Pandora's Tower24.04.2012, Jens Bischoff
Pandora's Tower

Im Test:

Mit Pandora's Tower (ab 94,90€ bei kaufen) hat nach Xenoblade Chronicles und The Last Story auch der letzte Vertreter des von heftigen Fanprotesten aus den USA begleiteten Wii-Dreigestirns Europa erreicht. Konnte uns das Finale ähnlich begeistern wie der ausgezeichnete Auftakt?

Fressen und gefressen werden

Wie eine lauernde Spinne hängt eine Festung aus 13 Türmen an gigantischen Ketten über einem Abgrund, der direkt ins Jenseits führen soll. Wo einst das Militär geheime Forschungen betrieb, verirrt sich heute kaum noch jemand hin. Aeron und Helena setzen jedoch all ihre Hoffnungen in diesen unwirtlichen Ort.

Auf der jungen Tänzerin liegt nämlich ein grausamer Fluch, der sie allmählich in ein schreckliches Monster zu verwandeln droht. Nur das Fleisch in den Türmen hausender Bestien soll den Fluch aufhalten können. Wer die größten aller Ungeheuer erlegt und verschlingt, darf sich sogar Hoffnung auf vollständige Genesung machen.

Tickende Zeitbombe

Die Zeit ist allerdings knapp und Helenas Körper bereits im Wandel. Braucht Aeron zu lange für die nächste Fleischbeschaffung, verliert seine Freundin das letzte Bisschen Menschlichkeit und die Jagd ist vorbei. Der Zeitdruck sorgt zwar teils für zusätzliche Spannung, kann aber auch nerven, wenn man kurz vorm nächsten Etappenziel plötzlich kehrt machen oder sich nach schneller Beute umsehen muss.

Wenn Helena nicht rechtzeitig mit Frischfleisch versorgt wird, verwandelt sie sich in ein Ungeheuer.
Wenn Helena nicht rechtzeitig mit Frischfleisch versorgt wird, verwandelt sie sich in ein Ungeheuer.
Da man sich gerade in unbekanntem Terrain nie sicher sein kann, kurzfristig zu finden, was man sucht, deckt man sich einfach schon im Voraus in bereits vertrauter Umgebung mit einem Notfallhappen ein. Später hat man dann auch meist regelmäßig Fluchtkapseln im Gepäck, die einen umgehend zu der in einer alten Burgruine wartenden Helena zurück teleportieren. Spätestens dann hat das Zeitlimit so gut wie jede Spannung eingebüßt und wird nur mehr als künstliche Einschränkung wahrgenommen - es sei denn, die Kapseln sind unbemerkt zu Neige gegangen und man sucht panisch nach dem kürzesten Rückweg...

Nichtsdestotrotz gewöhnt man sich an den zeitlich begrenzten Jagd- und Sammelrhythmus à la Monster Hunter, der nebenbei natürlich auch dafür sorgt, dass man seine Holde nicht zu lange vernachlässigt. Helena ist nämlich nicht gern allein und freut sich über jede Unterhaltung, wenngleich sich Aeron ungemein wortkarg gibt. Doch auch kleine Geschenke bringen ihre Augen zum Strahlen. Im Gegenzug kümmert sie sich um die Übersetzung alter Schriftstücke, die Aeron unterwegs findet, und je nachdem wie glücklich man sie trotz ihres schweren Schicksals macht, hält das Abenteuer auch eine Reihe unterschiedlicher Enden parat.

Viel zu tun

Je nachdem wie intensiv man sich um Helena kümmert, nimmt man auch Einfluss auf den Ausgang der Geschichte.
Je nachdem wie intensiv man sich um Helena kümmert, nimmt man auch Einfluss auf den Ausgang der Geschichte.
Während der Ruhephasen im Stützpunkt pflegt man aber nicht nur die Beziehung zu Helena, sondern kümmert sich auch ums eigene Wohl und die Ausrüstung. Kleidung, Waffen, Schmuck und andere Accessoires können nur angelegt werden, wenn auf dem mit der Zeit anwachsenden Modulraster ausreichend Platz ist. Auch Aerons Rucksack hat nur ein begrenztes Fassungsvermögen, lässt sich aber durch entsprechende Näharbeiten stufenweise vergrößern.

Je mehr Platz man hat, umso mehr Beute kann man natürlich nach Hause bringen und die lässt sich nicht nur verscherbeln, sondern auch weiterverarbeiten. So schmiedet man Talismane, näht Wamse und braut Heiltränke. Auch Reparaturen beschädigter Gegenstände stehen hin und wieder an. Gerade nicht benötigte Materialien verstaut man in einer riesigen Kiste und Verletzungen kuriert man am besten im Schlaf. Helenas Zustand bleibt währenddessen zwar stabil aber die Zeit schreitet dennoch voran, so dass man zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten aktiv werden kann.

Das ist vor allem dann wichtig, wenn man auf der Suche nach besonders seltenen Beutestücken ist. So gibt es Mineralien, die nur nachts zum Vorschein kommen, Pflanzen, die nur im Morgengrauen sprießen oder Gegner, die nur bei Tageslicht aktiv sind. Selbst beim Fleisch gegen Helenas Fluch gibt es unterschiedliche Qualitätsmerkmale und Chancen welches zu erbeuten. Ganz oben auf der Wunschliste steht der jeweilige Platzhirsch des Turms, zu dem man sich erst einen Weg bahnen und ihn dann in einem spannenden Duell bezwingen muss.

Praktische Kette

Der Kampf mit der blitzschnell einholbaren Kette bietet viele Facetten.
Der Kampf mit der blitzschnell aus- und wieder einfahrbaren Kette bietet viele Facetten.
Neben verschiedenen Klingen, die sich durch Schmiedeverfahren stufenweise verstärken lassen und so auch zusätzliche Angriffe ermöglichen, setzt Aeron vor allem auf die Macht einer legendären Kette, die er wie eine Harpune abschießen und wie eine Angel einholen kann. Damit kann er Gegnern sowohl schützende Panzerungen als auch Waffen und Gliedmaßen vom Körper reißen. Zudem kann er sie fesseln, zu Fall bringen oder aneinander ketten, um mehreren Widersachern gleichzeitig Schaden zuzufügen.

Je mehr Spannung man auf die Kette bringt, umso mehr Schaden richtet man beim Einholen an. Kleinere Gegner oder herumliegende Gegenstände kann man sogar wie eine Art Morgenstern um sich kreisen lassen oder als Wurfgeschosse missbrauchen. Bei größeren Kalibern gilt es hingegen gezielt Schwachstellen zu nutzen, indem man ihnen z. B. den Waffenarm außer Gefecht setzt, das Augenlicht raubt oder die Flügel stutzt.

Waffe und Werkzeug

Die Kette dient nicht nur als Waffe, sondern auch als verlängerter Arm und Werkzeug.
Die Kette dient nicht nur als Waffe, sondern auch als verlängerter Arm und Werkzeug.
Die an Kratos oder Rygar erinnernde Kette dient aber nicht nur als Waffe, sondern hilft auch beim Einsammeln sonst unerreichbarer Gegenstände sowie dem Bewältigen von Hindernissen. So findet Aeron Halt an entlegenen Vorsprüngen, schwingt sich über tiefe Abgründe, verschließt dampfende Ventile oder vertäut mobile Plattformen. Mal schleudert er auch glühende Kohlen als Zunder in erloschene Feuerstellen oder spitze Steinpflöcke als Kletterhilfe in lehmige Mauern.

Sowohl Level- als auch Gegnerdesign halten durch den facettenreichen Ketteneinsatz gekonnt bei Laune. Jeder Turm hat durch seine elementare Zugehörigkeit einen sehr charakteristischen Aufbau, auch wenn hier später für meinen Geschmack etwas zu ausgiebig recycelt wird. Trotzdem schafft man es zum Ende hin mit völlig neuen Elementen nochmals zu überraschen und selbst optisch Akzente zu setzen. Die Spitzen aller Türme zu erreichen, ist dank immer vertrackterer Architektur und Hindernisgestaltung jedenfalls ungemein motivierend und hält dank speziell verschlossener Türen auch Anreize für weitere Durchgänge bereit.

Die größten Highlights sind aber wohl die imposanten Showdowns am Ende des zehrenden Aufstiegs, der durch das Sprengen wegversperrender Ketten und Finden zurückgelassener Beschreibungen geschickt Spannung aufbaut, die am Ende in einem unerbittlichen Kampf gegen mächtige Bestien und die Uhr ihren Höhepunkt erreicht. Man studiert Angriffsmuster, weicht aus, sucht nach den beschriebenen Schwachstellen und ringt seinen Gegner Stück für Stück nieder, bis man ihm das begehrte Fleisch für Helenas Rettung entreißen kann.

Alles im Griff

Die Kämpfe gegen die riesigen Turmwächter zählen zu den Highlights des Abenteuers.
Die Kämpfe gegen die riesigen Turmwächter zählen zu den Highlights des Abenteuers.
Lob verdient hierbei auch die exzellente Steuerung, welche die Vorzüge von Remote und Nunchuk clever nutzt ohne sie überzustrapazieren. Die Bewegungssensoren werden nur für wenige, aber sinnvolle Aktionen bemüht, während Dinge wie das Anvisieren trotz zusätzlicher Zeitlupe und Zoom-Funktion natürlich von ihrer intuitiven Handhabung profitieren. Alternativ kann man zwar auch zum Controller greifen, triftige Gründe dafür gibt es aber nicht. Der einzige Wermutstropfen ist die vollautomatische Kameraführung, die mit ihren teils sehr abrupten Perspektivenwechseln vor allem bei Sprüngen und Klettereinlagen für fiese Orientierungsprobleme sorgen kann.

Fatale Stürze sind aber zum Glück selten, da Aeron diesbezüglich sehr zäh im Nehmen ist, solange er mit seiner schweren Rüstung nicht in tiefem Wasser oder glühender Lava landet. Zudem gibt es in jedem Turm eine Reihe von Kontrollpunkten, die im Todesfall einen schnellen Wiedereinstieg erlauben. Darüber hinaus gewinnt Aeron durch das Töten von Gegnern auch an Erfahrung, die ihm Stufe für Stufe mehr Kraft und Lebensenergie beschert. Das Spieltempo kann so jeder für sich bestimmen und auch der Umfang kann sich nicht nur aufgrund unterschiedlicher Enden, übetragbarer Spieldaten sowie nachträglicher Bonusareale sehen lassen.

Fazit

An die Monumentalität eines Xenoblade Chronicles mag Pandora's Tower nicht ganz heranreichen, trotzdem erlebt man in der abgeschiedenen Turmwelt ein spannendes und bewegendes Abenteuer, durch das der Geist großer Vorbilder wie Castlevania, Zelda oder Shadow of the Colossus weht. Mit einem Damoklesschwert über dem Kopf erklimmt man imposante Bauten, überwindet trickreiche Hindernisse und bestreitet packende Zweikämpfe - mal laut und brachial, mal leise und geheimnisvoll. Man pendelt zwischen Beutejagd und Beziehungspflege, zwischen Abscheu und Hoffnung. Und auch wenn es mit der Zeit zu Wiederholungen und Abnutzungserscheinungen kommt, Helenas und Aerons Leidensweg motiviert bis zum Schluss, der sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Wertung

Wii

Märchenhaftes Abenteuer zwischen Beutejagd und Beziehungspflege.

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