Im Test:
Der strategische Ansatz
Was ist das Besondere an diesem Spiel? Die innovative Steuerung, die jederzeit manuelle Eingriffe in Laufwege ermöglicht: Man zeigt mit der Remote auf einen Spieler, hält den A-Knopf gedrückt und zieht einen Pfeil oder klickt einfach in den freien Raum - schon spurtet die Figur dorthin. Und diese Befehle lassen sich auch mehrmals hintereinander geben. Das heißt, dass man auch zwei, drei Stürmer manuell in unterschiedliche Richtungen schicken kann, um die Verteidiger zu verwirren; übrigens auch bei Ecken, so dass schon vor der Ausführung eine Dynamik in den Strafraum kommt. Man kann also mit Übersicht sehr viel eigene Strategie ins Spiel bringen, die sonst von vorgegebenen Systemen wie "Offensives 4-3-3 mit Flügelfokus" bestimmt wird. Wohin sollen sie laufen? Ihr bestimmt per Remote und Klick, wer sich wohin begibt und wo die Bälle landen.
Der erste kleine Nachteil dieser manuellen Eingriffe liegt darin, dass bei einem Spiel gegen einen Freund gleich zwei große Fadenkreuze ständig über den Bildschirm huschen und damit die Übersicht beeinträchtigen - schade, dass man diese nicht auf ein Minimum verkleinern kann. Der zweite kleine Nachteil liegt darin, dass ich auch noch sehen kann, was mein Kontrahent plant: Der Torwart visiert bei einem Abstoß mit dem Fadenkreuz den Innenverteidiger an? Ha! Dann hetzte ich dem gleich zwei Stürmer auf den Pelz, um ihn direkt nach der Ballannahme zu stören! Aufgrund der leicht verzögerten Passmechanik kommt es gerade in Online-Matches zu diesem nervigen Antizipieren.
Der Blick auf den freien Mann
Aber das sind Situationen, die man umgehen kann und die den Unterhaltungswert dieses strategischen Fußballs nur minimal beeinträchtigen, da man sich auch an die Pfeile und Fadenkreuze gewöhnt, zumal man auch geschickt über das Anvisieren täuschen kann. Und gerade diese Zeige-Elemente sorgen ja dafür, dass man sich nicht wie bisher auf die KI verlassen muss,
sondern in jeder Situation eingreifen und handeln kann - fast so, als würde jeder Reinruf des Trainers von der Außenlinie umgehend befolgt. Und diese Freiheit im Handeln, die sich nicht nur auf den Ball führenden, sondern auf jeden Spieler bezieht, ist etwas erfrischend Neues. In den Trainingsabschnitten wird alles akribisch erklärt - vom einfachen Pass bis zum Doppelpass. Es gibt nur ein, zwei ärgerliche Missverständnisse in den Erklärungen sowie schlechte deutsche Texte.
Hinzu kommt ein intelligentes Pass-System, das mir das Anvisieren eines Punktes im freien Raum erlaubt, zu dem dann automatisch der in der Nähe befindliche Spieler läuft. Sprich: Ich ziele mit der Remote auf einen Punkt nahe der Außenlinie, drücke den B-Knopf, damit der Pass nach vorne geschlagen wird und gleichzeitig bewegt sich der Flügelflitzer dorthin, um den Ball anzunehmen - will ich einen hohen Ball spielen, klicke ich zwei mal den B-Knopf; sehr schön! Und diese grundlegenden Elemente in der Offensive funktionieren genau so klasse wie die Gegenmaßnahmen in der Defensive: Man kann diesen oder auch mehrere Stürmer als Verteidiger mit der Remote anvisieren und so in Deckung oder Pressing nehmen.
Verfeinerung der Innovation
Mit dieser Spielmechanik hat Konami bereits in Pro Evolution Soccer 2008 auf Wii für ein erfrischend anderes Fußballerlebnis gesorgt. Was ist dieses Jahr also anders? Und hat man die Schwächen der Premiere ausgemerzt? Mal abgesehen davon, dass die Japaner den Umfang stattlich vergrößert haben, indem sie nicht nur den Editor (inkl. Erstellung, Namen, Embleme etc.) sowie das Training erweitert, sondern die Champions League samt offizieller Lizenz sowie die große Meisterliga (inkl. Spieler-Entwicklung, Verhandlungen, Popularität) integriert haben, fallen zwei Änderungen in der Spielmechanik ins Auge: Zum einen die neue Alternative, einen gezielten Schuss per Remote auf das Tor abzugeben. Zum anderen die neue Möglichkeit, seine Verteidiger vor den Mann zu schieben, um Pässe abzufangen. Die deutsche Bundesliga fehlt zwar, aber dafür ist auch die Champions League dabei. Nimmt man Pokale, Turniere, Champions Road und Meisterliga hinzu, erreicht der Umfang eine stattliche Größe.
Die Frage ist, ob Ersteres für mehr Präzision in der Offensive sorgt? Bisher konnte man ja nur schießen, indem man das Nunchuk schüttelte - der Stürmer hat dann relativ zu seinem Laufweg und seiner Technik den Ball auf den Kasten gejagt oder eben geköpft. Aber man konnte so nicht auf einen bestimmten Bereich des Tores zielen. Jetzt kann man die Remote auf einen Punkt des Kastens halten und per Druck auf den B-Knopf abschließen - man kann sie auch schnell auf und ab bewegen, um den Ball anzuheben oder seitlich schütteln, um ihn Volley zu nehmen. Das ist theoretisch eine Bereicherung, aber in der Praxis ist diese Alternative einfach nicht effizient genug.
Mehr Präzision in der Offensive?
Aber zurück zum freien Schuss, zurück zum eigentlichen Knackpunkt an dieser im Ansatz guten Neuerung: Die Schussausführung über den B-Knopf sorgt für Verwirrung, denn dieser Knopf ist ja auch für den Pass zuständig - leider kommt es da zu Überschneidungen. Ich laufe also auf das Tor zu, will eigentlich die rechte untere Ecke anvisieren und mit B-Druck voll abziehen, aber stattdessen wird aus dem Schuss ein flacher Pass und der Stürmer neben mir nimmt plötzlich einen
Auch bei Freistößen wirkt sich das neue Konzept aus: Ihr habt die freie Wahl, welche Ecke der Ball erreichen soll - und auch der Torwart kann sich auf eine Ecke konzentrieren. |
Doppelpässe: Intuitiv ist anders
Eine weitere Neuerung in der Offensive ist die Give-and-go- sowie Doppelpass-Mechanik - und die sind beide trotz akribischer Trainingsmöglichkeiten gewöhnungsbedürftig. Fußball muss gerade in diesem wichtigen Bereich intuitiv und flüssig ablaufen, wenn es im Strafraum zum Ausspielen oder auf engem Raum zu öffnenden Kurzpässen kommen soll. Aber hier verlangt Konami zu viel des Guten an Knopfkombinationen, zumal man das Zug-Dribbeln zur Voraussetzung für den Doppelpass macht - sprich: Ich muss ersten einen Spieler mit gedrückter A-Taste per Remote in eine Richtung bewegen, dabei die Z-Taste gedrückt halten und in dem Moment, in dem ich einen Doppelpass einleiten will, die B-Taste drücken. Warum kann ich das nicht auch aus dem Stand oder ruhiger Bewegung heraus?
Ja, das kann man trotzdem konzentriert ausführen. Und ja, das ist auf den ersten Blick nicht viel, was man sich da merken muss, aber auf dem Platz versemmelt man das in hektischen Situationen zu oft und es kommt zu selten zu den öffnenden Situationen, die man sich von einem Doppelpass erhofft; also lässt man ihn genau so weg wie viele andere kleine Feinheiten, die einfach im überfrachteten Mikromanagement zwischen Remote-Zug, Z-Knopf-Halten und Nunchuk-Gefuchtel untergehen - egal ob das Durchlassen des Balles, Matthews-Finte, Heber, Hackentrick, das Passen&Laufen oder das Antäuschen eines Schusses. Einerseits ist es gut, dass Konami alle Finessen der großen Vorbilder einbaut, andererseits kann man vieles gar nicht umsetzen, weil man schon mit dem Pfeileziehen und der Planung der nächsten Schritte zu tun hat. Viel hat sich an der Kulisse nicht getan, aber es gibt hier und da wenigstens kleine Verbesserungen. Schön ist auch, dass der Netzcode relativ stabil ist und es online mehr Komfort gibt.
Übersichtliche Strategie und technisches Kleinklein vertragen sich scheinbar nicht so gut. Umso löblicher ist es, dass Konami allen Einsteigern ein überaus ausführliches Training aller Situationen anbietet - allerdings nur für die Variante mit Nunchuk und Remote, nicht für die Classic- oder reine Remote-Steuerung: Man bekommt hier nicht nur erläuternde Texte und animierte Schaubilder, sondern kann alles vom einfachen Dribbling oder Schuss bis zum Doppelpass aktiv nachspielen, um es zu verinnerlichen. Und natürlich gibt es auch wieder ein freies Training oder Ecken- und Elfmeterübungen. Die deutschen Texte sind übrigens nicht nur oftmals undeutlich übersetzt, sondern auch stümperhaft formuliert oder einfach fehlerhaft. Selbst im Online-Menü begrüßt einen zuerst die "Freudesliste". Hallo Konami? Bitte wechselt mal das Übersetzerteam!
Mehr Effizienz in der Verteidigung?
Auch in der Verteidigung hat sich etwas getan, die ja im Vorgänger noch etwas schwachbrüstig war. Neu ist z.B. das manuelle Antizipieren: Wenn man einen Gegenspieler normal in Deckung nimmt, indem man ihn mit der Remote anklickt, dann bleibt der Verteidiger zwar in seiner Nähe, aber in der Regel hinter dem Mann. Jetzt kann man allerdings das Steuerkreuz drücken und der Verteidiger schiebt sich dann vor den Mann - so schirmt er den Raum ab. Wenn man das mit seiner kompletten Viererkette macht, kann sie sehr effizient Bälle abfangen. Welche Steuerungsvariante darf es sein? Vorne links ist die intuitive neue Art zu sehen, man kann aber auch klassischer spielen.
Der Vorteil liegt nicht nur darin, dass man den Pass jetzt besser abfangen kann, sondern auch darin, dass man auf diese Weise auch manuell Abseits auslösen kann - das geht übrigens auch einfacher und fehlerfreier über das Schütteln der Remote, wenn der Gegner naht. Im Gegensatz zu anderen Fußballspielen gilt also auch hier, dass man direkt eingreifen kann - und das motiviert. Hinzu kommt ein direkteres Pressing über die Z-Taste, das deutlich effizienter ist als im Vorgänger: Wenn man jemanden in der Deckung hat, kann man ihn über das Halten der Taste sehr schnell in Bedrängnis bringen.
Die all zu leichten Flügelläufe
Allerdings hat das System der Tacklings und des Pressings einen Nachteil: Es funktioniert gut, wenn der Gegner den Ball gerade annimmt oder zu dribbeln beginnt, aber es ist zu schwach, wenn der Gegner erstmal im vollen Lauf über den Flügel rennt. Wir haben viele Spiele erlebt, sowohl online als auch offline, in denen man auf diese einfache Art und Weise außen entlang spurtet, dann diagonal in den Strafraum zieht und abschließt - hat ein Stürmer erst mal Fahrt aufgenommen, können ihn die Verteidiger kaum stoppen. Hier kann man leider im Gegensatz zu den großen Fußballspielen zu wenig mit Körpereinsatz wegdrängen oder Bälle gezielt stibitzen, stattdessen bleiben sie zu sicher beim Stürmer, was zu einseitigen Spielzügen führt. Inter Mailand tritt mit allen Stars auf und die Champions League feiert ihre Wii-Premiere.
Apropos online: Unsere Testspiele liefen bis auf ein paar Lags, die den Ball für eine Sekunde verschwinden ließen, überaus flüssig - zumal man als Suchpriorität die Qualität der Netzwerkverbindung angeben kann. Man kann reine Zufalls-, Freundschafts- oder Ranglistenspiele ausführen, kann sich Freundes- und auch Rivalenlisten zulegen. Letztere speichert die Ergebnisse gegen einen bestimmten Spieler, so dass man sich immer wieder treffen und für seine Statistik spielen kann; ideal für Freunde, die oft gegeneinander antreten. Schön ist auch, dass es eine Downloadoption für kommende Updates gibt und dass man unliebsame Spieler auf eine schwarze Liste setzen kann. Übrigens können keine freien Online-Matches zwischen Leuten ausgetragen werden, die auf der einen Seite 60Hz oder 480p eingestellt haben und auf der anderen 50Hz - lediglich Freunde können mit unterschiedlichen TV-Einstellungen gegeneinander spielen.
Playmaker- oder traditioneller Stil?
Konami unterstützt mehrere Steuerungsvarianten, so dass man nicht nur im oben besprochenen Playmaker-Stil, sondern auch alleine mit dem Classic-Controller oder der quergelegten Remote im traditionellen Stil kicken kann - also so wie auf der PS2, der PS3 oder der 360. Diese
Messi bewirbt kooperative Spielmöglichkeiten: Veteranen und Einsteiger können in einem Team mit zwei Steuerungen kicken: Playmaker- und traitioneller Stil. |
Ein ärgerlicher Wermustropfen liegt auch darin, dass man nicht mit zwei unterschiedlichen Steuerungen gegeneinander antreten kann: Der eine kann zwar mit der Remote und der andere mit dem Classic-Controller spielen, aber damit wenden beide dieselbe traditionelle Steuerung an. Es ist aber nicht möglich, dass der eine im Playmaker-Stil (also inklusive all der neuen Pfeil- und Zeigemöglichkeiten) und der andere im traditionellen Stil (also ohne all die neuen Pfeil- und Zeigemöglichkeiten) zockt - das ist schade, denn nur so hätte es zu einem interessanten Duell zwischen Alt und Neu kommen können.
Im gemeinsamen Stil wiederum kommen beide Steuerungsvarianten zum Einsatz - sowohl die Nunchuk/Remote als auch die Classic Controller/Remote-Variante. Und das kooperative Spiel verbindet beide: Der eine steuert mit Remote und Nunchuk auf die neue Art und Weise, quasi als Regisseur des Ganzen neun Spieler inklusive Torwart, während der andere mit dem Classic-Controller jeweils zwei feste Spieler übernimmt, einen aus der Abwehr und einen aus dem Sturm - seltsamer Weise hat man sich das Mittelfeld gespart. So können erfahrene Spieler die komplexere Pfeilsteuerung übernehmen und Einsteiger können sich auf zwei feste Positionen konzentrieren. Das ist als kooperative Teamplay-Variante für zwischendurch sehr unterhaltsam, zumal theoretisch bis zu acht menschliche Spieler teilnehmen können. Allerdings muss man dann auch zwei Wiis verbinden; mit einer Konsole liegt das Maximum bei vier menschlichen Spielern.
Fazit
Es gibt derzeit kein besseres Fußballspiel für Wii - und Pro Evolution Soccer 2009 erreicht sogar die höchste Wertung, die wir bisher im Jahr 2009 für Nintendos Konsole vergeben haben! Trotzdem verpassen die Japaner den Gold-Award, weil die Steuerungszusätze nicht effizient genug sind - man könnte auch von einer gut gemeinten Verschlimmbesserung sprechen. Man braucht für diesen anspruchsvollen Kick samt Echtzeiteingriffen in die Laufwege ohnehin mehr Zeit, weil die Hand-Auge-Koordination hier viel stärker gefordert wird als mit einem Gamepad; das führt auch dazu, dass einige Finessen auf der Strecke bleiben. Das Spielgefühl ist deshalb eher anstrengend, konzentriert und weniger euphorisch als auf den großen Konsolen, weil es an eindeutigen und klaren Manövern fehlt. Trotzdem ist es lobenswert, dass Konami der innovativen Steuerung treu bleibt und diese vor allem in der Defensive um das Vor-den-Mann-Laufen verfeinert. Schade ist nur, dass man trotzdem eher das Gefühl von schleichender Stagnation als spürbarer Verbesserung hat - dieses Spiel ist qualitativ kein großer Schritt nach vorne im Vergleich zum Vorgänger. Denn trotz der neuen Schussvariante spürt man unterm Strich immer noch keine verbesserte Präzision im Abschluss, manchmal wird zudem gepasst anstatt geschossen, die Doppelpässe bleiben im Ansatz hängen und schnelle Flügelflitzer kommen vor allem gegen schwere KI-Gegner sowie in Online-Partien aufgrund des schwachen Pressings viel zu leicht durch, was zu vielen gleichen Toren führt - ich vermisse auch die mittlere Schussdistanz als Alternative für den Torerfolg. Dass man spielerisch auf der Stelle tritt ist ernüchternd, dass man grafisch keine großen Sprünge macht, war jedoch nicht anders zu erwarten. Immerhin wurde die Champions Road grafisch und inhaltlich aufgepeppt, der Umfang mit der Meisterliga sowie der Champions League deutlich erweitert, der Editor endlich praxistauglich gemacht und der Online-Modus mit Rivalenliste & Co attraktiver gestaltet. Außerdem macht das kooperative Spiel richtig Laune. Wer anspruchsvollen Fußball mit einem Hauch manueller Strategie sucht, wird hier also immer noch richtig gut und lange unterhalten.
Pro
Kontra
Wertung
Wii
Auch wenn es Schwächen im Detail gibt: Das ist das beste Fußballspiel für Wii - und man kann online kicken!
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