriedigend

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