No More Heroes 2: Desperate Struggle21.04.2010, Mathias Oertel
No More Heroes 2: Desperate Struggle

Im Test:

Vor etwa zwei Jahren hat No More Heroes die Remote-Gemeinde gespalten: Für die einen war die Arcade-Action ein kleines Meisterwerk des Killer 7-Machers, das stilvoll Retro-Ansätze mit modernen Mechaniken vereinte. Für die anderen war es nicht mehr als ein ambitionierter, aber technisch unausgereifter Bosskampf-Marathon in einer offenen Welt, deren visuelle Umsetzung für Kopfschmerzen sorgte. Hat man für die Fortsetzung aus den Fehlern gelernt? Wir haben uns die amerikanische Import-Version angeschaut!

Comeback eines Helden

Travis Touchdown ist zurück. Zurück im idyllischen Santa Destroy, dem Mekka risikobereiter (manche würden auch sagen: lebensmüder) Meisterkiller. Zurück im herunter gekommenen "No More Heroes"-Motel. Zurück, um sich abermals mit seinen Beam-Katanas (quasi die Santa Destroy'sche Variante der Lichtschwerter aus Star Wars), bis an die Spitze der Assassinen-Rangliste zu schnetzeln.

Travis Touchdown ist wieder da, um mit seinen Beam-Katanas die Meuchelmörder-Szene in Santa Destroy aufzumischen.
Und er hat einige alte Bekannte mitgebracht: Die zwielichtige Sylvia Christel organisiert immer noch die Duelle, die im Rest des Landes für Rekord-Quoten im Fernsehen sorgen. Seine übergewichtige Katze Jeane ist ebenfalls mit von der Partie.

Und es gibt zahlreiche Anspielungen auf den Vorgänger (4P-Wertung: 60%), den man allerdings nicht zwingend gespielt haben muss, um alles nachvollziehen zu können. Denn wenn einem tatsächlich die Verbindung fehlen sollte, wird mit Sicherheit eine selbstironische Bemerkung von Travis oder Sylvia für die entsprechende Assoziation sorgen.

In der Anfangsphase geht Entwickler Suda51 (Killer 7) sogar so weit, die vierte Wand zu öffnen, die den Zuschauer vom Geschehen trennt: Die Figuren sprechen einen direkt an und machen keinen Hehl daraus, dass sie eigentlich virtuelle Gestalten und Protagonisten in einem Videospiel sind. Das ist im Film mittlerweile ein probates Mittel, um den Zuschauer auf eine neue Erzählebene zu ziehen und funktioniert auch hier. Allerdings wird dies nur in der Anfangsphase genutzt. Später bleibt die Erzählung vergleichsweise konventionell. Doch das macht nichts, denn zu diesem Zeitpunkt hat der Wahnsinn bereits zugeschlagen. Es wird deftig geflucht, noch heftiger gestritten und die Gegner versuchen sich mit wüsten Beschmipfungen zu übertreffen. Dass es dabei in den Duellen mitunter zu sehr vielen Wiederholungen kommt (vor allem auf Travis' Seite), ist allerdings schade und nervt von Zeit zu Zeit.

Wer abrutscht, darf noch mal...

Wir erinnern uns: Der erste Abstecher nach Santa Destroy konnte mit soliden Kampfmechaniken überzeugen und wurde von einem hoch interessanten Artdesign geprägt. Die zahlreichen Anspielungen sexueller Natur sowie der potenziell hohe Gewaltansatz machten das Abenteuer von Travis zu einem angenehm erwachsenen Spiel auf der seinerzeit noch jungen und für junge Spieler ausgerichteten Konsole. Und obendrauf gab es zahlreiche Hinweise und Kommentare auf allgemeine Pop-Kultur von Star Wars über Mangas bis Quentin Tarantino. Kurzum: Alles hätte so schön sein können - wenn die grottige Technik, eine gewisse Redundanz im Spieldesign und vor allem der bis heute unverständliche sowie komplett misslungene  Ansatz der offenen Welt nicht vieles kaputt gemacht hätten.

Die gute Nachricht: Sowohl technisch als auch hinsichtlich der offenen Stadt hat sich einiges getan. Während Letztere komplett weggefallen ist und durch eine direkte Navigation auf der Stadtkarte ersetzt wurde, haben sich gleichzeitig auch einige technische Macken in Wohlgefallen aufgelöst. 

Die an klassische Prügler wie Streets of Rage oder Final Fight angelehnten Kämpfe sind schnell, dynamisch und geizen nicht mit roten Pixeln...
Komplett überzeugend ist die Kulisse abseits des nach wie vor interessanten und Richtung Comic tendierenden Artdesigns aber dennoch nicht. Denn auch wenn Kantenbildung und Flimmern bei Weitem nicht mehr so augenfeindlich sind wie noch vor zwei Jahren, sind die Überreste immer noch zu häufig spürbar.

Natürlich gibt es auch Ausnahmen wie in den Zwischensequenzen, in denen eine Unbekannte mit ihrer erotischen Stimme Hinweise auf Leben und Leiden in Santa Destroy gibt, während die Kamera ihr Gesicht nur ansatzweise ins Bild bringt und sich hauptsächlich auf ihren Körper konzentriert, der im Schummerlicht von einem gewagt geschnittenen Krankenschwestern-Minikleid mit tiefem Dekolleté formvollendet in Szene gesetzt wird.

Solide Gore-Kämpfe

An der Grundprämisse hat sich allerdings nichts geändert: Travis Touchdown muss sich wieder auf Platz 1 der Rangliste der besten Assassinen kämpfen - nur dass er mittlerweile auf Platz 51 einsteigt und nicht wie im Vorgänger gleich die Top 10 aufmischt.

          

Durch einige Kniffe in der mitunter gesellschaftskritischen, aber sonst eher schwachen Story überspringt er immer wieder einige Positionen, so dass die Gesamtzahl der Bosskämpfe nur unwesentlich höher ausfällt als im Vorgänger.

Und wie gehabt muss er des Öfteren erst einmal die größtenteils dem Klonlabor entsprungenen Schergen besiegen und sich damit als würdig erweisen, bevor der Obermotz höchstpersönlich, meist eingeleitet durch eine sehr stylische Sequenz, seine Aufwartung macht.

Das an Comics angelehnte Artdesign ist gelungen.
Die dynamischen Auseinandersetzungen gehen dabei locker von der Hand, wobei sowohl die Remote-/Nunchuk-Variante mit ihren auf ein Minimum zurückgestuften Gesten als auch vor allem die Steuerung per Classic-Controller gelungen sind. Bevor man sich versieht, teilt man Schwerthiebe aus, tritt um sich, weicht aus und nutzt Blocks sowie Wrestling-Griffe, als ob man nie etwas anderes gemacht hätte.

Setzt man in den nur selten fordernden, aber dennoch unterhaltsamen Vorab-Geplänkeln gegen das Kanonenfutter einen der leicht zugänglichen Finisher wird der Gegner in der US-Version (lt. Publisher-Angaben soll NMH2 hierzulande  ungeschnitten erscheinen) nicht nur in einer Geld-(!) und Blut-Fontäne zerteilt, sondern gleichzeitig eine Art "einarmiger Bandit" aktiviert, der bei drei gleichen Symbolen ein temporäres Extra aktiviert. Das kann eine "Smartbomb" sein, die die Gegner pulverisiert, eine Zeitlupe, in der man die Feinde nach allen Regeln der Kunst auseinander nimmt oder ein Special, das Travis in einen Tiger verwandelt, der alle Widersacher ohne großen Aufwand zerlegt - schön!

Bosskampf-Marathon

Highlights der Auseinandersetzungen sind natürlich die Bosskämpfe:  Wer hier wie wild auf die Tasten einhämmert, wird schnell auf Granit stoßen. Taktik und Analyse des Gegnerverhaltens sind hier ebenso wichtig wie die Beherrschung aller zur Verfügung stehenden Angriffsmöglichkeiten sowie die Auswahl des richtigen Beam-Katanas.

Neben der Standard-Lichtklinge gibt es eine, mit der man rasend schnell schnetzeln kann, die aber keine große Reichweite hat. Das Gegenstück darf natürlich nicht fehlen: Mächtiger Schaden und enorme Reichweite, aber mitunter quälend langsam. Schließlich rundet das duale Beam-Katana, das einen wahren Wirbel an Schlägen zulässt, die Auswahl ab, die man auch während der Kämpfe spontan treffen kann.

Beim finalen Boss jedoch ist man über das Ziel hinaus geschossen. Waren alle anderen Hauptgegner bis zu diesem Kampf teilweise verdammt fordernd, aber stets fair, ist das in drei Teile gesplittete Duell ab dem Mittelteil vollkommen unberechenbar und damit zu einem nicht unerheblichen Teil von Glück abhängig - was letztlich zu unnötigem Frust führt und sogar den bislang in der Redaktion führenden Bossfrust von Azazel aus Tekken 6 um Längen schlägt. Auch das letzte Duell

In NMH2 ist man nicht nur mit Travis Touchdown unterwegs, sondern kämpft auch als Shinobu.
ist natürlich machbar - aber nur mit Blut, Schweiß, Tränen, einem Muskelkater in den verknoteten Fingern, allerhöchster Konzentration und einem Dauerfluch auf den Lippen. Angesichts des bis dahin ausgewogenen Schwierigkeitsgrades sorgt der Ausrutscher in unfaire Momente für plötzliche Unmut. Zumal die in den Kämpfen ohnehin häufig suboptimal arbeitende Kamera in dem relativ engen Raum so viel Schwierigkeiten wie in keinem anderen Bereich in Santa Destroy hat, das rasante Geschehen einzufangen.

Für Liebhaber

Dass das Team um Sudo51 ein Faible für die gute alte 8-Bit-Ära hat, merkt man nicht nur an den grobpixeligen Menüs. Sieben der acht Mini-Spiele, die nach und nach freigeschaltet werden und die bei Erfolg Geld in die Kasse spülen, sind als Reminiszenz an die NES-Ära zu betrachten und dürften Retro-Fans das Herz aufgehen lassen. Piep-Sounds, verzerrte Sprachausgabe, wenige Farben und Grobpixel ohne Ende machen in dieser Form auch heute noch Spaß. Allerdings schwankt die inhaltliche Qualität zu stark, als dass sich diese Ausflüge in die Software-Vergangenheit zusätzlich auf die Wertung auswirken könnten. Die Pizza-Lieferungen sind ebenso unterhaltsam wie die Arbeit als Kammerjäger. Bei den restlichen Aufgaben schwankt die Motivation von "passt schon" bis "lass mal".

Auch das kostenpflichtige Training, um Travis in mehreren Stufen entweder mit mehr Gesundheit oder mehr Kraft in den Schlägen auszustatten, ist in diesem Retro-Stil gehalten und macht damit gleich doppelt Laune.   

Fazit

Der erneute Abstecher nach Santa Destroy ist deutlich besser als der erste Teil rund um Travis Touchdown und seine Beam-Katanas. Die Abkehr von der offenen Welt hin zu einer stylischen Benutzerführung merzt eine der größten Schwächen des Vorgängers aus und hilft auch der Dynamik ungemein: Anstatt sich durch eine weitgehend leblose Welt zum nächsten Aktivitäts-Ort zu schnarchen, ist man hier per Knopfdruck sofort da, wo man hin möchte und kann ohne Umschweife in die Action einsteigen. Zusammen mit dem gelungenen Artdesign, den coolen Minispielen im 8-Bit-Retro-Stil sowie zahlreichen Anspielungen auf Pop-Kultur von Wrestling bis Gundam ist man auf einem guten Weg. Doch unter dem Strich fehlt dem in zahlreichen Aspekten an Segas Madworld erinnernden Bosskampf-Marathon auf Dauer weiterhin die Substanz. Abseits der fordernden sowie abwechslungsreichen Ranglisten-Kämpfe sind die an eine 3D-Variante von Final Fight & Co erinnernden Auseinandersetzungen trotz einer gesellschaftskritischen Geschichte nicht spannend genug, um langfristig faszinieren zu können. Und nicht zuletzt hat die Technik trotz deutlicher Verbesserungen immer noch mit Problemen zu kämpfen: Texturflimmern und fehlende Kantenglättung müssen auch auf Wii nicht mehr sein und lassen sich weder vom abgefahrenen Figurendesign, den zahlreichen sexuellen Anspielungen oder gar der ausufernden Gewalt der US-Version abmildern. No More Heroes 2 ist als "etwas anderer" Arcade-Prügler zweifellos unterhaltsam - der ganz große Wurf ist Suda51 aber auch mit diesem Titel nicht gelungen.

Zum Video-Fazit

Anm. d. Red.: Zum Release der deutschen Version Ende Mai werden wir uns mit etwaigen Unterschieden beschäftigen. Lt. Publisher soll NMH2 hierzulande ungeschnitten erscheinen.

Pro

gute Steuerung
überzeugendes Art-Design
passender Soundtrack zwischen J-Pop und J-Metal
unterhaltsame Minispiele im 8-Bit-Retrostil
total abgefahrene Charaktere
übersichtliche Benutzerführung
gelungene englische Sprachausgabe
Bosskampf-Marathon
Classic-Controller wird unterstützt

Kontra

Texturflimmern
mitunter starke Kantenbildung
Finalkampf mit herben unfairen Momenten
Kameraprobleme
schwankende Minispiel-Qualität

Wertung

Wii

Gory, laut und verstörend: Der Bosskampf-Marathon hat zwar seine technischen Probleme ad acta gelegt, bleibt aber letztlich kaum mehr als ein Final Fight-Ableger in 3D.

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