Boom Blox08.05.2008, Jörg Luibl
Boom Blox

Im Test:

Die Türme sind gefallen: Steven Spielberg und EA präsentieren mit Boom Blox (ab 21,09€ bei kaufen) die erste Frucht ihrer auf drei Spiele angelegten Partnerschaft. Damit finden zwei große Namen mit ganz unterschiedlichem Kreativitätsquotienten zueinander. Wer angesichts der geballten Symbiose aus Filmerfahrung und Publishermacht ein großes Epos vermutete, wurde schnell eines Besseren belehrt: Es geht um einstürzende Blöcke, blökende Schafe und fiese Beziehungskriege.

Kantiger Rosenkrieg

Ein Kastenhuhn auf der Flucht: Wenn ihr die richtigen Stellen trefft, gibt es explosive Kettenreaktionen. Schaut euch am besten den Trailer 1 an!
Wenn man seiner Frau etwas Böses wünscht, dann befindet man sich entweder in einem klassischen Rosenkrieg oder man spielt Boom Blox mit ihr. Man wünscht ihr nichts wirklich Schlimmes. Das wäre ja unfair und gemein. Aber bei einem knappen Punktestand von 1250 zu 1280 dehnt man schon mal die moralischen Grenzen einer Partnerschaft - hinter der Stirn des Verlierers tummeln sich siegreiche Gedanken: Die Remote könnte doch mal abrutschen, die Auswahl des nächsten Blocks könnte durch einen männlichen Hinweis beeinflusst werden, die Couch könnte plötzlich wackeln...

...tut sie aber nicht. Und wie das so im Leben eines Mannes mit gefühlten drei Jahrzehnten Spielerfahrung und Highscorekarriere ist: Die Frau trifft. Die Frau grinst. Die Frau gewinnt. Die Frau ist regelrecht entzückt. Die Frau will weiter spielen. Okay, da ist man ganz Gentleman und widmet sich voller Eifer und knurrend geheuchelter Glückwünsche dem nächsten Turm aus bunten Blöcken. Jede Serie hat ein Ende. Jede Frau verliert die Geduld. Diesmal sollen die fetten 25er und 50er fallen, nachdem man selbst gut getroffen hat. Also fixiert man eine vermeintlich sensible Stelle mit der Remote an, schwingt sie beherzt nach vorne, damit der Ball beim Aufprall genug Kraft hat.

Frauen schummeln

Schwingt man nicht kräftig genug, dann saust das Rund kraftloser Richtung Turm. Aber diesmal schlägt der Ball voll ein und sorgt dafür, dass sich die Blöcke verschieben, dass ein 5er zusammen mit einem und noch einem 10er fällt und das eigene Konto klingeln lässt, dass sich ein 25er sogar gefährlich neigt und dass ein 50er Richtung Abgrund rutscht...aber nicht fällt! War klar. Natürlich fällt er nicht. Warum auch? Wahrscheinlich weil Boom Blox ein schlechtes Physiksystem hat, sonst wäre er ja wohl gefallen! Bei dem Wurf! Bei der Kraft!

Was mal stabil war, bricht in sich zusammen. Boom Blox serviert euch viele Detonationen. Einen Vorgeschmack liefert euch Trailer 2!
Während man sich weiter belügt, wirft die Frau mit einem gnadenlosen Lächeln natürlich auf dieselbe Stelle. Und sie trifft. Und der 25er fällt. Und ein weiterer 25er fällt. Und der 50er fällt natürlich auch. Und ihr Punktestand erreicht schon wieder neue Höhen. Und sie jauchzt vor Freude. Und sie sagt Sachen wie "Das ist aber ein cooles Spiel!" oder "Schau mal, die knuffigen Pandas, die mir da zujubeln!". So geht das sechs Runden weiter, bevor beide von Siegen bzw. Niederlagen genug haben und ein letzter Satz den Rest des Stolzes zum Einsturz bringt: "Morgen kannst du ja mal gegen die Kinder spielen, Schatz."

Spaß für vier Blockwerfer

Ist Boom Blox ein gutes Spiel? Ja. Selbst der besiegte Mann muss das anerkennen. Vor allem im Multiplayermodus macht die Jagd nach Punkten eine Menge Spaß, wenn man abwechselnd Türme mit Bällen oder Bowlingkugeln ins Visier nimmt, um das eigene Konto mit den fallenden Klötzen zu bereichern. Außerdem kann man sich auch kooperativ an diverse Herausforderungen wagen oder in anderen Modi als dem Werfen mit bis zu vier Leuten im Splitscreen gegeneinander loslegen: Es gibt Greif-, Schuss- und Angriffsmodi, die allerdings nicht an den Reiz des Wurfmodus herankommen. Besonders beim Greifen kann Boom Blox nicht überzeugen: Hier gilt es ähnlich wie im Klassiker Jenga nacheinander Blöcke aus einem Turm zu ziehen. Atari hat diesem Prinzip kürzlich ein Videospiel gewidmet, welches zwar insgesamt hinter den Erwartungen zurück blieb, aber die physikalischen Möglichkeiten deutlich besser berücksichtigte - dort konnte man vorsichtig klopfen, leicht halten, umliegende Klötze fixieren und dann in alle Richtungen ziehen.

Unrealistische Einbrüche

Hier kann man nur Ziehen, nachdem man sich einen Stein ausgesucht hat. Und wenn man dann zieht, scheinen die Blöcke zu wenig Schwere zu besitzen, denn schon bei der kleinsten Abweichung flattern sie fast wie Federn auseinander. Da die Steuerung hier sehr sensibel ist, kommt es gerade bei umschlossenen Steinen schnell zu diesen etwas unrealistisch wirkenden Einbrüchen. Man vermisst hier sowohl eine Zoomfunktion, die mich beim Herausziehen ganz nah an den Stein bringt, als auch eine stetig freie Kamera - die Perspektive wird manchmal künstlich beschränkt und das Headtracking, das eure Kopfbewegung zum Umsehen nutzen wollte, hat es ja bekanntlich nicht ins Spiel geschafft.

Die Schussmodi erreichen ebenfalls nicht den Reiz des Ballwerfens: Es gibt genug Moorhuhnableger und zu zweit mit einem Fadenkreuz auf Punkteblöcke zu ballern macht nicht lange Spaß - da helfen auch Explosionen und Shooterfeeling nicht. Da sind die Angriffsmodi schon wesentlich interessanter: Hier werft ihr euch gegenseitig die Burgen oder Mauern ein, um die wichtigen Edelsteine des Gegners aus dem Feld zu jagen; wer die Schmuckstücke des anderen zuerst aus dem Weg geräumt hat, gewinnt. Kurzfristig lustig ist auch das gleichzeitige Ballern auf Blöcke, denn hier geht es im Gegensatz zu den rundenbasierten Spielen um Schnelligkeit und Timing - wer zuerst die richtigen Steine trifft, räumt am meisten ab. Aber selbst wenn nicht alle Modi begeistern: Es gibt überraschend viel Abwechslung und das Werfen macht als Königsdisziplin richtig Laune.            

Wichtige Multiplikatoren

Vorsicht: Hier gibt es Abzüge! Wer nicht auf die blauen Mali-Steine achtet, wird bestraft...
Denn hier gibt es nicht nur Turmvernichtung, sondern auch Wurfmodi mit Zielscheiben. Ihr müsst dann abwechselnd Blöcke anvisieren, die vor euch aufgereiht stehen und diese mit der passenden Geschwindigkeit so treffen, dass sie danach in bunten Zielen mit Multiplikator landen - wer hier einen 10er in die 10 schießt, bekommt also 100 Punkte. Neben der konditionierten Wucht gilt es auch, den passenden Winkel für den Aufprall zu finden.

Außerdem sorgen die vielen Blocktypen mit ihren Nebeneffekten immer wieder für Überraschungen und spektakuläre Kettenreaktionen. Die einen explodieren bei einem Treffer oder beim Zusammenstoß, die anderen lösen sich auf und rauben dem Turm die Statik. Andere wiederum sind stabiler, luftig leicht oder vereist und rutschig. Manche ziehen euch Punkte ab oder sorgen für ein buntes Feuerwerk. Boom Blox bietet hier wesentlich mehr fürs Auge als das bereits erwähnte Jenga und stellt Action und Kettenreaktionen deutlicher in den Vordergrund.

Zu viel Action?

Vielleicht etwas zu stark, denn manchmal kann man sich das plötzliche Einstürzen eines kompletten Turmes nicht erklären - ein Treffer und alles geht hoch. Das sieht gut aus, ist aber vorher nicht absehbar, so dass das Element der Planung vor einem Wurf manchmal etwas unter geht und dafür der Zufall regiert. Manchmal gibt es auch physikalische Fehler, wenn etwa eine breite Blockplatte ohne erkennbares Hindernis irgendwo schief aufliegt; aber diese Inkonsequenzen sind eher selten.

Die Kulissen sind bunt und putzig, aber alles andere als beeindruckend. Dafür kann die Musik mit einigen schönen Melodien punkten.
Für meinen Geschmack gibt es aber zu wenige Levels, in denen die Faszination der Statik ausgenutzt wird. Man merkt dem Spiel an, dass der Designschwerpunkt doch eher auf der Action lag. Schade, denn da schlummert noch viel Potenzial: Mir haben z.B. die an Bridge Builder erinnernden Levels neben dem reinen Werfen sehr gut gefallen, weil hier das Tüfteln und Knobeln forciert wird. Es gilt, eine Figur von A nach B zu bringen, indem man Hindernisse aus dem Weg wirft, dabei auf die Stabilität der tragenden Pfeiler achtet oder über die Greiffunktion Scharniere bewegt. Hier muss man sich in aller Ruhe erstmal die Konstruktionen anschauen, bevor man wirft. Es gibt auch ein paar erfrischende Schiebereien mit labyrinthartigen Verschlussmechanismen, aber leider zu wenige!

Immerhin kann man sich mit dem Editor später eigene Levels basteln und per WiiConnect an Freunde schicken. Alles, was man an Requisiten, Figuren & Co in den Solospielen freischaltet, kann man hier für eigene Turmwelten einsetzen. Die Handhabung ist einfach, die Möglichkeiten sind enorm: Ihr könnt Objekte kopieren und drehen, Farben bestimmen, Höhen festlegen, Blöcke in der Luft justieren, endlich heran und rauszoomen sowie zig Einsturzszenarien entwickeln, die ihr euch auch noch in Zeitlupe aus allen Blickwinkeln anschauen könnt. Und selbst der Belohnungseffekt wird von euch bestimmt: Ihr entscheidet, wann man mit Gold, Silber oder Bronze belohnt wird und könnt eure Freunde damit ins Schwitzen bringen.

Mäh. Mäh. Mäh.

Boom Blox hat auch eine Art Kampagne, die euch mit Begleittexten durch vier Kontinente führt, aber die klickt man schnell weg. Brauchte Tetris eine Story? Nein. Brauchte Bomberman eine? Nein. Es gibt Spiele, von denen sollte man lieber die erzählerischen Finger lassen. Dass man dennoch eine Fantasywelt mit Figuren wie Benni Biberstiefel, Ansgar Wollenstein oder den Gert-Babys Grummi, Gump, Gabbie und Gayle um Boom Blox herum aufbauen musste, die tatsächlich in Zwischensequenzen und Collagen eines Königreichs agieren, ist hoffentlich nicht Spielbergs Drehbuchkunst, sondern einer Familienzielgruppenanalyse zu verdanken.

Zugute halten muss man den Weltenschöpfern von EA, dass Art&Design durchaus charmant geraten sind: Dazu tragen nicht nur schielende Pinguine und blöd glotzende Kühe bei. Die vielen kleinen Blockfiguren mit Schafs-, Affen-, Biber-, Hunde- oder Pandavisage ziehen witzige Grimassen und watscheln putzig durch die bunten Kulissen. Alles aufgrund der eckigen Körper und Wii-Beschränkungen nicht ganz so ansehnlich wie bei den hoch auflösenden Stoffpuppen in LittleBigPlanet, aber auch für ältere Semester und insbesondere Mamas und Papas in kindlicher Begleitung genießbar. Dazu tragen auch die stimmungsvollen Melodien bei, die in den Spukleveln mit schrecklich niedlichen Zwischenrufen zur unheimlich süßen Höchstform auflaufen. Habe ich süß gesagt? Entschuldigung.

    

Fazit

Wenn auf einer Spielebox Steven Spielberg steht, dann erwartet man vielleicht mehr als einstürzende Blöcke und ein paar Explosionen. Vielleicht etwas Episches, etwas Filmisches, etwas Großartiges. Ist ein Klötzchenspiel da nicht so etwas wie Spielberg vor die Säue werfen? Das mag sein, aber es macht trotzdem eine Menge Spaß! Und es ist Welten besser als das, was Electronic Arts bisher an buntem Casualramsch unters Volk brachte - Boogie und Ninja Reflex sorgen heute noch für Würgereflexe bei einigen Redakteuren. Boom Blox hingegen sorgt für spannende Couchduelle. Es ist das ideale Spiel, um Partnerschaften mit fiesen Punktekämpfen auf die Probe zu stellen. Ihr wollt ein paar Freunde zum Zocken einladen und locker, gemein, aber nicht anspruchslos spielen? Dann holt es euch! Gerade die Wurfmodi, in denen es um die Highscore geht, machen zu zweit, dritt oder viert richtig Laune. Außerdem sorgt die einfache Steuerung dafür, dass man in null Komma nichts loslegen kann. Schade ist, dass die Kamera nicht immer frei dreh- und nie zoombar ist. Außerdem sind die sehr guten Knobelabschnitte, in denen es um ein Auge für Statik und geschickte Treffer geht, im Vergleich zu den actionreichen Disziplinen etwas spärlich gesät. Und die Greifübungen lassen manchmal physikalische Nachvollziehbarkeit sowie taktische Möglichkeiten vermissen, so dass reine Jenga-Fans etwas enttäuscht sein dürften - hier hätte ich von Spielberg & Co technisch etwas mehr erwartet. Man merkt irgendwann, dass der Designschwerpunkt nicht auf Realismus und Knobeleien, sondern eher auf Vielfalt, Explosionen und Kettenreaktionen lag. Das kann den Unterhaltungswert und Partyspaß allerdings nicht schmälern, denn zwischendurch blitzt das Rätselflair à la Bridge Builder durchaus auf. Zudem kann man auch selbst Hand anlegen und dank des Editors ganz eigene knifflige Levels kreieren. Kurzum: Es ist bunt, es ist charmant, es ist gut. Unterm Strich ist Boom Blox eine gelungene kleine Fingerübung für den großen Spielberg. Mal abwarten, ob die beiden kommenden Titel seinem Namen gerechter werden.

Pro

unterhaltsames Partyspiel
motivierendes Punktesystem
putziges Art & Design
viele Blockfunktionen
abwechslungsreiche Spielmodi
mächtiger Editor
bis zu 4 Spieler kooperativ oder gegeneinander

Kontra

kein Kamerazoom (lediglich im Editor)
das Greifen ist zu sensibel
physikalisch nicht immer nachvollziehbare Konsequenzen
zu wenig Knobel-Level à la Bridge Builder

Wertung

Wii

Es ist bunt, es ist charmant, es ist gut. Und wer gerne mit Freunden um die Highscore kämpft, sollte zugreifen!

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