NyxQuest09.07.2009, Jörg Luibl
NyxQuest

Im Test:

Bisher können nur wenige Spiele über WiiWare so überzeugen wie das charmante LostWinds . Nintendos Dienst für kreative Entwickler fristet im Vergleich zu dem, was auf Xbox Live oder dem PSN passiert, noch ein qualitatives Schattendasein. Umso erfreulicher ist es, wenn es zwischendurch Licht am Ende des Downloadtunnels gibt. Das spanische Team von Over The Top Games hat uns mit einem kreativen Jump'n Run in die antike Sonne gelockt. Das hieß eine Zeit Lang "Icarian", aber ist jetzt als "NyxQuest (ab 4,99€ bei kaufen)" für 1000 Punkte im Shop erhältlich.

Aus Liebe zum Wachsmann

Kann Zeus der unglücklichen Nyx helfen? Ihr Geliebter Ikarus ist verschwunden...
Was ist mit Ikarus passiert? Warum kommt er nicht mehr in das Reich des Himmels? Das fragt sich die Blondine Nyx, die ihren Freund schmerzlich vermisst. Also macht sie sich als geflügeltes Wesen auf den Weg zur Erde, um in der Welt der Menschen nach ihm zu suchen. Aber das ist erstens ein Frevel gegenüber ihrer göttlichen Herkunft und zweitens überaus gefährlich. Denn Griechenland wird von Äolien bis Thessalien von der Gewalt des Titanensprosses Helios heimgesucht - Stürme, Fallen und Monster von Harpyien bis zu Minotauren warten in gleißendem Licht des Sonnenherrschers.

Aber wo die Liebe ist, ist auch ein Weg und schließlich helfen Zeus & Co bei der Suche in 13 Abschnitten mit ihren Kräften aus; also nix wie los und Remote&Nunchuk raus: Zwar kann die schmächtige Nyx keine Axt schwingen, aber dafür ist sie elegant in der Luft unterwegs. Sie kann bis zu fünf mal über den A-Knopf mit den Flügeln schlagen, um so flatternd an Höhe zu gewinnen und über eine kurze Zeit auch dank Z-Knopf schweben, um über gefährliche Fallen, poröse Steine oder Abgründe zu gleiten. Außerdem beschleunigt sie so ihren etwas hölzern animierten Lauf auf der Erde. Vorsicht: Der Sand ist so heiß, dass sie bei Kontakt sofort an Lebensenergie verliert, die nur über das Sammeln von Herzen aufgefüllt wird.

Unter der antiken Sonne

Bis hierher hört sich das alles genau so gewöhnlich an wie es sich auf den ersten Metern von links nach rechts spielt. Aber es sieht durchaus ungewöhnlich aus und fällt in der Masse der kunterbunten WiiWare-Titel sofort auf: Die Kulisse besticht mit warmen Farben, langen Schattenwürfen, monumentalen Ruinen und bewegten Wolken im Hintergrund, so dass umgehend ein ebenso episches wie malerisches Flair entsteht. Dazu trägt auch die Story bei, die nicht nur mit mythischen Kreaturen und Zusammenhängen aufwartet, sondern auch über authentische Vasenmalerei transportiert wird.  Schade ist nur, dass man diesem Stil hinsichtlich der Bauwerke und Farben etwas zu lang treu bleibt, so dass nach drei, vier Stunden Spielzeit eine gewisse grafische Monotonie aufkommt, die LostWinds  oder Braid nicht so schnell plagte - erst, wenn die Nacht hereinbricht, wird der Schauplatz wieder interessanter und aufgrund der Lichtwirkung wieder unheimlich zauberhaft.

Leider will die etwas hölzern animierte Nyx, die sich nach Sprüngen nicht mal an Kanten festahlten will, sondern statisch abgleitet, überhaupt nicht zu den monumentalen Hintergründen passen, denn sie weckt eher Erinnerungen an Disney & Co und könnte auch direkt aus Filmen wie Hercules stammen. Etwas zu wenig Finesse bieten die Designer auch hinsichtlich der mythischen Kreaturen an, die meist als einfache schwarze Wesen auftauchen und wie Scherenschnitte wirken. Diese dunkle Stilisierung ist grafisch akzeptabel, aber etwas mehr Abwechslung und vor allem Vielfalt hätte nicht geschadet - gerade an den Harpyien sieht man sicht schnell satt. Unterm Strich kann man dennoch den Hut ziehen, denn auch die sphärischen Soundeffekte sowie das Rauschen des Windes unterstreichen die epische Wirkung des Schauplatzes.

Hüpfspiel mit Puzzel-Charme

Während der tödliche Sand von oben fließt, muss man Nyx über das geschickte Ziehen des Quaders in Sicherheit bringen.
Ist NyxQuest trotzdem bloß ein einfaches 2D-Jump'n Run? Nein, das antike Hüpferlebnis wird zum einen durch physikalische Spielereien aufgewertet: Man kann aufgrund der Gunst des Zeus mit der Remote auf Säulen zeigen, dann B drücken und diese damit ins Wanken bringen, bis sie fallen. Auf diese Art lassen sich auch gezielt niedrige Podeste in die Höhe ziehen, so dass man sich selbst eine optimale Sprungleiter schafft - die Levels lassen sich also interaktiv anpassen. Zum anderen kommen so einige Rätselelemente ins Spiel: Man kann per Sonnensymbol markierte Felsen gezielt durch einen Level bewegen, um mit ihnen Sandstürme einzudämmen oder Plattformen zu bilden. Und man muss ab und zu kleine Quader so einsetzen, dass Öffnungsmechanismen ak- bzw. Fallen deaktiviert werden. Außerdem sorgt die Kombination aus klassischem Springen und Gleiten plus physikalische Manipulation für Spannung: Etwa, wenn Nyx auf einem Felsen steht, der die Sandstürme von unten abhält, während man diesen Felsen gleichzeitig von links nach rechts schieben und im Ernstfall noch über Feinde hinweg springen muss. In diesen Momenten zahlt sich das kooperative Spiel aus: Während der eine Nyx steuert, kann der andere mit der Remote die göttlichen Kräfte manipulieren - so kann man auch als aktives Team vorwärts kommen. Noch besser wäre es natürlich gewesen, wenn jeder eine Figur hätte steuern können.         

Feuer & Luft

Diese schwarzen Drachen spucken tödlichen Qualm: In dem Moment, wo sie Feuer spucken, kann man selbiges per Remote greifen und zurückwerfen.
Und es kommen weitere Fähigkeiten hinzu: Irgendwann kann Nyx die Richtung der Luftströme ändern, um sich z.B. gezielt nach oben oder zur Seite zu katapultieren - eine gute Idee! Außerdem hat man das Feuer als Element clever in das Leveldesign mit einbezogen: Manchmal muss man eine Flamme ohne Kontakt mit Hindernissen zu einer Statue tragen. Schön ist, dass man diese zwischendurch einfach "abstellen" kann, um Wege frei zu machen; so muss man manchmal um die Ecke denken und das macht richtig Spaß. Ohne die Hilfe der Götter wäre Nyx trotzdem verloren, denn im Laufe des Spiels zieht der Schwierigkeitsgrad ordentlich an - und das ist gut so. Irgendwann muss man punktgenau springen, blitzschnell reagieren und sowohl Fallen als auch Feinden ausweichen, die immer zahlreicher auftauchen. Gut, dass Zeus & Co weitere Fähigkeiten spendieren: Da wäre das bereits erwähnte Feuer, das man auch nutzen kann, um es per Remote gegen poröse Felsen oder Feinde zu werfen.

Und später kommt auch ein Blitzschuss hinzu, der das Spiel allerdings mit einem Schlag etwas zu stark Richtung Action bringt: Auf einmal kann man mit der Remote auf jeden Gegner zielen und diesen auf einen Knopfdruck brutzeln. Selbst die

Pulsierendes Orbs versperren den Weg: Kommt man ihnen zu nahe, haften sie wie Kletten an Nyx und behindern sie.
schwarzen Drachen lassen sich damit beeindrucken und auch zerstörbares Gestein wird so pulverisiert. Das ist zwar unterhaltsam, aber das bis dahin angenehm bedächtige Spiel nimmt an Rasanz auf, die fast schon an einen Shooter erinnert.

Gut, dass die Entwickler immer wieder mit kreativen Mitteln gegensteuern: Etwa, als seltsame Orbs auftauchen, die sich wie Kletten an Nyx heften, falls sie ihnen zu nahe kommt, so dass man die Remote schütteln muss, um sie los zu werden. Hier muss man geschickt genau zwischen ihren pulsierenden Radien schweben, um erst gar nicht in Kontakt zu kommen. Oder als sich das Auge des Argos hinten im Level zeigt und man schnell ein Versteck finden muss, um nicht von einem Sandsturm hinweggefegt zu werden. Das ist eine klasse Idee, denn man muss bei seinen Flügen und Sprüngen immer darauf achten, dass man rechtzeitig hinter einer Säule oder einem Felsen steht.

Kleine Ärgernisse

Ärgerlich ist allerdings, dass man die Kamera nicht manuell in alle Bereiche schwenken kann, um sich einen Überblick zu verschaffen, bevor man z.B. springt - hier hätte auch eine stilisierte Minikarte geholfen, die z.B. das Relief des

Wenn die Sonne untergeht, wirkt die antike Kulisse noch zauberhafter.
Levels zeigt. Ärgerlich ist auch, dass sich Nyx beim Hantieren mit den Felsen selbst töten kann: Eigentlich sollte die Kraft des Zeus sie ja schützen, aber wenn sie die schweren Blöcke nur leicht über ihren Kopf bewegt, dann ist es mit ihr sofort vorbei, weil sie zermalmt wird. Etwas inkonsequent wirkt dann insbesondere, dass man Vasen wiederum nicht mit diesen Felsen zerdeppern kann - die bleiben einfach auf ihnen stehen, ohne dass etwas passiert. Frustrierend ist das langfristig jedoch nicht, weil es ein gutes Checkpoint-System mit kleinen Altären gibt, an denen man einen Abschnitt neu starten kann; außerdem kann man quasi nicht final sterben.

Die Präsentation setzt auf Schlichtheit, zwischendurch wird die Story über antike Vasenmalerei transportiert. Die Texte im Einstieg werden leider so schnell abgespult, dass man sie kaum lesen kann und wenn man sie komplett aufschnappt, muss man mit Fehlern wie "Trete durch dich Ruinen" rechnen. Eine Sprachausgabe über einen Erzähler hätte sehr viel zur Atmosphäre beitragen können; immerhin wird ab und zu göttliches Kauderwelsch durch die Boxen geraunt. Einen großen Wiederspielwert gibt es nicht, zumal die 20 Geheimnisse wie z.B. der Dreizack des Poseidon weder direkte inhaltliche Bereicherungen mit sich bringen noch in einem Archiv als 3D-Objekte einsehbar sind. Immerhin schalten sie am Ende noch einen dreizehnten Abschnitt frei.       

Fazit

Ich liebe Jump'n Runs mit Puzzelcharme. Schon Braid hat mich begeistert und dieses antike Abenteuer verströmt ein ähnlich mysteriöses Flair. Zuerst denkt man, eine ganz gewöhnliche 2D-Hüpferei vor malerischer Kulisse zu spielen, aber dann entfalten sich kreative Knobel- und Sprungreize, die einen Level für Level in die malerische Welt von Zeus, Argos und Ikarus locken. Auf den ersten Blick ist Nyx eines der schönsten Spiele, die man als WiiWare finden kann. Die Kulisse leidet nach ein paar Stunden zwar an einer gewissen Monotonie, was Farben und vor allem die immer gleichen Kreaturen angeht, aber dafür punktet das Spieldesign mit der angenehmen Symbiose aus Akrobatik und Rätseln, aus Kampf und cleverer Umgebungsmanipulation, die immer wieder Grips als auch Timing fordert. Nyx ist mit seinen knapp fünf Stunden Spielzeit deutlich länger und inhaltlich kreativer als LostWinds. Für gerade mal 1000 Wii Points bekommt man hier ein kleines Spiel, das ich als Jump'n Run zu den drei besten der Konsole zähle. Also geht der Gold-Award zusammen mit Glückwünschen sowie dem Wunsch nach einem "großen" Nachfolger an das talentierte Team aus Spanien!

Pro

+ gute mythologische Story
kreatives 2D-Jump'n Run
malerisches antikes Artdesign
sehr gute Remote-Einbindung+ durchdachtes Leveldesign
angenehm dezentes Sounddesign
interessante göttliche Fähigkeiten
interaktive Umgebung
viele physikalische Spielereien
intelligente Rätselabschnitte
Endgegner & Kampfelemente
kooperativ spielbar
angenehmes Speicherpunktsystem

Kontra

unglückliches Disney-Figurendesign
nervige Tode beim Felsjonglieren
etwas hölzerne Animationen
wenig mythische Kreaturen

Wertung

Wii

Eine ebenso malerische wie knifflige Reise ins antike Griechenland - dieses kreative Jump&Run gehört zu den besten auf Wii!

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