Calling26.03.2010, Michael Krosta
Calling

Im Test:

Mit Silent Hill: Shattered Memories hat Konami Wii-Besitzern eine Gänsehaut sowie nervenaufreibende Überlebenskämpfe samt 4P-Award beschert. Für ein gepflegtes Gruseln will man auch mit Calling (ab 38,95€ bei kaufen) sorgen, das sich an japanischen Horrorfilmen im Stil von "The Ring" orientiert und dabei die Remote in einen Telefonhörer verwandelt. Reicht man dabei an die Qualität der Vorlagen heran oder verkommt die Begegnung mit den Geistern unfreiwillig zur Lachnummer?

Mäßig spannend

Gepflegter (Psycho-)Horror kann etwas Feines sein: Da pocht das Herz, da will man eigentlich gar nicht weiter auf die Mattscheibe starren. Aber man tut es natürlich genau dann, wenn der Regisseur mit einem gezielten Schockmoment dafür sorgt, dass der ganze Körper zusammenzuckt. Ja, es ist ein gewisser Kick, die Angst zu spüren, die innere Anspannung zu erleben und sich erschrecken zu lassen. Wer erinnert sich nicht gerne an das plötzliche Pochen in Eternal Darkness oder das erste Auftauchen der Hunde in Resident Evil? Solche Momente bleiben haften. In Calling wird das Bedürfnis nach Panik und hohem Puls

Video: Horror im Stil von The Ring? Die Ansätze sind vorhanden, aber werden dramaturgisch nicht ausgebaut.leider nur ansatzweise bedient: Ja, am Anfang zuckt man schon mal zusammen, wenn man beim Öffnen einer Tür plötzlich in das Gesicht einer Spektral-Gestalt blickt oder Soundeffekte überraschend aus den Boxen scheppern. Allerdings nutzt sich das Stilmittel rapide ab und entlockt bald nur noch ein müdes Gähnen zur "Geisterzeit".

Fürchterliches Kampfsystem

Trotzdem darf man die Gegner nicht unterschätzen, auch wenn sie mehr an den Nerven als an der "Panik-/Gesundheitsanzeige" zehren. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie manchmal zu häufig auftauchen und den Spieler ständig in Kämpfen verwickeln, denen man nicht ausweichen kann. Das wäre ja okay, wenn das Kampfsystem etwas zu bieten hätte - hat es aber nicht! Die ungebetenen Gäste hält man sich in der Ego-Perspektive mit dem immer gleichen Rumschütteln der Remote in Verbindung mit einem kleinen Reaktionsspielchen vom Leib. Das ist besonders störend, wenn man z.B. schnell eine Telefonnummer ins Handy tippen muss, um sich an einen anderen Ort zu beamen und dabei immer wieder von den Attacken der Störenfriede unterbrochen wird. Die Designer dachten sich vielleicht, mit diesem Zeitdruck einen Hauch von Panik auslösen zu können - stattdessen steigt lediglich der Frust, wenn man nach den Angriffen immer wieder von vorne beginnen muss. Daneben trägt euch die Steuerung dazu bei, dass Konamis Horrortrip zum spielerischen Alptraum wird: Das Umschauen ist viel zu träge, wenn man die Remote an den jeweiligen Bildschirmrand bewegt und in den Optionen finden sich keine Einstellungen zur Anpassung. Zudem verliert man auch ab und zu den Cursor und damit auch die Orientierung. Zum

Die Invasion der Haare und Puppen. Calling bedient sich an vielen typischen Elementen des Psycho-Horrors aus Japan.
Glück kann man sich auch mit einem Doppel-Druck auf die Z-Taste des Nunchuks schnell um 180 Grad drehen, aber ideal ist das nicht. Gelungen sind lediglich die Momente, in denen man heftig an einer Tür rütteln muss, um rechtzeitig zu entkommen.

Grausige Präsentation

Eigentlich bringt Calling so viele gute Elemente aus dem japanischen Horror mit, die man auch aus Project Zero kennt: Da wären z.B. die Fratzen, die durch den Türschlitz starren. Oder Haare, die aus den Wänden zu wachsen scheinen. Die gequälten Seelen, die keine Ruhe finden. Und eine Geschichte rund um eine mysteriöse Webseite, die ihre Besucher scheinbar in eine Zwischenwelt aus Leben und Tod entführt. So landet man z.B. in einem verlassenen Schulgebäude, aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint oder schleicht durch die Korridore eines Hauses ohne zu wissen, wie man dorthin gelang ist. Dabei schlüpft man in die Rolle verschiedener Charaktere, die eine Gemeinsamkeit verbindet: Sie alle waren Besucher der mysteriösen Webseite und stecken jetzt in der Zwischenwelt fest. Was nach einem spannenden Gerüst klingt, entpuppt sich schon im Intro als Schlaftablette, denn hier erscheinen lediglich die Dialogzeilen des Chatraums auf dem Bildschirm - begleitet von ein paar billigen Tippgeräuschen. Wacht man kurz danach in einem dunklen Zimmer auf, wird es nicht besser: Spätestens wenn man die Taschenlampe findet und die Texturen im Anschluss genauer unter die Lupe nimmt, überkommt einen aufgrund der miesen Qualität und fehlenden Abwechslung das wahre Grauen. Vor allem der Ausflug in die Schule ist mit den Einheitstexturen und fehlenden Echtzeit-Schatten technisch eine Zumutung - vor allem, wenn man es mit dem fantastischen Silent Hill: Shattered Memories oder einem Dead Space: Extraction vergleicht.   

Gähnende Langweile

Auch inhaltlich kann Calling nicht überzeugen: Es passiert einfach zu wenig und man trottet die meiste Zeit gelangweilt durch ewig gleiche Korridore, starrt häufig auf den Ladebildschirm oder löst kleine Rätsel ohne großen Anspruch. Kommt es zur Begegnung mit Geistern, ist man dagegen eher frustriert anstatt sich über die Abwechslung zu freuen. Die Idee, die Remote als Handy zu missbrauchen ist nicht neu - schon Ubisofts Rabbids telefonierten auf diese Weise im Kino-Minispiel. Bei Calling krächzen dagegen die Geister oder Bekannte aus dem Lautsprecher der Remote, der wie immer nur eine bescheidene Qualität liefert. Alternativ kann man die Gespräche auch über die normalen (TV-)Lautsprecher ausgeben lassen. Aber will man das überhaupt? Die deutsche Sprachausgabe ist dermaßen mies, dass man ab liebsten sämtlichen Akteuren ein Pflaster über den Mund kleben möchte. Da ist es fast schon ein inkonsequenter Segen, dass nicht durchgängig gesprochen wird, sondern manche

Der "Fuchtelkampf" gegen die Geister ist nervig und sorgt mehr für Frust als Dramatik.
Dialoge einfach nur als Text zum Mitlesen ablaufen. Genau wie beim Auftreten der Geister übertreiben es die Entwickler allerdings manchmal mit der Frequenz an Anrufen und das Telefon bimmelt ununterbrochen. Einen Vorteil hat das Ganze: Man schläft nicht vor dem Bildschirm ein!

Übersinnliche Handy-Funktionen

Außer den inhaltlich belanglosen Gesprächen haben die Handys hier zusätzliche Funktionen: Mit der passenden Nummer kann man sich an einen anderen Ort "transportieren". Hat man z.B. zwei Telefone, schiebt man eines davon einfach durch den kleinen Schlitz einer verschlossenen Tür und ruft anschließend diese Nummer an. Ein paar Freizeichen später steht man auf der anderen Seite. Zudem lassen sich aufgenommene Störgeräusche mit Hilfe des Handys dekodieren. Was zunächst nach unsinnigem Kauderwelsch klingt, verwandelt sich nach der Aufnahme in verständliche Sätze, die wichtige Hinweise enthalten können. Last but not least darf man Bilder schießen und diese an die Wii-Pinnwand heften. Allerdings macht der interne Handyspeicher nicht viel her, denn es kann immer nur ein Foto gespeichert werden. Der Umgang mit Spielständen wirkt ebenfalls antiquiert, denn speichern kann man nur an bestimmten "Katzen-Statuen", die in den öden Schauplätzen verteilt wurden. 

  

Fazit

Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich an Calling denke. Nicht etwa, weil mich die Handlung gepackt hätte oder ich von einem Grusel-Höhepunkt zum nächsten gejagt wurde. Leider ist genau das Gegenteil der Fall: Obwohl nach dem furchtbaren Text-Intro in den ersten Spielminuten bei abgedunkeltem Zimmer die beklemmende Atmosphäre sowie Schock-Momente stimmen, läuft sich das Spielprinzip schneller tot als ein Handy mit seinem Klingeln auf die Nerven gehen kann. Neben der antiquierten Technik mit ihren öden Texturen und der trägen Steuerung ist es vor allem das schlimme "Fuchtel-Kampfsystem", das mich vom potenziellen Horror-Himmel in die Spielspaß-Hölle gerissen hat. Auch das Telefon-Feature kann als zentrales Element nicht überzeugen, weil einerseits die Qualität des Remote-Lautsprechers mieser ist als die eines Billig-Handys und andererseits die durchweg schwache deutsche Synchro für eine unfreiwillige Komik sorgt anstatt bedrohlich zu wirken. Ich habe selten durch die Bank weg so schlimme Sprecher erlebt wie hier! Da könnte die Atmosphäre noch so dicht sein - ein einziger Satz der blassen Charaktere würde umgehend alles zunichte machen. Wer Horror auf der Wii sucht, ist deshalb mit Resident Evil oder Silent Hill: Shattered Memories deutlich besser beraten. Ein Hoffnungsträger ist zudem noch Fatal Frame IV (bzw. Project Zero IV), falls es der Titel noch nach Europa schaffen sollte...

Pro

paar nette Schockmomente...

Kontra

...die irgendwann an Reiz verlieren
träge Steuerung (nicht anpassbar)
furchtbares "Kampfsystem"
keine durchgängige Sprachausgabe
grobe Texturen
wenig Abwechslung
schlimme (deutsche) Sprachausgabe
Schauplätze wiederholen sich
viele Ladeunterbrechungen
Telefonanrufe nerven oft

Wertung

Wii

Gute Ansätze des Psycho-Horrors, die aufgrund der schwachen Technik und des langweiligen Spielprinzips schnell verpuffen.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.