TrackMania (2010)19.11.2010, Jan Wöbbeking
TrackMania (2010)

Im Test:

Zu Zeiten der industriellen Evolution galt Glasgow als der Ruhrpott Schottlands. Obwohl ein Großteil der Schwerindustrie schon vor langer Zeit verschwand, gibt es immer noch Dinge, die an den Geist der einstigen Arbeiterstadt erinnern: Zum Beispiel die kunstvoll verzierten Fabriken, die noch heute in der Stadt zu besichtigen sind - oder der Entwickler Firebrand. Das kleines Team produziert wie am Fließband Rennspiele für den DS. Nach zwei Trackmania-Ablegern wagen sie sich jetzt an ihr erstes Spiel für eine stationäre Konsole.

Qualitätsware vom Fließband

Auch ein nationales Klischee bedienen die Entwickler von der Insel, nämlich das des sparsamen Schotten. Die hauseigene Engine "Octane" erwies sich als äußerst ressourcenschonend - sowohl was die Hardware-Ausnutzung der schwachen Handheld-Technik als auch den Arbeitsaufwand betrifft.

Der Klassiker: Im Stadion warten wie immer jede Menge Rampen, Loopings und Steilkurven darauf, bezwungen zu werden.
Ein Blick in die Anleitung verrät, dass das eingespielte DS-Team auch hinter der Wii-Version von Trackmania steckt; zusätzlich sind aber ein paar neue Namen dazu gekommen. Ein Teil der mittlerweile 40 Mitarbeiter arbeitet im neuen »USA-Studio« in Kalifornien.

Wie zu erwarten, orientiert sich das Wii-Debut eher an den überschaubaren DS-Teilen und nicht am Umfang-Monster vom PC mit seiner gelungenen Community-Einbindung. Serienkenner bekommen hier bei weitem kein vollständiges Trackmania für ihre Wii. Was Firemint aber sehr wohl übertragen hat, ist die spielerische Grundformel der Serie, denn die dreht sich nach wie vor um unkomplizierten Arcade-Spaß mit halsbrecherischen Stunts und einem Streckeneditor.

Höhenkoller

Wie gehabt heize ich in einer Hand voll Umgebungen durch Loopings, Steilkurven und über idyllische Feldwege. Das berühmteste Szenario ist das Stadion. Hier erwarten mich die abenteurlichsten Konstruktionen des Spiels: Nachdem ich die Steilkurve erklommen habe, fliege ich mit einem schwungvollen Satz durch die Luft und hinüber bis auf die nächste Plattform. Da der vorgegebene Ghost mir wieder und wieder ein paar ärgerliche Zehntel voraus ist, mache ich von der praktischsten Funktion in Trackmania Gebrauch: Das sofortige Zurücksetzen an die Startlinie oder den letzten Checkpoint. Da ich selbstverständlich den Rekord brechen will, beame ich mich wieder an den Start.

Diesmal hat es geklappt - ich fliege ein ganzes Stückchen vor dem Rekordhalter und meinem eigenen Ghost von einer Rampe, bevor es wieder bergab in eine Reihe scharfer Kurven geht. Sie führen mich schließlich auf den Stadionrasen, wo ich zunächst einmal verwirrt nach Anschluss suche. Wo zum Kuckuck geht es weiter? Schließlich habe ich den Weg gefunden. Bei meiner zweiten Runde nehme ich den direkten Weg und erwische die Ideallinie so gut, dass ich den Ghost erstaunlich weit hinter mir lasse. Zur Belohnung gibt es nicht nur das wohlig kribbelnde Gefühl von Coolness und Überlegenheit, welches nur ein Arcade-Spiel wie Trackmania mit seinen sekündlichen Erfolgserlebnissen hervorrufen kann. Zusätzlich werde ich auch materiell belohnt: Mit den verdienten "Coppers" kaufe ich ein paar neue Strecken, lackiere meinem Wagen mit einem dicken roten Streifen,  der dem des A-Team-Tracks zum Verwechseln ähnlich sieht und lege mir ein paar neue Teile für den Streckeneditor zu

Wie romantisch: Detailreiche Texturen oder Environment-Mapping gibt es zwar nicht zu bewundern - wohl aber idyllische Landhäuser im Sonnenuntergang. 
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Arcade-Idyll

In dem Baukasten erwarten mich die gleichen Szenarien wie im Einzelspieler-Rennen: Stadion, Wüste, Schnee, Rally, Küste und Insel. Jede Umgebung besitzt darauf zugeschnittene Fahrzeuge. Die Handhabung gestaltet sich trotz leichter Unterschiede stets sehr einsteigerfreundlich. Ihr könnt also ruhig eurer Freundin einen Controller in die Hand drücken, ohne dass sie ihn gleich wieder gefrustet auf's Sofa pfeffert. Die Kulissen können natürlich nicht mit technischen Rennspielhighlights konkurrieren, doch wenn man berücksichtigt, dass sie allesamt nur aus sich ähnelnden Editor-Bausteinen gebastelt wurden, hinterlassen sie einen hübschen Eindruck.

Besonders schön wirken die romantisch vom Abendrot illuminierten Serpentinen an der Steilküste. Oder auch die breiten Straßen, welche in den geräumigen Insel-Arealen an Flughäfen und gewaltigen Spaße-Shuttle-Bahnhöfen vorbei führen. Lobenswert auch, dass all das in flüssigen 60 Bildern pro Sekunde dargestellt wird. Ab und zu kommt die Engine zwar ins Stottern, doch glücklicherweise bleibt das leichte Zuckeln die Ausnahme. Schade, dass Firebrand sich bei der Vertonung nicht ähnlich stark ins Zeug gelegt hat: Statt einem frischen Soundtrack wurden wieder einmal viele alte Tracks recycelt - das aufgedrehte Gefidel der Disco-House-Stücke geht mir mittlerweile gewaltig auf den Wecker.                  

Jump'n'Drive'n'Puzzle

Neben der Zeitrennen sind auch die beliebten Modi Plattform und Puzzle enthalten. Der erste erinnert mit all seinen Rampen, Fallen und Sprüngen beinahe an ein Jump'n'Run: Hier kommt es darauf an, mit möglichst wenigen Checkpoint-Neustarts ins Ziel zu gelangen. Bei Puzzle stelle ich zunächst eine unfertige Strecke fertig: Ein begrenztes Kontingent an Bausteinen muss geschickt eingesetzt werden, damit ich danach in Rekordzeit darüber hinweg heizen kann. Wer möchte, kann den einfach gehaltenen Strecken-Editor auch einfach zum Spaß aus dem Hauptmenü öffnen und seiner Kreativität freien Lauf lassen. 

Der Editor der DS-Trackmanias wurde in wenig aufpepeppt und lässt sich dank Wiimote, Tutorial und übersichtlicher Menüs leichter bedienen.
Der Baukasten besitzt ähnliche Bedienelemente wie sein Gegenstück aus den DS-Trackmanias und auch die Bedienung erinnert an die Handheld-Raser. Auf Wii gibt es allerdings ein paar komfortablere Extras wie die übersichtlichere Baustein-Auswahl.

Mit der Fernbedienung geht das Basteln eine ganze Ecke feinfühliger von der Hand als per Stylus: Mit dem Cursor zeichne ich eine Straße aus Standard-Teilen in die Pampa, setze Start-, Ziel- und Checkpoint-Blöcke und verfeinere das Werk dann mit Spezialteilen. Das überschaubare Areal lässt sich problemlos zoomen und rotieren. Passt die Perspektive, klicke ich mich mit dem Cursor durch die immer noch etwas spartanisch dargestellten Baustein-Menüs und platziere dann ein paar langgezogene Kurven, eine Kreuzung, einen Tunnel und diverse Rampen. Zur Dekoration komplettiere ich mein Werk mit ein paar Bäumen und asiatischen Häuschen am Wegesrand.

Die Wiimote wird zur Maurerkelle

Auf Knopfdruck werde ich direkt auf die Strecke gebeamt und kann Probe fahren. Wenn alles stimmt und ich meine Bestzeit aufgestellt habe, legt das Spiel automatisch Zeitgrenzen für die Medaillen fest. Leider darf ich mein Meisterwerk nur mit Freunden tauschen - gerade im Vergleich zu den PC-Ablegern ist das ein harter Einschnitt. Wenigstens besitzt der Editor ein Tutorial; Besitzer der spartanischeren DS-Versionen müssen auf diesen Komfort verzichten. Leider wurde die Einführung ein wenig schlampig zusammengeschustert: Wähle ich z.B. das Rallye-Terrain aus, setzt mir das Spiel an dieser Stelle Straßen-Blöcke vor, welche nicht bündig mit dem Rest der Strecke abschließen. Als ich meinen ersten Kurs testete, musste ich mich bei der Probefahrt also erst einmal durch mehrere Krater ans Ziel quälen, bevor es weiter ging. Auch später hatte ich relativ häufig das Problem, dass das Spiel ähnlich wie auf dem DS in Bezug auf unterschiedlich hohes Terrain recht pingelig ist. Wenn man sich darauf einstellt und ein wenig herumprobiert, klappt es meist, doch in Vergleich zu Titeln wie LittleBigPlanet wirkt das ständige Gefrickel an den Feinheiten ein wenig unkomfortabel.

Die größte Stärke von Trackmania ist seit jeher der Mehrspielerpart. Lokal dürfen bis zu vier Spieler im Splitscreen ihr Glück versuchen. Zur Wahl stehen zwei einfach gestrickte, aber äußerst lustige Spielvarianten: Beim Zeitrennen gibt es ein Zeitlimit, innerhalb welchem alle so oft wie gewünscht versuchen, neue Bestzeiten abzuschließen. 

Bis zu vier Teilnehmer werfen sich im Splitscreen Beschimpfungen an den Kopf. In Online-Rennen bleiben die Gegner aber stumm.
Im Rundenrennen werden dagegen Punkte für gute Platzierungen verteilt. Wer nach ein paar Rennen zuerst eine Punktegerenze überschreitet, gewinnt. Ist nur ein Controller vorhanden, kommen bis zu acht Spieler abwechselnd im Hot-Seat-Modus an die Reihe - inklusive einer speziell darauf zugeschnittenen Variante, bei der immer wieder Rekorde des Schnellsten unterboten werden.

Netz-Gerangel

Der Online-Modus bietet die zu Beginn erwähnten Zeit- und Rundenrennen. Es sind zwar nicht all zu viele Spieler online unterwegs, aber sobald mir jemand vermittelt wurde (auf Wunsch auch nach Ranglistenplatz), haben die Matches sich immer zu lustigen Kabbeleien entwickelt. Es tummeln sich zwar nur höchstens sechs Spieler unterwegs, doch dadurch flutschten die Rennen superflüssig über die Mattscheibe - ohne Lags oder andere Probleme.

Schade, dass das WiiSpeak-Mikro nicht unterstützt wird und es nicht mal in der Lobby einen Text-Chat gibt. Doch Schadenfreude lässt sich auch stumm genießen: Man erfährt trotz der Stille eine herrliche Genugtuung, wenn man den Rekord des stummen Gegenübers in allerletzter Sekunde um ein Zehntel unterbietet. Erfreulich ist auch der Umstand, dass Firemint an eine Rivalen-Liste gedacht hat. Daher bin ich nicht darauf angewiesen mit ellenlangen Freundescodes zu hantieren. Einfach eine Freundesanfrage an einen ebenbürtigen Gegner schicken und schon steht er in der zusätzlichen Liste und lässt sich wieder herausfordern - natürlich nur, wenn er mich überhaupt wiedersehen will.             

Fazit

Operation gelungen: Die Handheld-Spezialisten Firebrand haben auch ihr erstes Wii-Spiel mit Bravour auf die Beine gestellt. Das Trackmania-Konzept sorgt noch immer für herrlich hektische Kämpfe um die Bestzeit. Veteranen sollten aber nicht zu viel erwarten: Es handelt sich schließlich nur um eine aufgepeppte Umsetzung der DS-Trackmanias mit deutlich weniger Umfang und Möglichkeiten als beim Original vom PC. Der simpel gestrickte Editor lässt sich mit der Wiimote zwar recht ordentlich bedienen, doch die darin gebastelten Kurse dürfen nur unter Freunden getauscht werden. Sieht man über solche Einschränkungen hinweg, macht es auf Wii aber trotzdem viel Spaß, sich online oder vor der Konsole zu kabbeln. Für neue Impulse sorgt das Wii-Trackmania zwar nicht, aber wer bisher noch keinen Teil der Serie besitzt, wird seine Freude auf der Strecke haben.

Pro

<P>
spannende, knackig schwere Zeitrennen
sofortiger Neustart per Knopfdruck
über 200 abenteuerliche Stunt-Kurse
kinderleichte Arcade-Steuerung
idyllische Kulissen
mit der Wiimote Kurse basteln
flüssige Online-Rennen
rund 60 Bilder pro Sekunde</P>

Kontra

<P>
kaum neue Ideen
kein Sprach-Chat
Kurse nur mit Freunden tauschbar
unebene Schnittstellen bereiten im Editor Probleme
lange Ladezeiten
einige recycelte Musikstücke</P>

Wertung

Wii

Die routinierte Umsetzung des Fun-Racers kann zwar nicht mit PC-Teilen konkurrieren, sorgt aber trotzdem für klassisch launige Kämpfe um die Bestzeit.

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