Harvest Moon: Deine Tierparade09.12.2010, Jens Bischoff
Harvest Moon: Deine Tierparade

Im Test:

Obwohl Rune Factory das virtuelle Bauerndasein mittlerweile auch auf Nintendos Wii um auflockernde Dungeon-Streifzüge erweitert hat, hat man die friedvolle Mutterserie noch lange nicht abgeschrieben. Der jüngste Harvest Moon-Sprössling rückt den Umgang mit Tieren in den Vordergrund, ohne das traditionelle Spielgerüst großartig zu verändern. Reicht das, um die Fans erneut auf den Hof zu locken?

Bauer sucht Haustier

Man nehme das letzte Harvest Moon, füge ein paar neue Rezepte, Figuren und Feldfrüchte dazu, injiziere eine Dosis Nintendogs und fertig ist Harvest Moon: Deine Tierparade (ab 45,00€ bei kaufen).

Grafisch erreicht der Wii-Bauernhof leider nicht einmal GameCube-Niveau.
Klingt hart, trifft es aber auf den Punkt, denn viel verändert hat sich im Vergleich zum letztjährigen Baum der Stille nicht. Okay, der Charaktereditor hat zwei neue Optionen erhalten und bietet nun ganze vier Auswahlmöglichkeiten...

Nein, Spaß beiseite, es gibt durchaus sinnvolle Detailverbesserungen wie z. B. beim Beziehungssystem, der Zeitabrechnung oder der Hoferweiterung. Aber auch wenn alles etwas stimmiger und umfangreicher wirkt, grundlegend verändert hat sich nichts. Die Präsentation würde nach wie vor selbst einem GameCube die Schamesröte ins Gesicht treiben, einen Großteils des Spiels verbringt man noch immer nervigem Gerenne und Däumchendrehen, weil die Wege unnötig lang und die Ladeunterbrechungen ungemein zahlreich sind, während Handlung und Charaktere trotz netter Einbettung völlig blass bleiben.

Kling Glöckchen, kling

Ziel des Spiels ist es, fünf Glöckchen zu läuten, um den Erntekönig zu beschwören sowie eine Familie zu gründen und ein erfolgreicher Landwirt zu sein. Das Bestellen der Felder, das Knüpfen von Beziehungen und der Ausbau des Hofs sind nach wie vor motivierend. Auch die erweiterten Interaktionsmöglichkeiten mit den Tieren wissen durchaus zu gefallen. 

Der Spielablauf ist altbekannt und bietet wenig Überraschungen.
Doch auch wenn man nun sämtliche Nutztiere reiten, Haustiere dressieren und Zirkustiere als Abkürzungen missbrauchen kann, wirkt der eigentliche Spielablauf ungemein dröge.

Man steht morgens auf, jätet Unkraut, wässert seine Pflanzen, füttert sein Vieh, packt seine Erzeugnisse in die nächste Versandbox und plaudert mit den anderen Dorfbewohnern. Man kauft sich neue Setzlinge, Rezepte, Kleider oder Einrichtungsgegenstände, verteilt Geschenke und leistet Gefälligkeiten. Wer will, kann auch Kräuter und Pilze sammeln, Fische fangen, Mehl mahlen, kochen, Fotos schießen sowie Holz hacken und Steine zerbröseln, um neue Stallungen zu bauen oder seine Gerätschaften aufzumotzen.

Alle Jahre wieder

Doch trotz wechselnder Jahreszeiten und Witterungen sowie gelegentlicher Dorffeste und Spielwelterweiterungen erledigt man Tag für Tag die selben Tätigkeiten und Handgriffe. Harvest Moon-Fans kennen und mögen das natürlich, aber selbst wenn einem der immer gleiche Alltag im Hinblick auf seine Karriere als Bauer nichts ausmacht, so fragt man sich doch, warum man sich dafür schon wieder ein neues Spiel kaufen soll. Nur weil man sich jetzt auch mit Fröschen anfreunden, auf Ziegen reiten oder mit Hunden Gassi gehen kann, soll man eine weitere Farmer-Karriere starten? Wohl kaum...

Mir wäre es wesentlich lieber gewesen, wenn man endlich mal eine vernünftige Streaming-Technologie entwickelt hätte,

Neben einem Wanderzirkus gibt es auch neue Reit- und Haustiere.
um die zahllosen Ladeunterbrechungen einzudämmen, die audiovisuelle Präsentation erstmals über N64-Niveau gebracht oder sich wenigstens mal eine spannende Story und interessante Charaktere ausgedacht hätte. Aber nein, erzählerisch wird noch immer belangloses Kasperletheater gespielt, grafisch in der 3D-Steinzeit vor sich hin geruckelt und akustisch konsequent die Klappe gehalten.

Auch in punkto Mehrspielerangebot gibt es keinen Grund zum Jubeln: Statt kooperativer Feldarbeit oder spannender Ernteduelle, kann man öde Wettrennen bestreiten oder stumpfsinnige Rubbeldienste leisten, um den Protagonisten eines Freundes bei Mensch und Tier beliebter zu machen, was natürlich auch ohne die kaum zumutbare Hilfe eines Mitspielers funktioniert, sofern man eine zweite Remote sein eigen nennt. Wer will, kann übrigens auch per Classic Controller seinen Bauernhof schmeißen, die Bewegungssensoren werden ohnehin kaum genutzt. Dafür können bis zu drei Hobbybauern eigene Spielstände anlegen und sich so Spiel und Konsole kostengünstig teilen.   

Fazit

Trotz einiger Detailverbesserungen und -erweiterungen tritt Harvest Moon auch als Tierparade in jeder Hinsicht auf der Stelle: Die grafische Präsentation wirkt geradezu vorsintflutlich und vollbringt dennoch das Kunststück ständig zu ruckeln, die Laufwege sind trotz späterer Abkürzungen ungemein zehrend und in Verbindung mit den häufigen Ladeunterbrechungen ein gewaltiger Nervfaktor, Charaktere und Story bleiben trotz netter Einbettung völlig belanglos und der eigentliche Spielerverlauf ist im Grunde eintönig wie eh und je. Klar macht es nach wie vor Spaß seine Farm auszubauen, Beziehungen zu pflegen und sich um seine Felder und Tiere zu kümmern. Aber auch wenn nun insgesamt alles etwas runder läuft, die Aktionsmöglichkeiten ein wenig vielschichtiger sind und inhaltlich nochmals eine Schippe drauf gepackt wurde, wie viele Harvest Moons gleicher Machart braucht der Mensch? Und was kommt als nächstes? Harvest Moon: Pausenspaß - jetzt mit Minispielen während der Ladeunterbrechungen? Versteht mich nicht falsch, genügsame Hobbyfarmer werden immer noch ausreichend unterhalten, aber eine kleine Kreativpause wäre sicher nicht verkehrt...

Pro

umfang- & facettenreiche Aufbaustrategie
individuelle Charakter- & Beziehungspflege

Kontra

belanglose Charaktere & Story
zäher & monotoner Spielverlauf
zehrende Ladepausen & Wegstrecken
vorsintflutliche Grafik & ständiges Geruckel

Wertung

Wii

Diesem Bauernhof sollten selbst Tierfreunde fern bleiben: Ideenarmut, Steinzeitgrafik und Ladeexzesse drücken gewaltig auf den Spielspaß.

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