Pro Evolution Soccer 201023.11.2009, Jörg Luibl
Pro Evolution Soccer 2010

Im Test:

Seit zwei Jahren serviert Konami auf Wii guten strategischen Fußball: Was am Anfang noch als Rasenschach belächelt wurde, hat sich als alternativer Kick neben dem "großen" Theater auf PC, PlayStation 3 und Xbox 360 etabliert. Allerdings stellte sich schon letztes Jahr die Frage...Moment mal: Kam Pro Evolution Soccer 2009 (Wertung: 82%) für Wii nicht erst in diesem März raus? Ja. Und acht Monate später erscheint bereits der Nachfolger? Ja. Was soll sich denn da auf dem Platz ändern?

Alles wie gehabt

Egal ob Stadien, Kommentare oder Kulisse - alles wie gehabt. Was ist eigentlich neu? Ausdauer und Freistöße.
Auf den ersten Blick hat sich nichts getan, denn dieser Kick sieht trotz etwas weicher wirkender Animationen erstens genau so aus, hört sich in Kommentaren und Fangesängen genau so an und fühlt sich trotz des kompletten deutschen Nationalteams im Kader auch genau so strategisch an wie im März. Das heißt, man kann sich zwar klassisch über den Stick bewegen, aber auch Pfeile ins Spielfeld zeichnen, um manuelle Laufwege zu bestimmen: Mit der Remote auf einen Spieler zeigen, den A-Knopf gedrückt halten und den Pfeil ziehen oder einfach in den freien Raum klicken - schon spurtet die Figur dorthin. Wer es einfacher mag, wechselt auf die seitlich gehaltene Remote oder zum Classic Controller. Alles wie gehabt.

Die Befehle per Remote lassen sich auch mehrmals hintereinander erteilen, so dass man auch zwei, drei Stürmer manuell in unterschiedliche Richtungen schicken kann. Hinzu kommt das ebenfalls bekannte und intelligente Pass-System, das das Anvisieren eines Punktes im freien Raum erlaubt, zu dem dann automatisch der in der Nähe befindliche Spieler läuft. Sprich: Mit der Remote auf einen Punkt nahe der Außenlinie zielen, den B-Knopf drücken, damit der Pass nach vorne geschlagen wird und der Flügelflitzer bewegt sich automatisch dorthin, um den Ball anzunehmen - will man einen hohen Ball spielen, klickt man zwei mal den B-Knopf oder lässt das automatisch regeln. Alles wie gehabt.

Die neue Macht der Ausdauer

Die deutsche Nationalmannschaft ist komplett dabei; deutsche Clubs fehlen.
Die Neuerungen muss man mit der Lupe suchen. Da ist zum einen, dass sich die Ausdauer direkter auswirkt: Wer zu lange spurtet und presst, verliert an Kraft - und zwar schnell. Eine kleine Leiste unter dem Spieler zeigt gnadenlos an, wie die Reserven abnehmen. Sobald sie sich dem Nullpunkt nähern, schleicht der Profi nur noch wie eine Schnecke über den Platz, verliert Bälle schon nach dem ersten Tackling oder geht selbst viel zu lasch in die Zweikämpfe. Diese Veränderung in der Spielmechanik sorgt dafür, dass man noch klüger passen und vor allem individuelle Vorstöße wie Sprint plus Dribbling oder eben druckvolles Pressing cleverer dosieren muss ; mit seinen Flügelflitzern kann man nicht mehr einfach so davonziehen, mit seinen Defensivleuten kann man nicht mehr endlos in die Doppeldeckung.

Auf dem Platz sorgt das zunächst für deutlich weniger Tempo, denn die Ball führenden Regisseure und Stürmer versacken öfter im Mittelfeld. Allerdings wird das Spiel dadurch seinem Simulationsanspruch etwas gerechter, denn nur wer die immer noch etwas knifflig einzuleitenden Doppelpässe im Kleinklein, weite Flanken für den Raumgewinn oder schnelle Zuspiele in die Spitze einleitet, kommt vor das Tor. Darunter leiden widerum die Dribblings, denn obwohl man vom Zidane-Dreher bis zur Matthews-Finte zaubern kann, fehlt den Profis im 1 gegen 1 die Effizienz und Eleganz - schade, dass man hier über die Bewegungssteuerung nicht individuellere Akzente setzen kann. Man nutzt später kaum noch Übersteiger oder Ähnliches, sondern höchstens das kontrollierte langsame Dribbeln über den Stick des Nunchuk - der Spielaufbau ist also taktisch, aber auch nicht gerade spektakulär hinsichtlich besonderer Einzelaktionen, zumal gerade in einem Spiel mit einem Freund für Finessen die Übersicht fehlt: Immerhin tummeln sich da zwei dicke Fadenkreuze und zig Pfeile auf dem Platz.

       

Satte Schüsse und Freistöße

Die Freistöße lassen sich per Remote anpassen, was Ziel, Schnitt und Flatterbälle angeht.
Aber ganz so weit vor das Tor muss man sich auch nicht zaubern: Dieses Jahr landen selbst jene Schüsse aus der zweiten Reihe schon mal im Netz, die einfach über das Schütteln des Nunchuk aus der Drehung heraus abgefeuert wurden. Ohne dass man sich groß freigespielt hätte krachen die Bälle deutlich satter aus dem Fußgelenk - fühlt sich gut an. Hier scheint Konami an der Effizienzschraube gedreht zu haben, was Tore aus der Distanz angeht. Leider hat man bei der Schussmechanik selbst kaum Fortschritte gemacht: Wer nicht einfach schütteln und auf die Fähigkeiten des Schützen hoffen will, sondern wirklich individuell die Höhe und Richtung des Balles bestimmen will, bekommt mit dem Zielen über die Remote dasselbe Problem wie letztes Jahr - die Höhe ist nicht wirklich skalierbar, wenn man mit dem Fadenkreuz das Tor anvisiert.

Dafür hat man die statischen Freistöße überarbeitet: Ab sofort kann man über das Drehen der Remote schon im Vorfeld etwas Schnitt in den Ball bringen, um ihn elegant über oder neben der Mauer vorbei aufs Tor zu zirkeln. Die theoretische Flugbahn wird über einen farbigen Pfeil angezeigt, der auch wie ein Regenbogen aussehen kann - in diesem Fall verfügt der Schütze über die Fähigkeit, daraus einen "Flatterball" zu machen. Wer diese Variante auf den Kasten jagt, kann beobachten wie der Ball nach der Hälfte der Strecke mit einem Drall die Richtung ändert; sehr schön für den Schützen, sehr schlecht für den Torwart, der jetzt deutlich öfter hinter sich greift. Der kann zwar im Vorfeld antizipieren, wohin das Leder fliegt und sich dementsprechend positionieren, aber ist natürlich in der schlechteren Position.

Spielmodi & Online-Duelle

Aber eine Ausdauer, die Dauersprints verhindert, und individuellere Standards lösen noch keine neue Euphorie aus.
Obwohl neben der erweiterten Meisterliga, die jetzt wie bei den großen Varianten einen wirtschaftlichen Fokus besitzt, und der bekannten Champions-Road erstmals die UEFA Champions League als neuer Spielmodus lockt, wird man schnell ein Turniergerüst ohne deutsche Clubs erkennen und die Lust daran verlieren - kein Verein der Bundesliga ist dabei, so dass man sich über den Editor freut, mit dem man eigene Profis erstellen sowie Embleme und Trikots bearbeiten kann. Wer letztes Jahr fleißig war, darf seine Dateien übrigens hochladen. Konami bietet übrigens erneut kostenlose Datenupdates für Wii an - eines ist sogar schon online. Aber warum muss ich dafür eigentlich umständlich aus der Lobby raus?

Online kann man bei sehr solidem Netzcode Zufallsmatches oder Ranglistenspiele austragen - allerdings immer noch ohne Ligafunktion. Immerhin gibt es Statistiken über bisherige Partien gegen Rivalen oder Freunde. Motivierender für Solisten ist die Karriere "Mein Team", wo man auch eigene Mii-Charaktere als Spieler nutzen und online einsetzen kann. Hier startet man wie in der Meisterliga mit einem schwachen Standardteam und kann über Siege sowie spezielle Leistungen im Spiel (20 erfolgreiche Pässe, 300 Meter gedribbelt etc.) Punkte gewinnen.

Die werden wiederum in über ein Dutzend Fähigkeiten wie "Manndeckung", "Flügelspiel" oder Gegenstände aus einem Souvenirshop investiert, um aus einem 1-Sterne-Kicker irgendwann vielleicht einen 5-Sterne-Star zu machen. Wer nicht so lange warten will, kann wie letztes Jahr an der Transfer-Lotterie teilnehmen und sich neue Profis aus den bisher bespielten Clubs anhand verdeckter Karten ziehen; hier bekommt man lediglich Hinweise wie "Unheimlich schnell". Ähnlich wie in der Champions Road nimmt man mit seinem Team auf einer Weltkarte an Turnieren teil, die sich in ihrem Anspruch ständig steigern. Wer in sein Clubgelände investiert, kann ebenfalls die Mannschaftsqualität stärken.

  

Fazit

Die Ausdauer spielt jetzt eine größere Rolle und die Freistöße lassen sich individueller gestalten? Ich bin ernüchtert, denn das hätte Konami auch gut als Download über den Wii-Shop anbieten können - wenn Nintendo solche Updates ermöglichen würde. PES 2010 sieht im November nämlich genau so aus, hört sich genau so an und spielt sich auch fast genau so wie im März. Warum soll ich meinen acht Monate jungen Kick dafür ad acta legen? Ich sehe keinen zwingenden Grund. Das Team um Akiyoshi "Greyhound" Chosogabe hat sich zwar durchaus Gedanken gemacht und die Spielmechanik mit der Bremse für Dauersprinter etwas realistischer gestaltet, aber das sorgt unterm Strich nicht unbedingt für mehr Spaß. Das sorgt erstmal für einen langsameren Aufbau, in dem das Timing von Sprints und Pressing cleverer dosiert werden muss. Das Spiel fühlt sich dadurch allerdings auch zäher an als der Vorgänger, zumal die Dribblings nicht effizient genug sind - es geht jetzt noch mehr um Rasenschach, was ja immer noch gut ist, aber auch in mehr Arbeit als Euphorie resultiert. Man braucht für diesen anspruchsvollen Kick samt Echtzeiteingriffen in die Laufwege ohnehin mehr Zeit, weil die Hand-Auge-Koordination hier viel stärker gefordert wird als mit einem Gamepad; das führt auch dazu, dass einige Finessen auf der Strecke bleiben.  Ja, die Schüsse krachen besser, man hat die erweiterte Meisterliga dabei, kann sein Mii-Team bis zur Weltklasse züchten und online geht es ebenfalls wie letztes Jahr zur Sache, wobei Ligafunktionen genau so Fehlanzeige sind wie deutsche Clubs. Und weder die fummeligen Doppelpässe noch die in der Höhe kaum definierbaren Torschüsse haben sich verbessert. Ich weiß wirklich nicht, warum ein Wii-Fußballer so schnell auf so wenig Neues umstellen sollte. Meinen Test aus dem März hätte ich auch um einen Absatz ergänzen können...

Pro

neue Freistoßmechanik
neue Ausaduerfunktion
viele Spielstrategien möglich
manuell aktivierbare Abseitsfalle
situationsbezogenes Training
Verteidiger können Pässe antizipieren
starker Editor für individuelle Änderungen
guter Netzcode & Rivalenliste
kooperatives Spielen möglich
aufgepeppte Meisterliga & Mein Team
mit Classic-Controller oder Remote spielbar
drei Steuerungsvarianten

Kontra

es fehlt immer noch Richtungspräzision im Abschluss
Schuss & Pass auf dem B-Knopf führt zu Verwechslungen
Doppelpässe nicht intuitiv genug
einige fehlerhafte deutsche Texte("Freudesliste")
Dribblings nicht effizient genug
Remote-Steuerung mit Schwächen
keine Versus-Spiele mit unterschiedlichen Steuerungen möglich
keine Online-Liga möglich

Wertung

Wii

Bessere Freistöße und Ausdauer als Faktor? Nicht mehr als ein Update von PES 2009.

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