FIFA 1008.10.2009, Jörg Luibl
FIFA 10

Im Test:

Nicht nur auf PC, 360 und PS3, auch auf anderen Plattformen rollt dieses Jahr der Ball. Allerdings auf eine andere Art: Mal eben eine Pershing aus dem Fußgelenk jagen? Aus 60 Meter eine Granate auf den Kasten schütteln? Alles kein Problem auf Wii, denn hier wird aus der Fußballsimulation FIFA 10 (ab 1,99€ bei kaufen) ein schneller Arcade-Kick. Wir sind mit Remote und Nunchuk auf Torejagd gegangen!

Schüttel den Zweikampf

Der neue Comic-Look sorgt für frischen Wind, aber auf dem Platz erkennt man diese Herren nicht mehr.
Die Ecke segelt in den Strafraum, aber wer kommt an den Ball? Ob der Stürmer oder der Verteidiger das Leder köpfen kann, wird per Remote-Geschüttel entschieden: Wer in dem Moment hin und her wedelt, wenn der Ball grün leuchtet, der gewinnt den Zweikampf und kann vielleicht ein Tor machen bzw. die Situation klären. Das Problem: Manchmal fuchteln beide gleichzeitig und der Zufall entscheidet...

So ähnlich läuft das bei Elfmetern: Hier muss zunächst der Ausführende rechtzeitig schütteln, wenn sein Spieler in den grünen Anlaufbereich kommt, nach einer kurzen Schussanimationszeitlupe dann der Torwart. Leider kommt es hier zu einigen dummen Toren, wenn ein "schwacher Schuss" genau über dem Keeper ins Netz segelt. Und davon gibt es noch mehr: Es macht zwar Spaß, einfach mal so aus jeder Lage über das Schütteln der Remote aus 60 Metern abzuziehen, denn der Ball donnert regelrecht Richtung Kasten. Das sieht bei den ersten Matches auch noch klasse aus, aber verliert schon bald an Reiz. Es gibt letztlich nicht nur viel zu viele gleiche Animationen bei Schüssen, Remplern & Co, sondern auch viel zu viele gleiche Tore, vor allem nach Abprallern. Ein Arcade-Kick muss die Spieler belohnen, die wirklich akrobatisch und spektakulär spielen, nicht die Abstauber. Und man vermisst bei beiden Standards sowie im Abschluss schmerzlich die Richtungskontrolle - man hat weder bei den Schüssen noch bei den Ecken oder Elfmetern die Chance, den Ball wirklich da hin zu bringen, wo man ihn haben will; das läuft alles je nach gesteuertem Profi automatisch ab. Und das führt dazu, dass jeder Standard genau gleich aussieht. Soetwas raubt auch einem Arcade-Kick spätestens nach drei, vier Spielen die Motivation.

Der kurzweilige Spielaufbau

Wuchtige Schüsse und Zeitlupeneffekte wirken zunächst richtig gut, aber das Spiel ist auf lange Sicht zu wiederholungsanfällig.
Lediglich bei den normalen Pässen und Flanken kann man je nach gewählter Steuerung entweder per Nunchuk die Richtung angeben oder per Remote direkt auf den gewünschten Zielpunkt zeigen. Theoretisch kann man kurze und hohe sowie über einen längeren Druck der A-Taste auch Pässe in die Tiefe spielen, aber Letztere lassen sich für einen Arcade-Kick zu selten erfolgreich einsetzen. Also ackert man sich eher mit Soloeinlagen durch das Mittelfeld. Trotzdem kommt auch über kurze Pässe schnell Spielfluss auf, denn mit einfachen Sprints lassen sich Flügelläufe und Freiräume schaffen und wenn es bei einem Distanzschuss noch eine kurze Slow Motion gibt, dann ist das schon ansehnlich.

Sobald man in der gegnerischen Hälfte ist, füllt sich die Momentum-Anzeige. Und wenn diese leuchtet, kann man Spezialmanöver wie Fallrück- sowie Seitfallzieher oder Zeitlupenkracher einleiten, die endlich für etwas mehr akrobatisches Salz in der Fußballsuppe sorgen. In der Verteidigung hat man zudem ausreichend Möglichkeiten, das zu verhindern: Man kann ins einfache Tackling gehen, die Grätsche aus dem Ärmel schütteln und sogar einen zweiten Mann zwecks Pressing auf den Gegner hetzen. Aber all das sieht auch alles gleich aus, es gibt für jede Aktion nur eine Animation und EA wagt sich nicht an brisante Todesgrätschen oder übertriebene Rempler, die dem Spiel à la Red Card 20-03 mehr Würze verleihen könnten.

Trotz Transfers und Club-Boost kommt der Managermodus nicht wirklich in Fahrt - zu halbherzig, zu oberflächlich.
Die normalen Dribblings sind zwar hilfreich, um dem zu entgehen, aber lange nicht so spektakulär wie etwa in Sega Soccer Slam : Über den C-Knopf des Nunchuk kann man den Profi etwas verlangsamen und bei enger Ballführung seitlich tänzeln lassen, aber die echten Finten wie Übersteiger und 360-Grad-Dreher liegen umständlicher Weise auf dem Steuerkreuz und sind letztlich nicht elegant genug. Wer damit Probleme hat, kann immerhin auf die alternative Steuerung umstellen, dann wird mit dem Analogstick gezaubert. Trotzdem war vor allem animationstechnisch mehr drin, wenn man das mit Spielen wie Mario Strikers: Charged Football vergleicht. Überhaupt kann man aufgrund des groben Comiclooks trotz offizieller Lizenzen, also erster und zweiter Bundesliga plus internationale Top-Clubs, kaum Profis erkennen. Die Stadien kann man noch erahnen und die grob gehauenen Zuschauer gehen immerhin gut mit. Überaus witzig ist zudem das Jubeln der eigenen Fans in der Remote des Gegners, wenn man nach einem Treffer rechtzeitig schüttelt. Aber so richtig Arcade-Stimmung kommt nur ansatzweise auf.

Als Ersatz für die Mii-Minispiele im letzten Jahr hat EA einen stark beschnittenen Manager-Modus namens "Weg zum Ruhm" integriert: Hier sucht man sich als Trainer einen Club aus und soll diesen an die Spitze führen. Seltsamerweise nutzt man für die Spielerbewertung nicht das althergebrachte 100-Prozentsystem, sondern eine zunächst verwirrende Skala von 1 bis 20. Wer kann schon etwas damit anfangen, wenn ein Mittelstürmer eine 14 hat? Man denkt fast an eine Rückennummer. Auch bei den Transfers geht man weg von der Realität, weg von den Euros und rechnet in Sternen ab. Und auch die Zielerreichung wirkt für einen Managermodus reichlich albern: Man kann sich selbst aussuchen, ob man z.B. "keine vier Tore" bekommt, selber drei schießt oder etwa keine rote Karte sieht. Erreicht man das Ziel, bekommt der Club auf einer Leiste Pluspunkte, die irgendwann so genannte "Spiel-Boosts" auslösen, die die Mannschaft z.B. in Sachen Geschwindigkeit oder Zweikampfstärke verbessern; es ist auch möglich selbst technisch schwache Profis auf diese Art zu Dribbelkünstlern aufzuwerten. Aber warum soll man diesen Managermodus als echter Fan spielen, wenn er nur an der Oberfläche kratzt, komische Währungen sowie Einschätzungen beinhaltet und nicht nur der Fussball Manager 10 vor der Tür steht, sondern auch ein  Academy of Champions mit einer wesentlich ausgefeilteren, weil individuelleren Karriere?

      

Fazit

Man spurtet in die gegnerische Hälfte, zieht über ein Schütteln der Remote ab, die Zeitlupe friert den Schuss kurz ein und dann kracht er gewaltig Richtung Kasten! Herrlich. Jedenfalls beim ersten und vielleicht auch zweiten Mal. Für den schnellen Kick zwischendurch ist das Spiel durchaus geeignet. Und man freut sich natürlich immer über einen Zuwachs an Online-Fußball für Wii. Aber wenn man sich anschaut, welche Qualität es im Arcade-Fußball schon vor zig Jahren auf PlayStation 2 und GameCube mit Red Card 20-03 oder Sega Soccer Slam gab, dann ist dieses FIFA 10 eher solide als außergewöhnlich. Und es kann nicht so ganz aus seiner Lizenzhaut: Es sitzt mit seinem Pseudo-Realismus und dem gut gewollten, aber schlecht gekonnten Comiclook zwischen den Artdesign-Stühlen, zwischen gediegener Authentizität und übertriebenem Spaß. Es erreicht weder die spektakuläre Wucht noch die akrobatische Eleganz, die man von richtig gutem Arcade-Fußball verlangen muss - stattdessen ernten Abstauber und Schnellfuchtler teilweise armselige Tore. Wer mit Spielhallenflair und artistischen Einlagen kicken will, greift lieber zu Mario Strikers: Charged Football  oder wartet auf Academy of Champions ; da ist auch der Karrieremodus witziger. Und wer guten Taktikfußball für Wii sucht, sollte sich Pro Evolution Soccer 2010 notieren!

Pro

frischer Comic-Look
kurzweiliger Arcade-Kick+ wuchtige Zeitlupenschüsse
zwei Steuerungsvarianten
offizielle Fußball-Lizenzen
30 Ligen, 570 Mannschaften
Online-Modi (1vs1/2vs2) mit Rangliste

Kontra

- nicht spektakulär genug- viele blöde Abprallertore- keine Richtungskontrolle
schwache Animationen- unpräzise Pässe in die Tiefe
keine Doppelpässe- Elfmeter zu leicht zu halten

Wertung

Wii

Frischer Comiclook, für ein Match zwischendurch gut, aber nicht spektakulär genug.

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