The Last Story02.03.2012, Benjamin Schmädig
The Last Story

Im Test:

Welche Geschichten kann ein Mann noch erzählen, wenn er neben Final Fantasy viele Klassiker des japanischen Rollenspiels geschaffen hat? Mit einem Spiel, dessen Titel an seinen größten Erfolg erinnert, kehrt Hironobu Sakaguchi zu seinen Wurzeln als "Regisseur" zurück. Ist die Namensgebung nur Gewohnheit oder ein mächtiges Erfolgsrezept?

Traum...

Jungs wollen Feuermann werden. Oder Polizist, manche auch Lokführer. Früher hatten Kinder allerdings andere Träume: Sie wollten Ritter werden - ob nun im realen Mittelalter oder in der daran angelehnten Fantasy. Auch Zael hegt diesen Traum, obwohl er längst kein Kind mehr ist. Als der Söldner mit seinen Freunden auf der Insel Lazulis ankommt, verdingen sie sich als Wächter im Schloss des Grafen, um den Grundstein für ihre Karriere als Krieger des Hofstaats zu legen.

... und Wirklichkeit

Doch der Weg dahin ist steinig. Er ist mit Intrigen gepflastert, einer verhinderten Liebe und dem Schatten des Bösen, der über Lazulis lauert. Sakaguchi will ein Epos erzählen. Eine Geschichte, die sich aber vor allem um ihre Figuren dreht. Zael und seine Freunde erleben zwar ein Drama, wie es im Handbuch der Fantasy stehen könnte - angetrieben werden sie allerdings von Ambitionen, Schmerz und Sehnsucht. Es tut gut, zwischen Final Fantasy oder Skyrim ein persönliches Abenteuer mit so bodenständigen Protagonisten zu erleben: Zael redet langsam und unaufgeregt. Die Unterhaltungen geben selten preis, dass auch hier eine Welt am seidenen Faden hängt.

Manche Szenen sind grandios; dann gelingt Sakaguchi im Zusammenspiel mit Nobuo Uematsu gefühlvolle Romantik oder traurige Wehmut. Schade, dass er seinen Figuren diese mühsam aufgebaute Glaubwürdigkeit immer wieder entreißt. Wendungen geschehen so abrupt, dass man sie kaum nachvollziehen kann. Ein verwüsteter Schauplatz glänzt nach

Operation Rainfall

Glaubt Nintendo Amerika nicht an The Last Story (ab 71,53€ bei kaufen)? Das Spiel erschien in Japan bereits Anfang letzten Jahres und wurde auch in Europa angekündigt - Pläne für eine Lokalisierung für Nordamerika schien es aber nicht zu geben. Erst auf eine von Fans organisierte Initiative hin ließ sich Nintendo zu einer verspäteten Veröffentlichung hinreißen.

The Last Story war nicht das einzige Spiel: Auch das hervorragende Xenoblade Chronicles und Pandora's Tower schafften es mithilfe der "Operation Rainfall". wenigen Spielstunden wie zu seiner Einweihung. Mitunter greift das Spiel auch so tief in die Klischeekiste, dass man beschämt wegsehen möchte. Obwohl ein Großteil des Abenteuers aus Filmszenen besteht, waren "Entwicklung" und "langsamer Aufbau" offenbar Fremdwörter im Team. Damit ist The Last Story nicht allein - überholt ist die oft oberflächliche Inszenierung dennoch.

Moderne Taktik?

Angenehm frisch wirken dafür die Kämpfe, die einen Mittelweg zwischen moderner Action und herkömmlicher Rundentaktik suchen: Dass Zael auf Knopfdruck in Deckung geht, sich mit Pfeil und Bogen um eine Ecke oder über ein Hindernis lehnt und über niedrige Felsen hinweg springt, erinnert an die Bewegung in einem aktuellen Shooter. Der ständige Blick über seine Schulter verstärkt den Eindruck. Dass er den Mitgliedern seines Teams in einer Pause Befehle erteilt, entstammt hingegen taktischen Schulbüchern.

Störe meine Kreise!

Dabei stehen ihm zahlreiche Aktionen zur Verfügung, mit denen er entweder selbst den Kampf beeinflusst oder um die er seine Begleiter bittet. Die Grundlagen sind einfach: Läuft Zael auf einen Gegner zu, kann er schlägt er mit der Standard-Einstellung automatisch zu oder hebt mit gehaltener Schultertaste das Schwert zum Block. Mit einer Rolle weicht er feindlichen Hieben aus und aus der Entfernung zielt er mit Pfeil und Bogen, Zauber kennen er und die meisten Gegner nicht. Magier sind offenbar rar und die wenigen, die es gibt, beherrschen wenige, dafür aber mächtige Sprüche.

Das Besondere sind ihre magischen Kreise - Flächen, in denen verschiedene Effekte wirken. Zauberer erzeugen etwa Heilkreise, in denen die Kämpfer einer Partei geheilt werden oder Kreise, in denen verschiedene Elementarkräfte Schaden anrichten. Diese Flächen sind

Zael kann die magischen Kreise seiner eigenen Zauberer und der des Gegners auf verschiedene Art für sich nutzen.
Zael kann die magischen Kreise der eigenen und der gegnerischen Zauberer auf verschiedene Art und Weise für sich nutzen.
allerdings keine starren Zustände, sondern können verändert werden. Ein Umkehrspruch verkehrt etwa die Wirkung feindlicher Heilkreise zu tödlichen Fallen und macht aus Giftkreisen heilende Flächen. Noch interessanter ist Zaels Einflussnahme, denn wenn der Held mit einer schnellen Bewegung in einen Kreis schlittert, löst er ihn nicht nur auf: Rutscht er in einen Eiszauber, bringt er alle nahen Gegner zu Fall. Gleitet er in einen heiligen Kreis, sind seine Kameraden kurzzeitig durch einen Schild geschützt. Die genaue Beobachtung ist also unabdingbar, da selbst ein schwacher feindlicher Trupp nahezu unbesiegbar sein kann, solange gegnerische Heiler unbehelligt wirken oder man die Verteidigung außer Acht lässt.

Der Stärkere gibt nach

Überhaupt spielt die Defensive eine wichtige Rolle, denn die Feinde teilen mächtige Hiebe aus. Und nicht nur das: Nachdem Zael eine Handvoll Schläge eingesteckt hat, kann er allen Widersachern in seiner Umgebung Schaden zufügen und sie dauerhaft Schwächen. Und diesen Schaden sollte er selbstverständlich nicht ohne hoch gehaltenen Block aufnehmen.

Der Aufbau dieser Rundum-Attacke funktioniert außerdem nur, solange Zael die Macht aktiviert, die ihm zu Beginn seines Abenteuers verliehen wird. Sie macht ihn zu dem Helden, der seine Welt retten wird - vor allem aber gibt sie ihm wichtige taktische Fähigkeiten. U.a.

Greift der Held an, ohne sich zu verteidigen, droht ihm ein dunkles Schicksal.
Greift der Held an, ohne sich zu verteidigen, droht ihm ein dunkles Schicksal.
kann er mit dieser Kraft seine Mitstreiter wiederbeleben. Der Haken: So lange er die Fähigkeit nutzt, ist er das alleinige Ziel aller Feinde. Man muss also abwägen, wann es hilfreich ist, aus der Entfernung heraus mit Pfeil und Bogen zu schießen und wann man alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen will.

Solange die Feinde nur mit Zael beschäftigt sind, hat sein Team Zeit für eigene Angriffe. Magier können so Zauber sprechen, auf die sie sich ungestört vorbereiten müssen. Nahkämpfer können hingegen im Rücken der Gegner großen Schaden anrichten. Die Begleiter agieren dabei selbstständig, im Abstand einiger Sekunden darf ihnen Zael aber auch Anweisungen erteilen. Der Verlauf wird angehalten, während man die nächste Aktion jedes Mitstreiters bestimmt. So kann man wirkungsvoller attackieren und auch einen Kameraden die Aufmerksamkeit der Feinde auf sich ziehen lassen. Auf diese Weise verbindet The Last Story den aktiven Kampfarm mit Köpfchen - ein cleveres System.

Die kleine Freiheit

Man hat allerdings weniger Freiheiten, als die Beschreibung vermuten lässt: Zum einen beherrschen Kämpfer und Magier nur wenige Zauber, so dass man ihnen meist dieselben Befehle gibt und zum anderen muss Zael stets die gesamten Truppe anleiten. Zeitlich

Musik von Nobuo Uematsu

Vorsicht: Der Limited Edition liegt zwar eine Soundtrack-CD bei, diese enthält allerdings nur sieben Titel.

Das eigentliche Soundtrack-Album umfasst drei CDs - zählt aber nicht zu Uematsus stärksten Werken. Während der Komponist ruhige Momente gefühlvoll untermalt, wirkt seine elektronische Untermalung im Kampf überraschend schwach.

Zur Soundtrack-Kritik versetzte Einzelaktionen sind nur möglich, weil man den Helden selbst bewegt. Taktische Freiheit gibt es, sie wird dadurch aber eingeschränkt. Abgesehen davon kann man das Team um Zael nur selten eigenhändig zusammenstellen; meist ist man darauf angewiesen, welche Konstellation sich aufgrund der Handlung ergibt.

Nicht zuletzt leidet auch die Übersicht, weil man die verschiedenen Gegnertypen (Soldaten, Anführer, Schützen oder Magier) nicht mehr auseinander halten kann, wenn ein Dutzend farbige Linien anzeigen, welcher Gegner welchen Helden ins Auge fasst. Überlegtes Taktieren wird spätestens dann unmöglich, wenn zur selben Zeit farbenfrohe Zauber oder andere Effekte zünden. Dass die Kamera mit vielen Perspektivwechseln ebenfalls Verwirrung stiftet, ist nur das Tüpfelchen auf dem i; der manuelle Dreh kann das eigenwillige Verhalten nicht ausgleichen. Das clevere System verliert auf diesem Weg wichtige Nuancen gegen die unnötig überladene und übermäßig rasante Actionhatz.

Gotische Eleganz

Und es kann sich noch aus einem anderen Grund zu selten entfalten: Die meisten Gefechte finden in sehr überschaubaren Arealen statt. Es sind interessante Scharmützel, die aber meist enden, bevor man ihnen einen persönlichen taktischen Stempel aufdrücken konnte. Es gibt Momente, in denen Dutzende Widersacher über Zael und seinen Trupp herfallen -

Technisch bringt The Last Story die Wii ins Schwitzen - stilistische überzeugt das Abenteuer mit einer wundervollen gotischen Eleganz.
Technisch bringt The Last Story die Wii ins Schwitzen - stilistisch überzeugt das Abenteuer dafür mit wundervoller gotischer Eleganz.
doch selbst dann sind es aufeinander folgende Wellen recht weniger Gegner. Immerhin geht The Last Story der zermürbenden Wiederholung aus dem Weg, indem es wenige, dafür einzigartige Begegnungen inszeniert. Kein Scharmützel ist zufällig, keins gleicht im Detail dem anderen.

Vermutlich ist es die Schuld der Technik, dass Zael seine Welt nicht frei erkundet, sondern einem schmalen roten Faden folgt. Zumindest läuft das Geschehen mitunter mit halber Geschwindigkeit, sobald viele Effekte und Gegner im Bild sind - eine unangenehme Schwäche. Das Abenteuer besteht bis auf wenige Ausnahmen aus kleinen Bruchstücken; immer wieder unterbrechen Ladepausen den Ablauf. Deshalb und weil Filmszenen viel Raum einnehmen, rücken die Kämpfe mitunter zu weit in den Hintergrund. Es gibt Stunden, in denen spielt sich die Geschichte beinahe von selbst.

Eins muss man ihr dabei lassen: Ihre Kulissen und ihre Darsteller sind eine Augenweide. Was an technischer Größe fehlt, machen die gotischen Spitzen eines wundervollen Zeichenstils wett. Die Türme auf der Burg des Grafen würden dem Kölner Dom stehen. Haare und Kleider umweht eine filigrane Eleganz, die selbst Final Fantasy gut täte.

Kurzgeschichten

Nur gelegentlich darf Zael frei durch eine Stadt, eine Burg oder über ein Boot streunen. Während dieser Atempausen unterhält er sich mit Passanten, erfüllt kleine Gefälligkeiten. Echte Nebenmissionen gibt es allerdings kaum: Die meisten Kurzgeschichten erzählt Sakaguchi im Rahmen der Handlung, als unterhaltsame Kapitel abseits der zentralen Handlung. Eine Art Bewegungsfreiheit spürt man lediglich bei der Rückkehr in vorherige

Nur an wenigen Orten darf sich Zael frei bewegen und seinen Mitmenschen kleine Gefallen erledigen.
Nur an wenigen Orten darf sich Zael frei bewegen und seinen Mitmenschen kleine Gefallen tun.
Kapitel, um bereits erledigte Abschnitte beliebig oft zu wiederholen. Erfahrungspunkte sammeln die Helden um Zael dabei nicht, sie finden in der Wiederholung aber häufiger seltene Waffen und Ausrüstung.

Der gleichgeschaltete Held

Um Erfahrung zu sammeln, müssten die Helden in einer Arena kämpfen, wo sie mit fortschreitender Stärke auf immer mächtigere Feinde treffen. Oder sie rufen an bestimmten Punkten mitten im Abenteuer beliebig oft eine Schar Gegner herbei. Schade, dass Sakaguchi die Illusion einer greifbaren Welt auf diese Art scheinbar gedankenlos wegwirft - die ständig abrufbare Herausforderung macht überdeutlich, dass man nur ein Spiel spielt, anstatt in einer "echten" Welt zu versinken. Sind Arenen nicht Zugeständnis genug an den vermeintlichen Levelwahn des modernen Rollenspielers? Der leidet ohnehin, wenn er Zael und dessen Begleiter nicht nach seinen Wünschen formen kann, sondern darauf angewiesen ist, dass mit bestimmten Entwicklungsstufen neue Fähigkeiten verfügbar sind. Das Ändern von Kleidern und deren Farbe kann die fehlende individuelle Duftmarke nicht ersetzen.

Selbst beim Ausstatten mit Waffen und Rüstung verlässt sich The Last Story auf das Nötigste. Zwar haben verschiedene Waffen unterschiedliche Vorteile - die einen sind gegen bestimmte Monster wirksam, andere richten bei bestimmten Angriffen besonders großen

In der Arena vertiefen Zael und seine Mitstreiter ihre Erfahrung und lernen so neue Fähigkeiten.
In der Arena vertiefen Zael und seine Mitstreiter ihre Erfahrung und lernen so neue Fähigkeiten.
Schaden an. Das Verbessern von Rüstung und Waffen verläuft aber ebenfalls auf vorgezeichneten Wegen. Die Anzahl unterschiedlicher Ausrüstungsgegenstände hält sich zudem in Grenzen, so dass der Zufall nach einem Kampf schon bald die immer gleiche Beute erwürfelt.

Gemeinsam stark?

Gerade auf Wii ungewöhnlich: Bis zu sechs Spieler treffen sich online, um entweder gemeinsam die großen Feinde aus Zaels Geschichte zu bekämpfen oder um gegeneinander ins Gefecht zu ziehen. Während des Tests war die Suche nach Mitspielern aber erfolglos. Ohnehin müssen sich Sakaguchi und sein Team die Frage gefallen lassen, ob Onlinescharmützel die richtige Erweiterung eines Rollenspiels sind, dessen Stärke die emotionale Geschichte ist.

Fazit

Auf Final Fantasy folgt The Last Story – ein Erfolgsrezept ist die „endgültige“ Namensgebung aber nicht. Zumindest kann das neue Abenteuer von Hironobu Sakaguchi nicht an seinen großen Erfolgs anschließen. Dazu fehlt der Geschichte um Zael vor allem die wichtige Freiheit: Der junge Held darf weder abseits der Handlung seine Welt erkunden noch kann er seine Fähigkeiten nach eigenem Gutdünken entfalten. Der Ablauf ist strikt vorgegeben, während überraschend wenige Kämpfe von vielen Ladepausen und Filmszenen unterbrochen werden. Und weil Sakaguchi die rasante Action zu sehr in den Vordergrund rückt, kommt auch das taktische Gefecht etwas kurz. Dabei sind gerade die Kämpfe eine große Stärke, denn Zael stehen viele taktische Wege offen, indem er selbst attackiert oder seinen Mitstreitern Befehle erteilt. Er kann offensiv oder defensiv vorgehen, muss seine Umgebung genau studieren und kann den Einfluss der Magie auf verschiedene Weise für sich nutzen. Der Geschichte tut hingegen die ruhige Erzählweise gut, bei der glaubwürdige Figuren im Mittelpunkt stehen – schade, dass selbst Altmeister Sakaguchi zu tief in die Klischeekiste greift und manche Szene mit der Erklärung einer plötzlichen Wendung zerredet. Die Schwäche ist vielsagend: Manchmal sucht The Last Story einen frischen Weg und findet ihn. Manchmal vergisst es aber wichtige Tugenden eines großes Abenteuers.

Wertung

Wii

Zwischen Action und Rollenspiel fehlen dem Werk des Final Fantasy-Vaters wichtige spielerische Freiheiten.

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