Detective Conan: Die Mirapolis-Ermittlung26.01.2009, Jan Wöbbeking
Detective Conan: Die Mirapolis-Ermittlung

Im Test:

Langsam wird Nintendos kleine Weiße auch für Abenteurer interessant: Nach Zack & Wiki und der gelungenen Umsetzung von Geheimakte: Tunguska rätselt sich auch der jugendliche Anime-Detektiv Conan durch ein eigenes Adventure. Ähnlich wie in Phoenix Wright auf DS darf ich den Tatort untersuchen, quetsche Zeugen aus und versuche, durch geschickte Verknüpfung der Indizien den Täter zu überführen. Leider muss der Nachwuchsdetektiv noch viel lernen, wenn er die Qualität der spannenden DS-Verhöre erreichen möchte.

Kamera-Schluckauf

Nanu, habe ich wirklich ein klassisches Adventure vor mir? Hier liegen doch sicher irgendwo Plattformen und Münzen versteckt! Auf den ersten Blick wirkt Detective Conan: Die Mirapolis-Ermittlung (ab 177,98€ bei kaufen) mit seiner

Der Tatort wird direkt mit dem Wiimote-Cursor abgesucht. Deutlich mehr Zeit verbringt man aber mit dem Verhören der Zeugen.
frei begehbaren Welt wie ein Action-Adventure,  auf den zweiten wie ein Brechmittel. In welchen Winkel des Freizeitparks es mich auch verschlägt - die Kamera springt wilder hin und her als ein schwäbisch rappender Theologiestudent in »Wetten dass...?« Es macht den Eindruck, als würde insgeheim ein hyperaktives Kind am Zoomobjektiv herumspielen. Vielleicht plagt den virtuellen Kameramann die Langeweile?

Was man als Spieler von dem Park zu Gesicht bekommt, vermag auch mich nicht gerade vom leichten Übelkeitsgefühl abzulenken: Die Gänge sind mit unscharfen Texturen tapeziert und wecken längst verdrängte Erinnerungen an schlecht auf den Dreamcast portierte PSone-Titel. Eigentlich wollten Schülerdetektiv Conan und seine Freunde als auserwählte Gäste noch vor der Eröffnung ein entspanntes Wochenende in dem Komplex verbringen. Doch nachdem ich mit meinem Alter Ego die Anlage erkundet und die ersten belanglosen Smalltalk-Sequenzen hinter mich gebracht habe, taucht neben dem Pool endlich eine Leiche auf.

Kombinationsgabe

Ähnlich wie in den Ace-Attourney-Gerichts-Spielen nehme ich zunächst einmal den Tatort unter die Lupe. Ich drehe und wende die Tasche des Opfers, einen alten Zeitungsartikel und andere Beweisstücke direkt mit der Fernbedienung. Nach ein paar Gesprächen mit diversen Zeugen verlassen sämtliche Anwesenden fluchtartig den Schauplatz des Verbrechens. 

Technik von gestern: Die Spielhalle gehört trotz unscharfer Texturen noch zu den hübscheren Kulissen.
Meine Aufgabe ist es nun, die auf der Karte angezeigten Personen wieder aufzusuchen und weitere hilfreiche Infos aus ihnen herauszukitzeln. Leider bestätigen sie mir meist nur Details, die mir ohnehin bei der Untersuchung der Leiche aufgefallen sind.

Eine Weile später weist mich Conan darauf hin, dass ich nun genug Informationen gesammelt hätte und die Aussagen zu einer Schlussfolgerung zusammenführen muss. Welche Bedeutung hat der zwölf Jahre alte Zeitungsartikel, der neben der Leiche lag? Wer hatte Zugang zum Pool und kein wasserdichtes Alibi? Und welche Rolle spielt der zwielichtige Parkbesucher mit der Narbe im Gesicht? Um dem Mörder auf die Schliche zu kommen, wechsle ich in ein etwas verwirrend gestaltetes Untermenü und kombiniere die einzelnen Aussagen so miteinander, dass sie sich gegenseitig untermauern, bis der Schülerdetektiv schließlich zu einer Schlussfolgerung gelangt. Da die Dialoge entweder recht holprig übersetzt wurden oder schon im Original verwirrend klingen müssen, ist häufig ein wenig Herumprobieren angesagt. Trotzdem komme ich meist recht schnell auf die richtige Lösung. Wenn alle Stricke reißen, hilft mir einer von Conans Hinweisen auf die Sprünge.

Darauf hat die Welt gewartet

Diese Tipps sind nur begrenzt vorrätig, lassen sich aber bei den Attraktionen des Parks freispielen. Theoretisch jedenfalls - in der Praxis muss man schon eine gewaltigen Selbsthass entwickelt haben, um sich freiwillig durch derart grottige Minispiele zu quälen. Dazu gehört z.B. ein ausgeprochen schlecht ausbalancierter Lightgun-Shooter mit nur einem einzigen Gegner-Typ, der sich nur dann abschießen lässt, wenn er sich zu mir umgedreht hat. Das Hallenfußball unterhält immerhin durch unfreiwillige Lacher. Seit dem legendären Gazza Super Soccer auf dem 

Willkommen zum schlechtesten Fußballspiel aller Zeiten: Die grottigen Minispiele dürft ihr zum Glück links liegen lassen.
Amiga hat es kein Spiel mehr verstanden, die Spannung und Dramatik unserer Nationalsportart derart ungelenk auf den Bildschirm zu bringen: Die grob texturierten Klon-Spieler stolpern steif und unkoordiniert durcheinander, während aus den Boxen alle paar Sekunden der gleiche Saxophon-Loop ertönt.

Ist man endlich durch Glück vors gegenerische Tor gestrauchelt, darf man ein paar Sekunden lang einen schwarzen Ladebildschirm bewundern, um dann mit einer nicht funktionierenden Remote-Bewegung den Ball neben das Tor zu wedeln. Die Welt ist ungerecht! Warum dürfen sich Conans Freunde in der Spielhalle mit dutzenden Beat'em'ups auf Großbildschirmen im 2,35/1-Format vergnügen, während der Held selbst sich mit schrottigen Minispielen abquälen muss? Glücklicherweise darf man alle Exemplare links liegen lassen und sich auf die Detektivarbeit konzentrieren. Die besteht im Wesentlichen aus den beschriebenen Verhören und dem Kombinieren der Indizienkette. Auf Dauer kann sich das zu einer lästigen Routine entwicklen, doch zum Glück sorgen ein paar unerwartete Ereignisse ab und zu für spannende Abwchslung vom Detektiv-Alltag.     

Fazit

Ein frisch gebauter Vergnügungspark auf einer einsamen Insel, ein Grüppchen Vorpremierengäste, ein Mord und jede Menge mysteriöser Botschaften: Detektiv Conans Anime-Adventure weckt schöne Erinnerungen an Klassiker wie "Eine Leiche zum Dessert". Die Mirapolis-Ermittlung könnte ein dufter Krimi sein - wenn der zähe Eistieg nicht wäre. Und das umständliche Indizienkettensystem. Und die genau so flachen wie schlecht übersetzten Smalltalk-Dialoge, die unnötigen Laufwege, die sich ständig wiederholende Musik, die steinzeitliche 3D-Grafik, die nervös zuckende Kamera, die abgrundtief schlechten Minispiele und so weiter und so fort. Das Einzige, was mich nach den zähen ersten zwei Akten noch zum Weiterspielen animiert hat, war die klassische Rahmenhandlung inklusive einiger unerwarteter Ereignisse. Davon abgesehen wirkt das Spiel wie der Prototyp einer lieblos gestrickten Lizenz-Umsetzung. Die Entwickler hätten sich lieber an Phoenix Wright orientieren sollen: Die Gerichtssimulation für DS kommt ohne Schnickschnack wie eine frei begehbare 3D-Welt aus und bietet trotz einfacher Aufmachung um Welten bessere Dialoge, interessantere Charaktere und ein durchdachteres Beweisführungs-System.

Pro

spannende Rahmenhandlung
wichtige Informationen werden nach einem Dialog zusammengefasst..
...und sind jederzeit im Notizbuch einzusehen
Übersichtskarte zeigt Position aller Charaktere an
Skateboard und Ortswechsel mit Hilfe der Karte ersparen Laufwege

Kontra

zu einfache Beweisführung...
...die durch umständliche Bedienung der Indizienkette verkompliziert wird
unnötig viele Laufwege strecken die Spielzeit
langweilige und schlecht übersetzte Dialoge
nervöse, zu nahe Kamera
inspirationslos kahle Kulissen
veraltete Technik mit unscharfen Texturen, Treppchen und steifen Animationen
grottenschlechte Minispiele (können glücklicherweise ignoriert werden)
Weltraumorgel-Musikstücke wiederholen sich ständig
zäher Einstieg bevor das Verbrechen geschieht

Wertung

Wii

Liebloses und auf Dauer monotones Detektiv-Abenteuer mit uninspirierten Dialogen und allerlei handwerklichen Fehlern.

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