Im Test:
Im Jahre 1404
Über das in malerischen Blautönen schimmernde Meer prescht mein Entdeckerschiff. Mit gedrückter A-Taste und der Fernbedienung in Richtung Zielpunkt huscht meine Nussschale über den Ozean, bis eine Insel in Sicht ist. Sie ist sogar sehr fruchtbar für Getreide und Hanf? Toll, da baue ich sofort mein Kontor! Danach folgt die typische annologische Baureihe aus Holzfäller, Fischer, Wohnhäuser und Kapelle. Diese Gebäude werden ganz ohne Nunchuk- oder Remotegefuchtel im Comicstil auf die Karte getackert, wobei sich die Bauwerke aus einem übersichtlichen, teilweise mehrstufigen
Video: Erste Schritte als Erkunder und Städtebauer!Ringmenü auswählen lassen. Praktischerweise können bereits erbaute Gebäude à la PC-Pipette kopiert werden. Während es in den Anfangsminuten gar nicht so einfach ist, eine gerade Reihe aus zehn Wohnhäusern zu bauen, gelingen nach der Eingewöhnungszeit ordentlich aussehende Siedlungen und gelegentliche Ausreißer durch Steuerungsungenauigkeiten werden seltener. Auch der Straßenbau funktioniert ganz ordentlich, könnte aber intelligenter sein, da Straßen mit Kurven nicht in einem Rutsch anzulegen sind - schade, so muss man immer wieder neu ansetzen.
Anno bleibt Anno
Bei den Grundprinzipien "Häuser bauen" und "Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllen" bleibt der Wii-Spross seinen Wurzeln treu: Jeder Einwohner (es zählen nur Wohngebäude) hat Bedürfnisse, die mir als Siedlungsplaner am Herzen liegen sollten, weil sonst geht es erstens nicht vorwärts und zweitens klingen die Steuerkassen nicht. Steuern sind unumgänglich, da Produktionsstätten ständig Betriebskosten verursachen und so lange ihr mehr Steuereinnahmen als laufende Ausgaben habt, ist die Bilanz im grünen Bereich.
Die ersten Bedürfnisse sind relativ einfach zu stillen. Und zwar wollen die Pioniere in der Nähe einer Kapelle wohnen und Milch (das Nintendo-Äquivalent zu Apfelmost) trinken, neben der grundlegenden Versorgung mit Nahrung. Sind diese Bedürfnisse hinreichend gedeckt, steigen die Bewohner eine
"Zivilisationsstufe" auf und zahlen gleich mehr Steuern: Aus Pionieren werden Siedler, danach folgen Bürger, Patrizier und die anspruchsvollen Aristokraten, die u.a. im Einflussbereich von sieben öffentlichen Gebäuden wie Gasthaus, Klosterschule, Kirche, Park, etc. leben wollen. Für diese nicht gerade kleinen Bauwerke braucht man natürlich Platz in der Siedlung, um nicht den halben Stadtkern für eine Kirche planieren zu müssen. Vorausplanung beim Städtebau ist von Vorteil. Darüber hinaus verlangen die Bewohner höherer Stufen mehr Waren wie Kleidung aus Hanf, Tonwaren oder Gewürze. Auf dieser Insel ist die Fruchtbarkeit für Getreide und Gewürze voll gegeben, jedoch wachsen die Kräuter nur zu 50%.
Keine Handelsrouten
Doch die Fruchtbarkeit meiner ersten Insel reicht nicht aus, um dort zum Beispiel Gewürze zu züchten. Deswegen muss ich in der Werft ein neues Entdeckerschiff produzieren und mir eine weitere Insel sichern, wo dann Gewürzplantagen oder später Ton abgetragen wird. Hier gibt es die erste große Änderung im Vergleich zu PC-Version: Waren, die irgendwo auf einer von euren Inseln hergestellt werden, stehen überall und sofort zur Verfügung. Diese Globalisierung erspart es mir, die einzeln hergestellten Dinge von Insel zu Insel zu verschiffen. Die auf meinem zweiten Eiland angebauten Gewürze stehen also sofort nach der Einlagerung im Kontor oder Marktplatz der globalen Bevölkerung zur Verfügung. Planbare Handelsrouten zwischen den Inseln fallen also weg!
Vereinfachte Produktion
Vereinfachungen gibt es auch bei den Produktionskreisläufen: Die Komplexität der Warenketten ist nicht so mehrstufig wie bei der PC-Fassung. Fast jede Produktion verläuft in überschaubaren Bahnen, ohne viele Zwischenprodukte, was die Wirtschaftslage sehr übersichtlich macht. Beispielsweise stellt ihr Tonwaren auf einer Insel mit Tonfruchtbarkeit her, in dem ihr Produktionsstätten für Ton aufbaut, die danach die Töpferei versorgen. Viel komplizierter
wird es leider nicht und insbesondere Kenner der PC-Fassung werden aufwändige Produktionsverläufe wie z.B. für Werkzeuge vermissen. Die Farben der Häuser verraten ihre "Funktion": Bei Wohnhäusern dominiert die Farbe "orange", öffentliche Gebäude sind "bläulich", Schutzeinrichtungen eher "grün" und Produktionswerke "gelb".
Außerdem sind gewisse Waren wie das Generalgut "Nahrung" zusammengefasst worden. Getreidehöfe, Fischer, Schweinezuchten und Co. produzieren keine individuellen Endprodukte, sondern "Nahrung" - schade! Irgendwie fehlt es mir gerade im späteren Ablauf an Herausforderungen oder etwas aufwändigeren Produktionsketten.
Hakt es dennoch irgendwo in der Siedlung, wenn z.B. eine Straße nicht richtig an das Haus angeschlossen wurde, der Marktplatz zu weit entfernt ist oder eine Ware nicht im ausreichendem Maße vorhanden ist, überschüttet euch das Spiel mit praktischen Hinweisen, Infotexten und Sprachsamples, deren Häufigkeit zum Glück im Optionsmenü verringert werden kann.
Städtebau auf Speed
Die Vereinfachungen rund um die Warentransporte und Produktionsketten lassen die Wii-Partien schneller ablaufen als erwartet und in den meisten Fällen, vor allem der Kampagne, hält sich der Leerlauf weitgehend in Grenzen. Auch die Auswirkungen der Gebäude sind rasant: Der Rattenfänger befreit die Plage in Sekunden oder wenn es an Gewürzen fehlt, sind schnell zwei Plantagen gebaut, deren Produkte das Volk in unter einer Minute wieder zufrieden stimmen. Wahnsinnige Hektik kommt nicht auf, höchstens wenn ich von Insel zu Insel springe, um überall neue Gebäude zu platzieren und mich die "Hilfen" zutexten, dass es immer noch an "Ware X" fehlt.
Karten, Schätze und Achievements
Im Gegensatz zur PC-Fassung ist die in mehrere Segmente unterteilte Seekarte zu Beginn nicht komplett aufgedeckt. Stattdessen wird die Inselwelt schrittweise freigeschaltet, indem Aufgaben in der Kampagne gelöst oder spezielle Ziele (vgl. Achievements) erreicht werden. Wenn ich beispielsweise 40 Tonnen Eisen gesammelt oder die Produktion durch mehrere Spezialistenschiffe beschleunigen lasse, darf ich zusätzliche Kartenelemente freischalten.
Ohne die Wasserpumpe wird es schwierig die südländischen Insel fruchtbar zu bekommen. |
Techtree, Kampfsystem und Korsaren
Zudem gibt es einen kleinen, stufenweise erweiterbaren Techtree, sobald ein neues Zivilisationslevel durch Bürgeraufstieg erreicht wurde. Hier können Techniken freigeschaltet werden, wie zum Beispiel das Teehaus, welches die Leute in ihrer Umgebung dazu veranlasst mehr Steuern zu bezahlen. Ein Handelsvertrag mit dem Orient wartet ebenfalls. Apropos Orient: Wie in Anno 1404 gibt es südländische Inseln. In diesen heißen Gefilden gedeiht wenig, weswegen ihr auf die Technologie der Wasserpumpe angewiesen seid. Dieses Gebäude setzt ihr einfach auf eine Oase und schwupps sind die Furchtbarkeiten der Insel freigeschaltet. Für meinen Geschmack ist das viel zu einfach.
Den Großteil der Annozeit verbringt ihr mit friedlichem Aufbau und Wirtschaftsdingen, doch irgendwann kann es zum Konflikt kommen. In Kasernen werden dann automatisch Kämpfer (nur eine Sorte) ausgebildet und diese können in Kontore, Werften und Co. zur Verteidigung stationiert werden. Ein Kriegsschiff (nur ein Modell) darf nicht fehlen und dient den Kämpfern als Transportmittel. Andere Siedlungen werden übrigens angegriffen,
indem ihr das Kriegsschiff in einem Brückenkopf verwandelt (funktioniert wie die Gründung eines Kontors) und mit den Soldaten die Militärgebäude erobert. Direkte Kampfkontrolle gibt es nicht, gleiches gilt für den Seekampf, wo Schiffe lediglich Eins-gegen-Eins-Duelle ausfechten... Das ringförmige Baumenü (im Uhrzeigersinn): Wohnhaus, Straßen, Warenproduktion, Öffentliche Gebäude, Baumaterial-Herstellung, Schutzgebäude, Spezialgebäude und Abreißen.
Kampagne
Eigentliches Herzstück der Wii-Fassung ist die Kampagne, die wie das Vorbild im Jahr 1404 angesiedelt ist. Im friedlichen Land von König George herrscht Armut und Hungersnot. Voller Sorgen um seine Untertanen schickt er seine Söhne William und Edward in die weite Welt hinaus, um neue Gebiete zu erschließen, wo Güter zum Wohle seines Volkes produziert werden sollen. Erst Nahrung, dann Kleidung usw. gilt es für den verzweifelten König heranzuschaffen, wobei jede der sieben Missionen aus zahlreichen Untermissionen besteht: Es gilt Schiffe zu treffen, Schätze zu suchen, zahlreiche Gebäude zu bauen, Einwohnerzahlen zu erreichen, Siedlungen zu retten oder den Draht zum Orient herzustellen. Generell zieht Edward den Kampf vor, um an Ressourcen zu gelangen. Sein Bruder William, in dessen Rolle ihr schlüpft, ist eher um eine friedliche Lösung bemüht, insbesondere als ihr mitten in eine Entführungskrise im Orient geratet.
Erzählt wird die wirklich nette Geschichte rund um die etwas kitschigen, aber durchaus sympathischen Charaktere in Zwischensequenzen, die als Artwork-Diashow mit Kamerazooms wunderbar in die
comiclastige und farbenfrohe Mittelalterwelt passen. Besonders gelungen ist die deutsche Sprachausgabe - so gut wie jeder Text ist vertont - und würde die Musik nicht so häufig wiederholt werden, würden so manch Stücke einen besseren Eindruck hinterlassen. Als Anno-erfahrener Spieler ist die Kampagne allerdings nach rund zehn Stunden vorüber und hätte ruhig etwas länger sein können; vor allem die ersten zwei, drei Missionen haben einen überaus aufgebauschten Tutorial-Charakter. Ohne die große Kirche in der Mitte gibt es keine weiteren Stufenaufstiege.
Endlosspiel und "Mehrspieler-Modus"
Im Anschluss an die Kampagne wartet der Endlosmodus mit einigen Optionen à la "Korsaren Ja/Nein", "viele Inseln" und Co. Dort macht ihr das Gleiche, was ihr in der Kampagne erlernt habt, nur ohne Geschichte: Siedlung bauen, Waren beschaffen, Kartensegmente durch Erfolge freischalten, Stadt-Level erhöhen und vielleicht ein bisschen Krieg führen. Lächerlich ist hingegen der "Mehrspieler-Modus", der im Prinzip nichts anderes ist als eine helfende Hand wie bei Super Mario Galaxy. Der zweite Spieler kann die Produktion ankurbeln oder auf kleinere Probleme mit Klicks hinweisen - mehr nicht und völlig sinnlos in meinen Augen. Einen echten Multiplayer-Modus gibt es nicht.
Fazit
Hübsch präsentiert, äußerst zugänglich und irgendwie liebenswert - das ist "Anno - Erschaffe eine neue Welt" für Nintendo Wii. Der Sprung der Aufbau- und Wirtschaftssimulation auf die Konsole ist gut gelungen und hinterlässt einen besseren Eindruck als z.B. Sim City Creator. Die Entwickler haben das Kernkonzept behutsam verschlankt und mit einer intuitiven Steuerung ohne Fuchteleien umgesetzt. Insbesondere die Kampagne weiß dank der sympathischen Präsentation sowie unterschiedlicher Missionszielen zu überzeugen. Jedoch fehlt es mir im fortgeschrittenen Spielverlauf an Herausforderungen und an komplexeren Produktionsketten: Wenn man erstmal den Dreh raus hat, lassen sich Fehler oder Missstände viel zu schnell aus der kunterbunten Welt schaffen. Auch die Erweiterungen mit der Freischaltung der Kartensegmente, dem Techtree oder der Schatzsuche können nicht kaschieren, dass das Spielerlebnis im Vergleich zum Original eher ein seichtes ist. Man lechzt nach mehr und wird nicht fündig oder gar gefordert! Für Anno-Kenner mit PC-Erfahrung ist diese Premiere unterm Strich zu einfach, für Neulinge und Kids hingegen ideal als Einstieg in das Genre.
Pro
Kontra
Wertung
Wii
Hübsch präsentiert, zugänglich und liebenswert. Für Anno-Kenner zu einfach, aber für Neulinge ideal zum Einstieg!
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