Im Test:
Das Meer - unendliche Weiten
Exotische Fische, farbenprächtige Korallen - eine Augenweide!Um es gleich vorweg zu nehmen: Genauso wenig wie beim etwa zwei Jahre alten Vorgänger handelt es sich hier um eine Simulation. Diesen Anspruch erhebt Entwickler Arika nicht - und wer so etwas sucht, kann meines Wissens lange suchen. Auch das hierzulande leider nicht erhältliche "Aquanaut's Holiday" für PS3 leistet dies nicht. Wer aber die Faszination des Tauchens nachempfinden möchte, der ist hier an der richtigen Adresse! Also schlüpfe ich in die Flossen eines jungen Abenteurers, den seine Studien zum "R&R Tauchservice" in die Südsee verschlagen haben. Noch auf dem Boot darf ich mein Alter Ego meinen Vorstellungen anpassen: männlich, weiblich, hell, dunkel, mittel, klein, groß.
Auf zum ersten "Check Dive"
Nachdem mich der Chef der Tauchstation seiner Enkeltochter Oceane vorgestellt hat, geht es endlich zum ersten Check Dive. Man möchte offenbar meine Fähigkeiten als Taucher "ausloten". Cheffe selbst darf aufgrund einer nicht ausgeheilten Dekompressionskrankheit nicht mehr tauchen, daher fungiert Oceane als mein "Buddy" - wie in der Realität ist man also nicht alleine unterwegs. Also geht's ab in das azurblaue Wasser der Lagune. Und hier kann das Spiel dann auch das erste
Oceane taucht vor mir, während ich einige Fische mit dem Pulsar analysiere. |
Unter Wasser herrscht Ruhe
Sprechfunk findet real im Bereich "Recreational Diving" (also Freizeit- oder Sporttauchen) nicht statt. Es gibt etwa 20 internationale Zeichen, mit denen kommt man prima zurecht; zusätzlich lassen sich Unterwasserschreibtafeln verwenden. Beim Entwickler Arika will man davon aber nichts wissen und so quasselt mich Oceane permanent mit Belanglosigkeiten zu, obwohl ich mich doch ganz der Schönheit der Natur widmen möchte. In diesem Zusammenhang fällt die fehlende Sprachausgabe dann schon fast wieder positiv ins Gewicht, denn das ewige Lesen und Weiterklicken der Sprechboxen ist einer entspannten Atmosphäre unter Wasser alles andere als zuträglich: "Schau mal, wie schön ein Blauwal" & das muss ich nicht lesen, das sehe ich selbst. Im Gegenteil: Während ich mit dem Lesen und Weiterklicken der Dialogbox beschäftigt bin, ist der Meeressäuger schon fast wieder an mir vorbeigezogen. Dabei geht es beim Tauchen doch genau darum: Entspannung finden - in Einklang mit sich und der Natur. Aber bei dem, was hier in den ersten fünf Minuten auftaucht, kann von Entspannung eh keine Rede sein. In kürzester Zeit begegnen mir so viele majestätische und seltene Meeresbewohner wie man sie in einem ganzen Taucherleben kaum zu Gesicht bekommt: Mantas, Delphine und schließlich noch ein Buckelwal & mit seinem Nachwuchs! Für meine Begriffe etwas viel für einen ersten Tauchgang in einem pazifischen Atoll, aber immerhin: Langeweile kommt nicht auf. Bitte einfach mal Funkstille und einfach nur genießen.
Willkommen auf der "Neunerinsel"
Dann geht's zur Tauchbasis auf einer winzigen Insel, die der Chef wohl mal beim Billard gewonnen hat, daher der Name. Die Basis besteht aus einem Haus, einem Tisch unter einem Sonnendach sowie einem Steg und fungiert als zentraler Dreh- und Angelpunkt. Von hier werden neue Tauchgebiete angewählt, die über die ganze Welt verteilt sind und nach und nach freigespielt werden müssen: Hier greife ich auf mein Fischbestimmungsbuch zurück, archiviere Fotos und rufe Nancy per Sprechfunk. Nancy ist die fliegende Händlerin im Archipel und meine Anlaufstelle für neue Ausrüstung oder das Schätzen von Wertgegenständen, die im weiteren Verlauf geborgen werden können. Sie entziffert auch alte Schriften, was sehr wichtig für das Vorantreiben der Hauptgeschichte ist. Nebenaufträge wie Touristenführungen oder Umweltschutzaufträge werden ebenfalls von dieser Insel gestartet. Nachdem die Hauptgeschichte zunächst hier im Atoll im wahrsten Sinne des Wortes "weitergesponnen" wird, geht es aber schon bald nach Europa ins Ägäische Meer Im weiteren Verlauf wird auch die Arktis betaucht; außerdem stehen Flüsse mit Süßwasserfischen auf dem Reiseplan. Die Neunerinsel: Dreh- und Angelpunkt im Spiel.
Stichwort Hintergrundgeschichte
Offensichtlich erntete der Vorgänger in Ermangelung einer "echten" Hintergrundgeschichte viel Kritik und so hat man an dieser Stelle nachgebessert - für meine Begriffe schießen die Entwickler hier aber deutlich über das Ziel hinaus. Die Geschichte um den jungen Studenten, der auf der Suche nach der geheimnisvollen Saga vom "Lied des Drachens" (die wiederum der Schlüssel zu einem Schatz sein soll), auch noch die mysteriösen Umstände eines Todes im Umfeld der Tauchbasis-Betreibers aufdeckt, wirkt an den Haaren herbeigezogen. Da wird ausgehend von der Inschrift auf einem Anhänger an einer Halskette plötzlich ein Zusammenhang zu einem versunkenen Schloss in der Ägäis gezogen, das dann flugs entdeckt wird - von da geht's über Japan in die Antarktis: abgedrehter geht es kaum. Versunkene Kulturen, antike Städte...Endless Ocean 2 geizt nicht mit abenteuerlichen Schauplätzen.
Lesen, klicken, lesen, klicken
Zu allem Überfluss fehlt eine Sprachausgabe und so warten im Spielverlauf hunderte von Dialogblöcken mit mehr oder (eher) weniger "sinnvollen" Phrasen darauf, gelesen und weggeklickt zu werden. Beispiel gefällig? "Oh, das war aber jetzt ganz schön gefährlich mit dem Hai." Klick. "Wie gut, dass du den Pulsar eingesetzt hast" Klick. "Das hätte sonst böse ausgehen können". Klick. Noch aufgesetzter wirken nur die Passagen, in denen ich aus zwei Antworten die "richtige" wählen soll, um der Geschichte vermeintlich unterschiedliche Wendungen zu verleihen. Doch erstens kann es bei der Wahl einer Antwort aus solchen Alternativen wie A: "Ja, lass es uns versuchen!" oder B: "Nein, das traue ich mich jetzt nicht" keine zwei Meinungen geben und zweitens führt jede Antwort über kurz oder lang ohnehin zum selben Handlungsstrang - es gibt keine unterschiedlichen Enden (gut/böse) oder dergleichen. Kurzum: Die Fast-Food-Prosa, direkt aus dem Japanischen übersetzt, hätte man um gut zwei Drittel zusammenstauchen können; da lese ich lieber ein Buch. "Bitte recht freundlich"... Am Steg der Neunerinsel trainiere ich Delphine zu künftigen Tauchpartnern.
Der Alltag unter Wasser
Ertrinken oder Sterben im Allgemeinen droht hier nicht: Der Luftvorrat lässt sich zwar gut im Auge behalten, eine Rolle spielt das jedoch kaum, denn sollte ich mal unter die Reserve rutschen, werde ich immer wieder gesund und munter zum Tauchboot "gebeamt". Der "Oktopus" (zweite Stufe des Atemreglers als Nothilfe) meines Partners baumelt hier offensichtlich nur zur Dekoration herab. Ich kann auch während der Tauchgänge immer mal wieder den Kopf aus dem Wasser halten oder an Land gehen, was in Wahrheit aufgrund der erforderlichen Deko-Stops und anschließender Tauchpausen völlig undenkbar wäre. Außerdem gibt es putzige "Werkzeuge" wie einen "Pulsar", mit dem man Fische in Ego-Shooter-Manier treffen und somit heilen, gefährliche Exemplare aber auch verjagen kann. Oder einen "Multisensor", mit dem sich verborgene Gegenstände und Schätze am Meeresgrund aufspüren lassen. Sogar füttern darf man die Fische (i.d.R. absolut verpönt unter Sporttauchern). Im Spielverlauf kann der Tauchpartner von tierischen Partnern abgelöst werden, meistens Delphine oder kleine Wale, die an der Hausinsel dressiert werden dürfen. Mit deren Hilfe komme ich dann unter Wasser schneller von A nach B, denn ich darf mich an ihnen festhalten und ziehen lassen. Immerhin: Auf diese Weise kommt man der Lösung des Rätsels um das geheimnisvolle "Lied des Drachens" schneller näher. Per Multisensor (einer Art Echolot) spüre ich verborgene Gegenstände auf.
Spätzünder
Doch langweilig wird es danach nicht. Im Gegenteil: Ist die Story erstmal erledigt, geht der Spaß erst richtig los! Endless Ocean 2 ist in sich selbst nahezu endlos. Nebenaufträge wollen erfüllt, zig Titel ertaucht werden; zahllose Münzen und Schätze harren ihrer Entdeckung, sämtliche Tauchgebiete wollen lückenlos kartografisiert und jeder kranke Fisch geheilt werden. Oder ich gehe einfach tauchen, ohne bestimmtes Ziel - einfach so. Später darf ich mir sogar ein eigenes Hausriff zusammen stellen, indem ich von Nancy die entsprechenden Korallen "kaufe". Außerdem lockt der Multiplayer-Modus zu gemeinsamen Tauchpartien; allerdings nur unter bereits befreundeten Spielern. Wii Speak wird unterstützt, Einladungen sind jedoch nur per Freundescode möglich und zufälligen Begegnungen wird damit keine Chance gegeben - schade. Alles in allem entpuppt sich der zweite Teil als echter Zeitfresser und entführt all jene, die sich darauf einlassen, wochen- oder sogar monatelang in eine bezaubernde Welt der virtuellen Ozeane. Im zweiten Teil geht es auch ins Süßwasser: In Flüsssen heißt es dann schonmal im "Trüben fischen".
Fazit
Tarierung, Navigation unter Wasser, Dekompression oder Stickstoffnarkose spielen hier keine Rolle. Endless Ocean 2 ist auch keine Tauchsimulation - es ist ein Abenteuerspiel, das sich vorwiegend unter Wasser abspielt. Ist das ein Problem? Nein, natürlich nicht! Allerdings hätte ich mir schon eine Auswahloption sozusagen zwischen "Story" und "Divermode" gewünscht, denn die aufgesetzt wirkende Hintergrundgeschichte konnte mich genau so wenig überzeugen wie die teilweise infantilen Dialoge. Trotzdem muss sie gespielt werden, um neue Tauchgebiete zu erschließen. Immerhin: Die Story ist recht schnell abgehakt und dann darf ich mich dem widmen, wozu ich hergekommen bin: Tauchen. Wenn alle Reviere freigespielt sind, alle Dialogboxen weggeklickt und mein Tauchlevel und somit die Grundzeit auf das Maximum gestiegen sind, dann fährt Endless Ocean 2 zur Höchstform auf. Wenn ich dann unbekümmert durch die virtuellen Korallengärten gleite und mich einfach nur an der wunderschön inszenierten Unterwasserwelt freue, macht das Spiel richtig Spaß. Das sind die Momente, die mich unweigerlich an "Flower" erinnern - Spielen als Entspannungstherapie, ohne Highscore, Trophäen oder Erfolge-Korsett. Das sind die Momente, in denen ich mich an das 26 Grad warme rote Meer mit seinen wunderschönen Korallengärten erinnere, während draußen der Regen prasselt.
Pro
Kontra
Wertung
Wii
Wunderschönes Abenteuerspiel im maritimen Szenario mit etwas aufgesetzter Story.
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