Marbles! Balance Challenge30.04.2009, Jan Wöbbeking
Marbles! Balance Challenge

Im Test:

Es rollen Köpfe in der 4Players-Redaktion! Schuld daran ist nicht die Finanzkrise, sondern Hudson. Zwei Jahre nach dem Vorgänger Kororinpa kullern seit heute wieder aufgeblasene Ferkel, kugelrunde Katzenschädel und andere zuckersüße japanische Monstrositäten über Schwindel erregende Labyrinthe. Diesmal bringt nicht Nintendo, sondern Konami das Spiel nach Deutschland und hat ihm einen weniger verwirrenden Namen verpasst: Marbles! Balance Challenge (ab 19,95€ bei kaufen).

Mehr von allem

Der neue Titel wirkt zwar nicht gerade kreativ, aber im Gegensatz zum Vorgänger sagt er genau das aus, was den Spieler erwartet: Ein ununterbrochener Balanceakt mit abstrusen Murmeln. Das Gehirn darf getrost auf Durchzug geschaltet werden, denn hier kommt es nur auf die Geschicklichkeit an. Auch das Wort "Challenge" passt, denn diesmal werden deutlich knackigere Kurse mitgeliefert. Natürlich deutet das Wort "Balance" auch auf die zusätzlichen Levels mit Balance-Board-Unterstützung hin. 

Nur keine Panik: Die Balance-Board-Kurse sind deutlich einfacher aufgebaut als die übrigen Levels.
Als die Entwickler vom reißenden Wii-Fit-Absatz erfuhren, haben sie die Veröffentlichung aufgeschoben und dem beinah fertigen Spiel noch ganze 100 auf das Fitness-Zubehör zugeschnittene Levels hinzugefügt. Doch auch für Sportmuffel profitieren vom gestiegenen Umfang: Zählt man die unterschiedlichen Ausbaustufen mit, warten ganze 200 Labyrinthe darauf, bezwungen zu werden.

Wie im Super Monkey Ball: Banana Blitz  bewege ich nicht die Kugel selbst, sondern den Untergrund hin und her. Das Prinzip funktioniert wie beim guten alten Holzlabyrinth. In Marbles! fummele ich jedoch nicht an zwei schnöden Drehknöpfen herum, sondern kippe den Boden elegant mit der Fernbedienung. Eine kleine Neigung nach rechts und schon setzt sich die fette Katzenkugel mit einem penetrant hohem Maunzen in Bewegung; sachte kullert sie die Steigung hinunter. Je stärker ich die Welt kippe, desto mehr Fahrt nimmt sie auf und desto schneller macht sie Bekantschaft mit allerlei Hindernissen, Löchern und Fallen.

Balance ist alles

Doch wenn ich die Fernbedienung geschickt zur Seite neige, weicht sie allen Gefahren aus und rollt sicher auf eine Murmelschiene, welche über den nächsten tödlichen Abgrund führt. Jetzt gilt es, Ruhe zu bewahren, denn nach ein paar einfach Kurven machen die beunruhigend dünnen Metalldrähte eine abenteuerliche Biegung um 90 Grad. Wenn ich nicht haargenau im richtigen Moment den Controller im rechten Winkel nach oben reiße und danach in dieser Stellung verharre, macht der fiepsende Katzenkopf den Abflug. 

Vorsicht, Wackelpartie: Die neuen Kanonen schießen die Murmel in die Neigungs-Richtung.
Tragisch ist das nicht, es geht schließlich sofort an einem der fair verteilten Checkpoints weiter. Für Highscorejäger ist der Absturz aber trotzdem ärgerlich - vor allem, weil sich die Ergebnisse neuerdings in weltweiten Leaderboards vergleichen lassen. Ein Mehrspieler oder gar ein Kooperativ-Modus über das Netz gibt es aber ebensowenig wie lustige Minispiele. Man darf sich lediglich in einem einfachen Splitscreen-Rennen mit bis zu drei Freunden auf sämtlichen freigeschalteten Kursen messen.

Mit der normalen Murmel ist man übrigens flotter unterwegs als mit den albernen Tier-Bällen. Im Gegenzug muss man allerdings auf nervtötendes Fiepsen und Grunzen verzichten. Im Laufe des Spiels füllt sich das Kugel-Repertoire mit einigen neuen Exemplaren, welche sich in den Kategorien Reaktionszeit, Geschwindigkeit, Haftung und Elastizität unterscheiden. Außerdem werden neue Levels und Kurse freigeschaltet. Der Ausflug führt über rutschige Eisflächen, gefähliche Feuerplatten, gleitende Plattformen aus Kirmes-Waffeln, sich schlängelnde Röhren und aberwitzig gebogene Schienenkonstruktionen.

Härter, schneller, kuller!

Der Schwierigkeitsgrad fällt deutlich abwechslungsreicher aus als im Vorgänger: Zu Beginn gibt es wieder entspannende Einstiegs-Levels, doch diesmal tauchen im späteren Spielverlauf auch knifflige Passagen auf. Bis sämtliche Kurse freigeschaltet sind, gehen einige Stunden ins Land. Zu Beginn ist Entspannung angesagt:

Hektisch: Im einzigen Mehrspielermodus kugeln bis zu vier Kontrahenten im Splitcreen um die Wette
Dank unendlich vieler Versuche darf man in aller Ruhe durch die Hindernisse hindurchkullern. Begabte Controller-Akrobaten dürfen natürlich auch von Beginn an versuchen, neue Rekorde aufzustellen.

Wenn man seine Kugel durch jede noch so kleine ausgeklügelte Abkürzung schnipst und eine neue Bestzeit einfährt, ist das mitunter fast so befriedigend wie in einem guten Arcade-Racer. Häufig muss man den Controller sogar komplett auf den Kopf stellen und die Kugel auf der Unterseite der Plattform balancieren. Oder man reißt ihn bei einem Absturz in einem Akt der Verzweiflung zur Seite und bugsiert die fallende Murmel doch noch zurück auf die rettende Plattform. All zu forsch darf man übrigens nicht abkürzen: Bevor man ins rettende Ziel rollt, müssen zunächst einmal sämtliche Edelsteine eingesammelt werden. Zusätzlich warten noch ein paar versteckte Exemplare auf ihren Entdecker.        

Fairplay

Mein empfindlicher Magen konnte sich dank der exakten Remote-Steuerung entspannen. Es hat sich beinahe nie Wut aufgestaut: Es tauchen zwar einige knifflige Stellen auf, aber ich hatte beinah immer das Gefühl absoluter Kontrolle. Nicht kontrollieren lässt sich dagegen die feste Kamera.

Hübsch hässlich: Statt 3D-Hintergründen haben die Entwickler unscharfes Bilder hinter die Parcours geklatscht.
Dieser Mangel an Einflussnahme wirkt sich allerdings kaum negativ auf den Spielfluss aus. Level-Architektur, welche die Sicht versperrt, wird einfach im richtigen Moment durchsichtig dargestellt.

Auch Kollege Mathias darf ruhig einmal Probe kugeln, denn Hudson hat seinen Wunsch erhört: Neuerdings darf man den Controller quer in die Hand nehmen, was die Steuerung noch ein ganzes Stück entspannter und präziser macht. Außerdem müssen Personen mit zittrigen Händen keine Angst mehr haben, dass unerwünschte Bewegungen ins Spiel übertragen werden. Nervöses Wackeln wird auch dadurch vermindert, dass Untergrund und Kugel ein wenig träger reagieren als in der Realität. Man muss den Boden also schon recht steil kippen, damit der Ball in Wallung kommt. Die Rolleigenschaften hängen natürlich auch von der gewählten Sorte der Kugel ab. Die höhere Trägheit wirkt zu Beginn ein wenig unrealistisch - doch spätestens in den knackigeren Labyrinthen beginnt man es zu schätzen, derart sachte und präzise dosieren zu können.

Zitterpartie

Durch die neue Steuerungs-Variante tritt allerdings ein weiteres Manko auf: Wenn die Fernbedienung stark gekippt wird, dreht sich mitunter die Kamera zur Seite weg. Sobald man die Macke kennt, kann man sie aber durch präzise Bewegungen in den Griff bekommen. Für Verwirrung sorgen zu Beginn auch die neuen Kanonen, welche die Kugel nach einer Sekunde wieder ausspucken. Doch wenn man auf die kleine Wasserwaage am rechten unteren Bildrand achtet, lässt sich die Welt auch in solchen Situationen passend ausrichten.

Nur nicht den Überblick verlieren: Die Wasserwaage unten rechts zeigt euch, ob das Level auf dem Kopf steht.
Eine weitere Neuerung ist der Level-Editor. Mit eingesammelten Schrott-Fragmenten lassen sich neue Bausteine für Eigenkreationen schmieden. Als Ergebnis kommen die gleichen Gegenstände aus der Maschine, auf die man auch in den mitgelieferten Levels trifft. Auch der Baukasten benötigt trotz des einfachen Aufbaus ein paar Minuten Eingewöhnungszeit. Dann lassen sich aber mit wenig Aufwand nette Kurse basteln, die sich per WiiConnect24 über das Internet mit Freunden tauschen lassen. Leider gibt es eine seltsame Einschränkung: Ein Level darf nur von vier Personen aus der Freundesliste herunter geladen werden.

Wer braucht schon Ameisen?

Es gibt übrigens auch eine kleine Hintergrundgeschichte rund um eine Ameise, welche ständig am Bildrand auf einem Zahnrad herumkrabbelt und grenzdebile Kommentare ablässt. Der Plot wirkt zwar reichlich belanglos und konstruiert, hält sich aber dezent im Hintergund. Viel negativer fällt die dürftige Technik auf: Im Vorgänger gab es immerhin noch kahle Polygon-Kulissen, doch diesmal haben die Entwickler schrecklich unscharfe 2D-Gemälde in den Hintergrund geklatscht. Bis auf Details wie kleine Rauchschwaden sind auch die Kurse keine Augenweide. Das Design passt zu den niedlichen Themenwelten, wirkt davon abgesehen aber schrecklich altbacken. Auch die erbarmunslos fröhlich vor sich hin klimpernden Musikstücke sind mir schon nach kurzer Zeit auf den Keks gegangen.      

Fazit

Es ist beinah so, als hätten die Entwickler meinen Test gelesen: Marbles! Balance Challenge macht fast alles besser, was im Vorgänger störte. Dank der Möglichkeit, die Fernbedienung quer zu halten, bietet das Spiel die präziseste und intuitivste Steuerung aller Wii-Kugelspiele. Außerdem gibt es deutlich mehr Levels und - was noch wichtiger ist - diesmal sind auch ein paar knifflige Exemplare darunter. Bevor sich das Spiel zum reinen Rennspiel für feinmotorische Highscore-Jäger verwandelt, haben auch Gelegenheits-Kugler jede Menge zu tun. Neben den 200 Remote-Levels warten noch 100 Exemplare, die sich mit dem Balance-Board steuern lassen und im Schwierigkeitsgrad speziell an das Zubehör angepasst wurden. Wem das immer noch nicht reicht, kann sogar eigene Kurse basteln und per WiiConnect24 tauschen. Leider dürfen sich nur vier Personen ein Level herunterladen - im Zeitalter von Little Big Planet wirkt das genauso steinzeitlich wie die karge Grafik. Auch ein Koop-Modus oder neue Einfälle hätten nicht geschadet: Bis auf Kleinigkeiten wie die neuen Kanonen trifft man nur auf die typischen Stege, Röhren und beweglichen Plattformen, die man schon aus dutzend anderen Titeln kennt. Doch einen Murmel-Junkie wie mich kann das nicht vom Controller fernhalten: Trotz oder gerade wegen des konservativen Spielprinzips ist Marbles! Balance Challenge Arcade-Spaß pur! Wenn ich die Murmel haarscharf am Abgrund vorbei in Rekordzeit ins Ziel schnipse, erzeugt das einen ähnlich hohen Adrenalinausstoß wie bei einem perfekten PGR4-Slalom.

Pro

<P>
hochpräzise Bewegungssensor-Steuerung
gelungenes Kurs-Design
filigranes Herumschnipsen der Kugel
200 Wiimote-Levels und 100 Balance-Board-Kurse
diesmal auch Parcours mit knackigem Schwierigkeitsgrad
Levels basteln und übers Netz mit Freunden tauschen
Online-Leaderboards
Fernbedienung lässt sich längs oder quer halten
Wasserwaage hilft der Orientierung</P>

Kontra

<P>
altbackene Kurs-Grafik
schrecklich unscharfe 2D-Hintergrundbilder
nur ein einziger Mehrspielermodus
kein Online-Multiplayer
kaum neue Ideen</P>

Wertung

Wii

Größer, präziser und knackiger: Marbles! Balance Challenge macht vieles besser als der Vorgänger und ist dank präziser Steuerung der beste Kugler für Wii.

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