RTL Biathlon 200909.01.2009, Benjamin Schmädig
RTL Biathlon 2009

Im Test:

Mit Winter Sports wagten sich RTL und 49Games im vergangenen Winter zum ersten Mal an Nintendos Fuchtel-Plattform - das ältere Biathlon ging auf Wii aber vorerst leer aus. In diesem Jahr komplettiert RTL allerdings sein Konsolen-Repertoire. Fans des Skilanglaufs dürfen somit erstmals ihre Stöcke gegen Remote und Nunchuk tauschen, um auf 20 verschneiten Loipen anzutreten. Aber wollen die Entwickler den Sport überhaupt realitätsnah umsetzen? Die Möglichkeiten dazu haben sie...

In Krieg und Frieden

Im Biathlon werden zwei Sportarten vereint, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben: Der Kräfte zehrende Skilanglauf und das Sportschießen, bei dem es auf ruhige Atmung sowie eine sichere Hand ankommt. Doch die Verbindung der beiden Disziplinen liegt tatsächlich nahe. Schließlich konnten die Menschen in den Wintern vor mehreren tausend Jahren auf Skiern besser auf die Jagd gehen. Auch im Kriegsfall

Moderne Jäger: Das Schießen im Biathlon ist aus der Jagd hervorgegangen.
kamen Schneegleiter und Büchse zum Einsatz - bis sich Biathlon schließlich zum Militärsport entwickelte und irgendwann auch zur Frieden stiftenden Olympiade zugelassen wurde. Aber Geschichte hin oder her. Heute steht Biathlon vor allem für spannende Wettläufe, in denen nicht nur Schnelligkeit, sondern auch das Geschick am Schießstand ein Rennen entscheiden kann. Wie fängt RTL Biathlon 2009 (ab 2,06€ bei kaufen) diesen packenden Wettbewerb spielerisch ein?

Eine realistische Simulation schwebte den Entwicklern dabei nicht vor - dazu fehlen dem Spiel bis auf zwei Hand voll Ausnahmen die großen Namen und die Steuerung gibt das Erlebnis "Ski fahren" nur in Ansätzen wieder. Immerhin stimmt die winterliche Atmosphäre, so lange ihr das Düdeln abschaltet,  das früher mal Rock-Musik werden wollte. Dafür feuern euch die Tröten und Rasseln der Zuschauer an und die Schauplätze vermitteln die wohlige Gemütlichkeit eines Fernsehabends mit Wintersport-Programm. Die Umgebung wirkt zwar übermäßig farbenfroh, während ihr von den Klon-Bäumen aus jeder Perspektive stets nur eine Seite zu Gesicht bekommt und auch schneien will es nie - aber die Kulissen erfüllen ihren Zweck. Wahlweise erlebt ihr eure Biathlon-Karriere übrigens aus einer von zwei Schulterkameras oder in der Ego-Perspektive. Weil euer Alter Ego aber wegen der empfindlichen Steuerung jede noch so kleine Richtungseingabe umgehend den Kopf bewegt, ist Letztere nicht zu empfehlen.

Geklonte Sportsmänner

Bevor eure Laufbahn startet, für die ihr übrigens frei entscheiden dürft, an welchen Rennen ihr teilnehmt, startet, müsst ihr einen männlichen oder weiblichen Sportler anlegen. Dessen Werte für Geschwindigkeit, Kraft, Ausdauer und Technik steigert ihr später zwischen den Rennen. Bessert die Charakteristiken sinnvoll auf, denn einem schnellen Techniker könnte am Berg und auf langen Strecken schnell die Luft ausgehen!

Am Berg gilt: Vorsichtig "Gas geben", um die Kraftreserven nicht zu erschöpfen.
Das Aufwerten des Alter Egos spornt an und sorgt trotz der überschaubaren Möglichkeiten für ausreichend Entwicklungs-Freiheit. Zumal ihr eurem Sportler auch Spezialfähigkeiten zuweisen dürft: Dann sprintet er ohne Kraftverlust, hat eine ruhigere Hand beim Schießen, nimmt eine Steigung besonders schnell oder gewinnt einen Teil seiner Kraft zurück. Allerdings wirken sich diese Fähigkeiten nicht auf die generelle Leistung der Athleten aus, sondern können jeweils nur für kurze Zeit aktiviert werden. Danach stehen sie erst im nächsten Lauf wieder zur Verfügung. Letztlich wirken sie damit aufgesetzt; ihr praktischer Nutzen geht sogar gegen Null.

Ähnlich banal gelingt 49Games die äußerliche Charaktererstellung, denn ihr verpasst eurem Männ- oder Weiblein gerade mal eins der vorgegebenen, detailarmen Gesichter und entscheidet euch für einen ebenso vorbestimmten Anzug. Später bekommt ihr die Biathleten nur noch zur Zieldurchfahrt zu Gesicht - Siegerehrung oder wenigstens ein schön gezeichnetes Bild der Medaillenübergabe gibt es selbst beim erfolgreichen Abschluss einer ganzen Tour nicht. Niemand wird sich hier mit seinem Alter Ego identifizieren, das nur einer unter den vielen Klonsportlern ist. Entsprechend nüchtern begleitet auch der Moderator die Rennen: Sein Kommentar berichtet zwar grob von Siegchancen oder schlechten Zeiten oder weist auf kommende Checkpunkte hin, weiß aber nichts Spannendes oder Unterhaltsames zu berichten.       

Kondition und Köpfchen

Im Gegenzug überzeugt 49Games wie gewohnt mit einer durchdachten Steuerung, die sich auf der einen Seite gut anfühlt und auf der anderen Seite die abwechslungsreichen Herausforderungen des Biathlons nachahmt. So geht ihr beim Start in die Hocke, indem ihr die Tasten Z und B haltet, um sie im richtigen Moment für einen perfekten Start loszulassen. Für einen kurzen Sprint, drückt ihr A und schwenkt Remote und Nunchuck abwechselnd  nach vorn. So funktioniert auch der normale Lauf, nur dass ihr den überwiegenden Teil des Rennens aufpassen müsst, in welchem

Dank der übersichtlichen Anzeige habt ihr stets das gesamte Geschehen im Blick.
Rhythmus ihr die Controller schwenkt: Seid ihr zu langsam, verliert euer Athlet an Fahrt, im umgekehrten Fall zehrt er von seinen begrenzten Kraftreserven. Der optimale Einsatz variiert dabei je nach Steigung des Geländes, so dass ihr gerade an starkem Gefälle eure Schwunganzeige genau im Blick halten müsst. Anders als im vergangenen Jahr auf PC und PS2 befindet sich diese neben eurem Sportler in der Mitte des Blickfelds - so könnt ihr endlich geradeaus schauen, während ihr über den Schnee gleitet. Apropos Gleiten: Geht es steil bergab, solltet ihr in die Hocke gehen, da ihr im normalen Lauf Zeit verliert. Und während des Schießens (zweimal pro Kurs) zielt ihr natürlich per Remote auf den Bildschirm, das Nachladen erfolgt per Analogstick.

Auf diese Weise werdet ihr zwar nicht sportlich gefordert, wie man vielleicht auf Wii erwarten könnte, müsst aber stets euer Timing kontrollieren und zusehen, dass ihr eure Kondition sinnvoll einteilt. Zwei der wichtigsten Aspekte - Motivation in der Karriere und die Steuerung - hat 49Games somit überzeugend im Griff. Schade allerdings, dass die gelungene, aber unrealistische Wii-Steuerung nicht das tatsächliche Abstoßen mit den Stöcken widerspiegelt. Schöner wäre es, wenn die Arme des Alter Egos die Bewegungen mit Remote und Nunchuk nachempfinden würden. Auch die Richtungsänderung über das gleichzeitige Neigen beider Controller geht zwar auf, hat mit Skilauf aber wenig zu tun. Das Spiel reagiert außerdem zu empfindlich auf die entsprechenden Eingaben, so dass ihr schon mal an die Streckenbegrenzung abdriftet, wo euch noch dazu eine nicht nachvollziehbare Kollisionsabfrage erwartet. Die sorgt dafür, dass manche Verlangsamung ohne sichtbaren Kontakt hervorgerufen wird - die Athleten werden überdeutlich von einer unsichtbaren Wand wieder in Laufrichtung gedreht, was sie einen Teil ihrer Geschwindigkeit kostet. Ähnlich ärgerlich, weil völlig unglaubwürdig, reagieren die Kontrahenten: Fahrt ihr einem zu dicht auf, rutscht der wie von Geisterhand zur Seite, ohne dass einer von euch nennenswert an Schwung verlieren würde. Das lässt die fahrenden Slalomstangen noch blasser wirken als sie es ohnehin schon sind.

Mehr Masse als Klasse

Besonders auffällig unauffällig verhalten sich die Klone beim Massenstart, denn ihr schiebt euch einfach buchstäblich durch das komplette Feld bis an die Spitze. Zum Glück ist dies nur eine von vier Wettkampfarten, auch wenn sich die Einzelläufe gegen die Zeit naturgemäß kaum vom Massenstart unterscheiden. An eurer Taktik ändern die Bedingungen am Start jedenfalls nichts. 

Vor allem beim Massenstart machen die Klongegner keine gute Figur.
Umdenken müsst ihr nur, falls ihr das Lenken über Remote und Nunchuk gegen die Gewichtsverlagerung auf Nintendos Balance-Brettchen tauscht. Das wird euch nämlich von der überempfindlichen Lenkung unnötig kompliziert gemacht wird. Abgesehen davon fühlt sich das Balancieren nicht real genug an - im Endeffekt hinterlässt das Neigen der zwei gewohnten Controller den harmonischeren Eindruck.

Eine nette Dreingabe ist hingegen das Schießen per Wii Zapper. Dafür benötigt ihr zwar eine zusätzliche Remote sowie ein weiteres Nunchuk, habt dann aber ein "echtes" Gewehr in der Hand. Selbstverständlich dürft ihr auch auf dem herkömmlichen Weg mit eurer Remote zielen. Ärgerlich nur, dass in beiden Fällen mitunter die Kraftanzeige (zeigt hier die Luftreserven an) direkt vor dem Ziel eingeblendet wird. Das verhindert zwar selten einen Treffer; man hätte es aber eleganter lösen können. Ebenso einfach wäre es wohl gewesen, dass sich ein Entfernen von der Ideallinie spürbar auf den Schwung auswirkt. Doch davon ist nichts zu bemerken. Und auch einen Online-Modus für Mehrspieler-Athleten sollte ein modernes Sportspiel beherrschen. Immerhin können bis zu vier Biathlon-Fuchtler vor einer Konsole ihr Können messen, wobei nur ein Duo gleichzeitig im Splitscreen gegeneinander antreten darf. Beim Massenstart fällt dann allerdings die Masse weg. Sprich: Biathlon 2009 schafft es nicht, zwei Spieler und die vom Programm gesteuerten Gegner darzustellen.     

Fazit

Eine eingängige und fordernde Steuerung, die einfache, aber motivierende Charakterentwicklung sowie das technisch simple, aber atmosphärisch gelungene Wintersport-Ambiente: Der Abstecher auf die Loipe könnte einen Blick wert sein, wenn euch der vergleichsweise monotone Ablauf eines Ski-Langlaufs nichts ausmacht. Immerhin bietet das Spiel eine motivierende Herausforderung, weil es stets das richtige Timing und ein wenig taktisches Verständnis fordert. Auf Dauer bleibt RTL Biathlon 2009 allerdings blass und oberflächlich, da sich sämtliche Aspekte schnell abnutzen. Die Gegner sind z.B. kaum als solche zu bezeichnen, die Darstellung wirkt veraltet, der Kommentator wortkarg, die Spezialfähigkeiten aufgesetzt - selbst die durchdachte Steuerung hat ihre Tücken. So reagiert die Lenkung zu sensibel, die Einbindung des Balance Boards ist allem Anschein nach kaum mehr als ein notwendiges Übel und in Anbetracht der Kollisionsabfrage legt sich die Stirn in Falten. Schade außerdem, dass die verlangten Eingaben mit Remote und Nunchuk keine realen Armbewegungen nachahmen, sondern im Grunde auch durch simples Knopfdrücken ersetzt werden können. Letztendlich hatte ich wegen des motivierenden Prinzips mehr Spaß mit der Wii-Premiere von Biathlon als mit RTL Winter Sports 2009 vom selben Entwickler. Fürs nächste Jahr hoffe ich allerdings, dass 49Games die sinnvollen Ansätze aus Biathlon und Winter Sports vertieft, damit die Spiele endlich einmal länger als nur wenige Stunden in das weiße Pulver locken.

Pro

gelungene Wintersport-Atmosphäre
unterstützt Balance Board und Zapper
unterschiedliche Wettkampfarten
verlangt gutes Timing und taktisches Feingefühl
motivierende Charakterentwicklung

Kontra

sehr empfindliche Richtungssteuerung
belanglose "Rock"-Musik
Remote/Nunchuk-Steuerung simuliert kein echtes Skifahren
Gegner wirken wie leblose Androiden
ungenaue Kollisionsabfrage
wirkt grafisch überholt
Ideallinie wirkt sich nicht auf Schwung aus
Kommentar gibt Rennverlauf nur ungenau wieder
Spezialfähigkeiten bringen wenig Vorteile
kein Online-Multiplayer

Wertung

Wii

Gelungener Wii-Einstieg für den Biathlon - der an vielen Ecken aber Wünsche offen lässt.

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