The Conduit09.07.2009, Michael Krosta
The Conduit

Im Test:

Wenn Nintendo die Bedürfnisse von Spielern abseits der Casual-Schiene nicht mehr befriedigen kann oder will, müssen halt die Dritthersteller ran: Nach mittlerweile indizierten Titeln wie House of the Dead: Overkill und Madworld will Sega mit The Conduit (ab 29,99€ bei kaufen) erneut erwachsene Spieler ansprechen und dabei beweisen, dass Ego-Shooter auch auf Wii funktionieren - sowohl mit einer spannenden Kampagne als auch packenden Online-Gefechten. Wird der Hoffnungsträger den hohen Erwartungen gerecht?

Gefahr aus dem All

Geschichten von Alien-Invasionen und Regierungsverschwörungen sind spätestens seit Akte X bekannt - aber immer noch zeitloser Stoff für Filme, Bücher und Spiele. So versetzt auch Sega den Spieler in The Conduit in einen Wettlauf gegen die Zeit, denn die fiesen Faktoten, eine insektoide Alien-Rasse, haben es auf unseren blauen Planeten abgesehen und beginnen die Eroberung im Zentrum der Macht: Washington D.C. Davon ahnt Secret Service-Agent Michael Ford zu Beginn noch nichts, als

Video: Hat The Conduit das Zeug dazu, das Shooter-Highlight der Wii zu werden?er für eine Schattenorganisation der Regierung den Machenschaften eines ehemaligen Wissenschaftlers namens Prometheus auf den Grund gehen soll. Doch bald wird deutlich, dass etwas Größeres hinter den Kulissen geschieht, bei dem das Schicksal der gesamten Welt auf dem Spiel steht&

Furchtbare Inszenierung

Während die Hintergrundgeschichte noch einen potenziellen Spannungsbogen bereit hält, wird man im Spiel schnell von der grausigen Realität eingeholt, denn die Inszenierung ist unter aller Kanone! Schon der Einstieg ist schwach: Hier findet man sich einfach in einem U-Bahn-Schacht wieder, trägt eine seltsame Kugel mit sich herum und bekämpft abgefahrene Kreaturen. Erklärungen gibt es keine. Die folgen erst nach diesem Tutorial, wenn die Zeit fünf Tage zurück gedreht wird und man anhand öder Code-Gespräche einen Hauch von einer Einführung in die Geschehnisse erlebt. Wer auf bombastische Zwischensequenzen hofft, in denen die Story weiter erzählt wird, ist hier an der falschen Adresse. Bis auf ein paar billige Schnipsel belassen es die Entwickler von High Voltage Software bei den Codec-Einführungen vor jedem der insgesamt neun Abschnitte, die von der Zentrale eines gefährlichen Syndikats über das Weiße Haus und diverse Abwasser-Schächte bis hin zum Pentagon sowie den Straßen Washingtons führen und einen knapp zehn Stunden beschäftigen sollten.

Futuristisches Gadget: Das "allsehende Auge" ist ein Multi-Talent, aber die Anwendung ist nervig und stört den Spielfluss.
Zumindest kommen halbwegs gute englische Sprecher zum Einsatz, während deutsche Untertitel dafür sorgen, dass man auch ohne Englischkenntnisse der simplen Handlung folgen kann, bei der selbst überraschende Wendungen aufgrund der dilettantischen Inszenierung verpuffen.

Schlimmes Leveldesign

Davon abgesehen ist auch das Leveldesign ein Paradebeispiel dafür, wie man einen Shooter eben NICHT machen sollte: Da gleicht ein mäßig texturierter Raum dem anderen, da lauern in U-Bahn-Waggons die gleichen schlecht animierten und teilweise strunzdoofen KI-Gegner ständig an der bekannten Position und da stellen Portale eine Einladung zum unendlichen Respawn der Alien-Schergen dar, wenn man sie nicht schnell genug findet und zerstört. Dumm nur, wenn teilweise bis zu fünf dieser Portale offen sind und die Gegnerflut deshalb kein Ende nehmen will. Beim Spielen von The Conduit fühlte ich mich oft an den berüchtigten Bibliotheks-Level aus Halo erinnert, in dem die Designer mit ihren ständigen Wiederholungen so ziemlich alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann. Doch während dort dieser nervige Abschnitt irgendwann vorbei ist, zieht sich das katastrophale Leveldesign hier durch das gesamte Spiel und wird nur ab und zu durch größere Zwischengegner aufgelockert. Nervig ist dagegen der Einsatz des futuristischen Gadgets, das den Namen "Das allsehende Auge" trägt. Dieses übersetzt nicht nur verdeckte Botschaften der Aliens, sondern aktiviert auch kleine, aber inhaltlich immer gleiche Dreh-Rätsel für Bonusräume, knackt Computersysteme, macht versteckte Teile von Türschlössern sichtbar und spürt tödliche Minen auf, um sie anschließend zu deaktivieren. Dabei hilft ein nerviges Tonsignal, um die Orte und Gefahren zu finden, an denen das allsehende Auge eingesetzt werden kann. Daneben hilft es auch bei der Orientierung durch die gradlinigen Level und zeigt den weiteren Weg auf Wunsch durch eine Linie an. Doch egal ob Mini-Rätsel oder Minen-Entschärfung: Der Einsatz des Gadgets ist von Anfang an einfach nur nervig und stört den Spielfluss, der mit den bereits erwähnten KI-Aussetzern und teilweise üblen Fehlern in der Kollisionsabfrage, in denen Gegner halb in Türen oder Wänden verschwinden, aber sowieso keine Jubelarien auslösen kann. Dazu trägt auch der stark schwankende Schwierigkeitsgrad bei, der den Spieler mit enorm frustrierenden Passagen voller Gegner-Horden konfrontiert und dazu eine unsinnige Checkpunkt-Verteilung serviert, die den Spieler entweder viel zu weit zurück setzt oder gleich wieder mitten in die (unfaire) Action entlässt.  

     

Technik von gestern

Als wären die unansehnlichen Kulissen ohne Physik-Engine oder einen Hauch von atmosphärischen Lichteffekten nicht schon schlimm genug, fügt sich auch die miserable Klangkulisse ins technische Desaster ein. Schon die schlecht abgemischten Soundeffekte sind ein Graus, doch der ohrenschmerzende Soundtrack setzt mit seinen langweilig komponierten Loops dem Ganzen die Krone auf. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Kampagne ist einfach nur grottenschlecht! Sowohl technisch als auch inhaltlich serviert mir Sega hier einen der miserabelsten Shooter, die ich in letzter Zeit gespielt habe. Ich bin entsetzt, dass man sich als Entwickler heute überhaupt noch traut, einen solchen Schund abzuliefern. Selbst das betagte Time Splitters bietet nicht nur deutlich mehr

Triste Kulissen, magere Technik, Klon-Gegner und fürchterliches Leveldesign: Die Kampagne ist trotz hervorragender Steuerung eine Zumutung für jeden Shooter-Freund.
Abwechslung, sondern sieht auch noch besser aus als das, was man hier auf dem Bildschirm ertragen muss. Müsste ich nur die Kampagne bewerten, würde sich The Conduit bei all den Design- und Technikmängeln schwer tun, überhaupt die 50%-Marke zu erreichen.

Vorbildliche Steuerung

Eine Schande - vor allem, wenn man bedenkt, wie hervorragend die Steuerung gelungen ist, die bei Wii-Titeln so oft ein Hauptanlass zur Kritik ist. Hier hat man aber nicht nur alle erdenklichen Möglichkeiten, Remote und Nunchuk mit Einstellungen bezüglich der Sensibilität, Cursor-Auto-Zentrierung oder auch der tote Zone den eigenen Vorlieben anzupassen, sondern auch das Gefühl, seine Figur immer wie gewollt unter Kontrolle zu haben - sei es beim Zielen, Umsehen, Schießen, Ducken oder Springen. Ich habe neben der Möglichkeit zum Spähen um Ecken lediglich eine Sprint-Funktion vermisst, doch lässt sich die maximale Laufgeschwindigkeit in den Optionen regeln. Außerdem kann man mit dem Steuerkreuz zumindest schnelle 180°-Drehungen durchführen und auch ein effektiver Nahangriff ist möglich, indem man die Remote wie ein Messer nach vorne rammt. Auch der Waffenwechsel geht über das Steuerkreuz leicht von der Hand - allerdings trägt man maximal ohnehin nur zwei Ballermänner mit sich herum und darf sie jederzeit bei besiegten Gegnern tauschen. Während das Standard-Arsenal der Menschen lediglich normale Pistolen, Shotguns oder Maschinengewehre umfasst, warten später noch futuristische Prototypen und natürlich die ansprechend designten Alien-Kreationen auf ihren tödlichen Einsatz. Daneben finden sich auch diverse Granaten in der Auswahl, die mit einer entsprechenden Bewegung des Nunchuk geworfen werden. Nachgeladen wird über die Minus-Taste, während man mit der Plus-Taste zum allsehenden Auge wechselt. Frische Munition gibt es entweder bei Gegnern oder an Vorratskisten. Auch Heilpakete finden sich der Umgebung, wobei sie sich teilweise unendlich oft benutzen lassen. Sobald man aber den Kampfanzug sein Eigen nennt, der später auch um Funktionen wie besseres Springen erweitert wird, wird aber auch ein automatisch regenerierendes Heilsystem angeboten. Ein Fernglas findet sich ebenfalls im Equipment, das bei Sniper-Waffen durch ein Zielrohr ersetzt wird. Da der Hintergrund aber meist unscharf dargestellt wird und man nicht zusätzlich manuell heraus- oder reinzoomen kann, hält sich der Anwendungsbereich in Grenzen. Trotzdem gibt es an der Mechanik insgesamt nicht viel zu meckern. Aber was nützt die beste Steuerung, wenn das Drumherum gestrickte Spiel eine einzige Katastrophe ist?

Die Rettung: Der Mehrspielermodus

Dass The Conduit nicht im tiefen Wertungskeller eingemauert und vergessen wird, verdankt es einzig und allein dem herausragenden Mehrspieler-Modus, der neue Maßstäbe auf Wii setzt. Erstmals dürfen sich die maximal zwölf Teilnehmer beim (Team-)Deathmatch oder der Eroberung nicht nur gegenseitig mit Kugeln und Strahlenkanonen einheizen, sondern sich dabei dank WiiSpeak sogar miteinander unterhalten. Was auf der 360, PS3 und dem PC zum Standard gehört, ist auf Wii leider immer noch die Ausnahme, doch vielleicht trägt The Conduit dazu bei, dass es auch hier

Der Mehrspielermodus kann überzeugen und punktet mit lagfreier Darstellung, vielen Optionen und WiiSpeak-Unterstützung.
endlich die Regel wird. Doch damit nicht genug: Hier findet man sogar ein Rangsystem und den Versuch, durch Matchmaking ebenbürtige Spieler zusammen zu würfeln. Die traditionellen Online-Lobbys gibt es hier allerdings nicht. Stattdessen wird man ähnlich Mario Kart automatisch eingeteilt, während Karte und Waffenarsenal durch eine Abstimmung der Teilnehmer entschieden werden. Das gilt auch für den Spielmodus, denn neben dem klassischen "Jeder gegen jeden" und Team-Deathmatch hat The Conduit noch sehr viel mehr zu bieten. So jagt man beim chaotischen "ASA-Rugby" dem Spieler hinterher, der momentan das allsehende Auge in den Händen hält und sich folglich nicht wehren kann - dazu verrät aber ein Radar seine aktuelle Position. Auch für eine Variation von Capture the Flag muss das Gadget herhalten, während man bei "Kopfgeldjäger" bestimmte Ziele erfüllen muss, um Punkte zu sammeln. Daneben stehen auch Ausscheidungsspiele zur Auswahl, bei denen die Teilnehmer maximal nur drei oder zehn Respawns zur Verfügung haben. Wer sich lieber mit Freunden misst anstatt wahllos in Online-Sessions geworfen zu werden, hat auch die Möglichkeit, ein privates Spiel anzulegen, an dem nur Spieler auf der eigenen Freundesliste (mit Wii-Codes) teilnehmen können. Allerdings gilt auch hier die Regel, dass Bewaffnung, Modus und eine der insgesamt sieben Karten per Abstimmung festgelegt wird, doch kommt man unter Freunden sicher besser auf einen gemeinsamen Nenner als mit Fremden. Die Performance ist hervorragend: Selbst mit der maximalen Spielerzahl war der Spielablauf erstaunlich flüssig - störende Lags traten nicht auf. Gut, die Kulissen sehen auch im Mehrspieler-Modus schwach aus und stammen überwiegend direkt aus der Kampagne, aber trotzdem gebührt den Entwicklern aufgrund des stabilen Netzcodes und der gelungenen Auswahl an Modi Lob. Schade ist nur, dass man nicht auch an solche Leute gedacht hat, die sich auch gerne im Splitscreen gegenseitig die Hölle heiß machen.    

Fazit

Wie viele andere hatte auch ich die Hoffnung, dass aus The Conduit etwas werden könnte! Nach dem ersten Anspielen war ich recht angetan, doch wie sich jetzt im Nachhinein heraus stellte, war Sega clever und wählte zur Demonstration einen der wenigen gelungenen Abschnitte aus, der zwar schon den etwas nervigen Einsatz des allsehenden Auges, nicht aber das grausige Leveldesign erahnen ließ, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Kampagne zieht. Diesbezüglich zählt dieses Machwerk für mich neben der schwachen Inszenierung und Präsentation inhaltlich zu einem der schlechtesten Shooter, die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Dazu kommen eine teils unterirdische KI, sinnfreie sowie unfaire Checkpunkte und eine oft fehlerhafte Kollisionsabfrage, durch die Gegner durch Wände hindurch ploppen. Insgesamt ist The Conduit ein Paradebeispiel dafür, was man beim Spieldesign alles falsch machen kann - angefangen bei der Levelstruktur über die Kulissen bis hin zur dürftigen Klangkulisse. Da nützt auch die vorbildliche Steuerung mit ihren vielen Einstellungsoptionen nichts, wenn der Rest nicht stimmt! Doch zum Glück findet sich neben der grausigen Kampagne auch noch der Mehrspielermodus auf der Disk, der zwar grafisch nicht besser aussieht, aber dank des prima Netzcodes, WiiSpeak-Unterstützung und vielen Optionen für großen Spielspaß über Nintendos WiFi-Service sorgt. Wer sich also vorwiegend in Onlineschlachten stürzen will, bekommt mit The Conduit einen der besten Shooter-Vertreter für seine Konsole. Doch wer auf einen epischen Action-Hit mit einer spannend inszenierten Geschichte und abwechslungsreichen Schauplätzen gehofft hat, wird wie ich eine der bisher größten Enttäuschungen des Jahres erleben.

Zum Video-Fazit

Pro

vorbildliche Steuerung
halbwegs gute (englische) Sprecher
überwiegend lagfreie Online-Matches
WiiSpeak-Unterstützung
viele Mehrspieler-Modi

Kontra

sich ständig wiederholende Levelabschnitte
krasse KI-Aussetzer
stark schwankender Schwierigkeitsgrad
furchtbarer Soundtrack
amateurhafte Soundeffekt-Abmischung
nervige ASA-Benutzung
z.T. miese Rücksetzpunkte
steife Animationen
grausiges Leveldesign
Clippingfehler
z.T. fragwürdige Kollisionsabfrage
praktisch keinerlei Physik-Spielereien
sterile Kulissen
öde Inszenierung
keine Splitscreen-Ballereien für lokale Sessions
keine sehenswerten Lichteffekte
Gegner-Respawns

Wertung

Wii

Trotz vorbildlicher Steuerung und tollem Mehrspielermodus ist The Conduit mit seinem grausigen Leveldesign, den KI- und Technikmacken beim Solo-Einsatz zum Scheitern verurteilt!

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