Tatsunoko vs. Capcom: Ultimate All-Stars28.01.2010, Paul Kautz
Tatsunoko vs. Capcom: Ultimate All-Stars

Im Test:

Capcom ist nicht gerade bekannt dafür, seine Fans zu schonen - ganz im Gegenteil: Über die Jahrzehnte hat sich das Unternehmen den Ruf erarbeitet, ein Haufen cleverer Fieslinge zu sein. Ein Ruf, der vom beinharten Schwierigkeitsgrad klassischer Serien wie MegaMan, Ghosts'n'Goblins oder Profi-Prüglern wie Marvel vs. Capcom 2 zementiert wird. Und ausgerechnet diese Berufsfolterer bringen jetzt ein Prügelspiel für die ganze Familie raus - und auch noch auf Wii?

Keine Zombies, dafür Backpfeifen!

Video: In Tatsunoko vs. Capcom prallen zwei sehr ungewöhnliche Welten aufeinander - und kloppen sich erstmal standesgemäß!Das »Upgraden« vorhandener Spiele in Form von Neuveröffentlichungen mit erweiterten Namen ist eine Capcom-Tradition, die bis ganz zurück zu Street Fighter 2 geht - allein von diesem Spiel gibt es, je nachdem, inwieweit man Compilations und Remakes dazu zählt, zwischen sechs und gefühlten 200 Varianten. Ganz so ausufernd geht es bei Tatsunoko vs. Capcom (TvC) nicht zu, aber ganz verleugnen kann Capcom seine Wurzeln auch hier nicht. Denn das Originalspiel »Tatsunoko vs. Capcom: Cross Generation of Heroes« ist in Japan seit mehr als einem Jahr in den Spielhallen und auf Wii erhältlich. Lange Zeit war überhaupt nicht abzusehen, ob dieses doch sehr japanische Spiel überhaupt jemals seinen Weg in den Westen finden würde. Und jetzt, wo es soweit ist, bekommen wir nicht einfach eine übersetzte Variante des bereits bekannten Kloppers, sondern eine in einiger Hinsicht aufgemotzte Variante.

Das geht bei den Figuren los: 26 Fighter warten insgesamt auf ihren Einsatz, 13 auf Capcom-Seite, ebenso viele in der Tatsunoko-Ecke. Fünf davon sind brandneu, u.a. Frank West (den deutsche Spieler natürlich auf keinen Fall kennen, schon gar nicht aus diesem garstigen 360- und Wii-Spiel, in dem die Toten wiederauferstehen), der aus der MegaMan-Serie bekannte Zero und Tekkaman Blade. Die andere wichtige Neuerung ist der Online-Modus, der schnelle Gefechte über das Internet ermöglicht. Zugegebenermaßen auch nicht viel mehr als eine schnelle, auf das Notwendigste beschränkte Klopperei zwischen zwei Fightern, die ihre Freundescodes ausgetauscht haben müssen. Aber immerhin funktionieren die Gefechte zügig und

Zwei der Bonusfiguren: Viewtiful Joe und Frank West treten auf Capcom-Seite gegen die Tatsunoko-Schar an.
lagfrei, was angesichts der Tatsache, dass der Online-Modus in letzter Sekunde eingebaut wurde (mehr dazu erfahrt ihr in unserem Interview mit Producer Ryota Niitsuma), eine bemerkenswerte Leistung ist - in jedem Fall eine bessere, als Namco bei Tekken 6 abgeliefert hat.

Tatsuwas?

Capcom hat seine Prügelhelden in der Vergangenheit schon des Öfteren gegen firmenfremde Klopper in den Kampf ziehen lassen: Mit SNK wurden ebenso Backpfeifen getauscht wie mit Figuren aus dem Marvel-Universum. Aber Tatsunoko? Wer ist das? Was ist ein Gold Lightan? Ken the Eagle, Yatterman, Polymar? Nie gehört? Kein Wunder, denn wenn man auch nur ein Viertel der Tatsunoko-Kämpfer wenigstens vom Hörensagen des tiefsten Unterbewusstseins kennt, ist man schon auf der Gewinnerseite. Tatsunoko Production ist so japanisch wie es nur möglich ist, in jenen Breiten aber so bekannt wie bei uns Disney. Das Studio hat einige der bekannteren Animes und Anime-Serien wie Samurai Pizza Cats, Neon Genesis Evangelion oder Adventures of Pinoccio geschaffen und gilt als Legende - ist außerhalb Japans aber nur Eingeweihten vertraut.

Normalerweise kämpfe man immer zu zweit, nur im Falle von Gold Lightan sowie dem Mech-Anzug PTX-40A wird eine Ausnahme gemacht - die sind auch so schon groß genug...
Dieser ungewöhnliche Partner stellt also die Hälfte des Kaders, der auf Capcom-Seite aus mehr oder weniger bekannten Kämpfern wie Ryu, Chun-Li, MegaMan Volnutt (aus MegaMan Legends), Viewtiful Joe, Morrigan (aus Darkstalkers) oder PTX-40A, dem gigantischen Mech-Suit aus Lost Planet besteht. Auf der anderen Seite warten u.a. Casshan (die als Spezialmanöver mit ihrer Flammenwerfer-Töleangreift), Doronjo (die u.a. ihre beiden Helferlein Boyacky und Tonzura in die Schlacht schickt) und der goldene Riese Gold Lightan. Nicht alle Kämpfer sind von Anfang an verfügbar, einige müssen erst freigeschaltet werden, was ein mehrmaliges Durchspielen des Arcade-Modus erfordert. Man ist (von zwei Ausnahmen abgesehen) immer zu zweit unterwegs; vor Spielbeginn darf man seine beiden Lieblingskämpfer frei auswählen, zwischen denen man dann im eigentlichen Gefecht auch wechseln kann, sofern man nicht gerade aufs Maul bekommt - außerdem kann man den Partner auch für Koop-Angriffe einspannen. Die beiden Ausnahmen sind G. Lightan sowie der Lost Planet-Robo - die beiden sind so groß und so mächtig, dass man mit ihnen nur solo antreten darf.        

Und wie das kracht!

Nicht nur das Figurendesign lässt Grafikfreunde mit der Zunge schnalzen, auch die ideenreich aufgebauten Levels sind zum Teil kleine Meisterwerke.
Im Grunde seines Herzens ist TvC ein Beat-em-Up im klassischen Street Fighter 2-Stil - aber ein wesentlich einfacherer! Es gibt weitaus weniger Angriffsknöpfe als gewohnt, Spezialmanöver werden einfach über einen Knopfdruck (und für etwas Variation in Kombination mit einer Richtungsangabe) ausgelöst, für eine wahnwitzige Hyper Combo reicht es sogar, die Wiimote ein bisschen zu schütteln! Ja, es gibt auch fortgeschrittene Spieltechniken wie den befreienden »Mega Crash«, die »Team Hyper Combo« oder den »Cross-Over Air Raid« (eine stärkere Variante der »Cross-Over«-Attacke), die aber im normalen Spielalltag erschreckend untergehen bzw. auch durch simples Buttonmashen ausgelöst werden können. Ironischerweise hat man dadurch als Nutzer der typischen Wii-Kombination Fernbedienung+Nunchuk sogar den deutlichen Vorteil gegenüber Spielern mit Classic oder GameCube-Controller. Kurzfassung: Prügeltaktiker werden sich hier schnell schaudernd zurück in Richtung BlazBlue , Marvel vs. Capcom 2 oder Super Street Fighter II Turbo HD Remix abwenden. Passend dazu ist TvC schnell, wirklich verdammt schnell: Die Fighter springen und rennen zügig durch die Levels, es regnet Specials und Hyper Combos am laufenden Band, der Schaden wird nicht in Tausendern oder Hunderttausendern, sondern gleich mal in Billionen berechnet! Warum? Darum! Das hier ist ein Arcade-Prügler, der gefälligst zu krachen und überdreht zu sein hat, wenn er schon derartig tiefe Anime-Wurzeln hat.

Der für Solisten wichtigste Spielmodus ist die Arcade-Variante - etwas, das die Konkurrenz von Namco mittlerweile vergessen hat. Er ist nicht besonders lang, aber dafür von einem sehr coolen, bemerkenswert abwechslungsreichen Bossfight gekrönt; auch das ein Ereignis, das man mittlerweile ob seiner Seltenheit zu schätzen lernt. Hat man die Arcade bezwungen, die Capcom-typisch mit vielen Schwierigkeitsgraden dem eigenen Können angepasst werden kann, hat man mehr oder weniger »Zennys« verdient. Das ist die interne Währung, mit der man sich im Spielshop in einen

Da geht er ab, der Ryu! Auch in Sachen Spezialeffekte lässt sich TvC wahrlich nicht lumpen...
Kaufrausch begeben kann: Neue Figuren, neue Farben für die vorhandenen, 3D-Modelle, Artworks und mehr warten nur darauf, das hart gefüllte Konto ratzfatz leer zu lutschen. Außerdem sind die Credits selbst ein Minigame: Wer es hier schafft, alle goldenen Buchstaben einzusammeln, was schwerer ist, als man glauben möchte, wird mit einem Vertikalshooter ganz alter Schule belohnt, den man sogar mit einigen Freunden angehen darf!

Die beeindruckendste Eigenschaft und damit der deutlichste Hingucker von TvC ist die exzellente Grafik: Die Kämpfer sind hervorragend animiert und dank des verwendeten Comic-Stils fällt die niedrige Auflösung der Wii selbst auf großen HD-Geräten gar nicht so sehr auf. Was auch den größtenteils fantastisch und ideenreich designten Levels zu verdanken ist: In einem prunkvollen Schloss wabern im Hintergrund mehrere Spiegel, in einer putzigen Spielzeugfabrik werden Figürchen zusammengebaut, ein chinesisches Dorf steht am Fuße eines malerischen Wasserfalls. Klar, es gibt auch weniger ergreifende Abschnitte (wie etwa die japanische Innenstadt), aber insgesamt ist die Leistung von Capcoms Designer gerade angesichts der im Vergleich zu 360 und PS3 doch sehr schmalbrüstigen Hardware höchst beeindruckend! Und man darf nicht vergessen, dass es hier am laufenden Band glüht und scheppert und kracht und platzt und krawummt - die Effekte gerade der dickeren Spezialangriffe sind der Hammer! In Sachen Akustik müssen die Superlative da schon deutlich zurückgekurbelt werden: Wer seine Freude an Autotune-JPop-Massakern hat, der wird schon beim Intro verzückt mit dem Hintern wackeln, alle anderen werden frohen Herzens zur Kenntnis nehmen, dass die belanglosen Melodien im Effektfeuerwerk gnadenlos untergehen. Alle Vertreter der Nihongo-Fraktion dürften sich außerdem darüber freuen, dass die Sprachausgabe ausschließlich auf Japanisch erklingt.    

Fazit

Meine größte Sorge nach exzessivem Spielen der Vorschaufassung von TvC war, dass dem Light-Geprügel auf Dauer aufgrund des stark vereinfachten Spielprinzips schlicht die Luft ausgehen würde. Die gute Nachricht: Ich habe mich geirrt, das Teil macht auch nach einem Dutzend Stunden immer noch verdammt viel Spaß! Die schlechte: So richtig geirrt habe ich mich dann doch nicht, denn Profis und Klopp-Taktiker werden an der stark vereinfachten Steuerung auf Dauer keine Freude haben - zwar sind fortgeschrittene Spielstrategien möglich, aber im Großen und Ganzen unnötig, wenn man mit wildem Fuchteln und Buttonmashing locker genauso weit kommt. TvC ist von daher weniger ein klassisches Beat-em-Up als vielmehr ein wunderbar krachendes, blinkendes, glitzerndes, schepperndes, irre schnelles und sehr unterhaltsames Partyspiel mit zum Teil extrem bizarrer Figurenwahl, das wie üblich vor allem im Multiplayermodus glänzt. Aber auch Solisten kommen dank des großartigen Arcade-Modus' voll auf ihre Kosten, der -Wunder über Wunder- sogar mal von einem spaßigen Bossgegner gekrönt wird - ein Luxus, den man nach all den Jinpachis, Seths und Azazels dieser Welt gar nicht mehr gewohnt war.

Pro

tolle Grafik
einfache Steuerung...
viele Spielvarianten
großer Kämpfer-Kader
gute Netzwerkverbindung
hervorragendes Leveldesign

Kontra

sehr Buttonmasher-lastig
...vielleicht schon zu einfach
belangloser Soundtrack

Wertung

Wii

Sehr unterhaltsame, aber leider auch sehr oberflächliche Wii-Klopperei - mit einem sehr abgefahrenen Kader.

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