Scarface: The World is Yours17.07.2007, Jens Bischoff
Scarface: The World is Yours

Im Test:

Während PS2-, Xbox- und PC-User schon seit Ende letzten Jahres auf den Spuren Tony Montanas wandeln, kommen Wii-Besitzer erst jetzt in den Genuss, Brian de Palmas Filmklassiker in virtueller Form nach- bzw. weiter zu spielen. Hat sich das Warten gelohnt oder wird Wii-Spielern einmal mehr mit lieblos konvertierter Altware das Geld aus der Tasche gezogen?

Später, teurer und umständlicher

Okay, im Gegensatz zu manch anderen nach geschobenen Wii-Umsetzungen ist Vivendi zumindest nicht so dreist, eine verspätete 1:1-Umsetzung von Scarface zum Vollpreis anzubieten. Trotzdem kostet es doppelt so viel wie auf PS2 oder PC. Warum? Schließlich bietet das Spiel gegenüber dem weit günstigeren Original keinerlei Mehrwert.

Animationen und Synchro sei dank: Tony Montana macht trotz bescheidener Technik eine gute Figur.
Gut, das Tutorial wurde leicht abgewandelt, aber ansonsten ist der Inhalt absolut derselbe, die veraltete Technik ebenfalls und nicht einmal die Steuerung bietet wirklich Neues. Ja, man kann den Nunchuk-Aufsatz schütteln, um Tony Montana in Wut zu versetzen, die Wiimote bewegen, um Gegner zu verprügeln oder andere Verhöhnen, indem man das Nunchuk rasch anhebt. Aber erstens klappt das nicht immer so, wie es sollte, zweitens kostet es mehr Zeit und drittens entsteht dadurch kein wirkliches Mitten-drin-Gefühl.

Mit der Zeit ist es sogar recht ermüdend, ständig mit der Wiimote auf den Bildschirm zeigen zu müssen, da sich sonst die Kameraführung verabschiedet. Immerhin steuert sich Scarface trotz diverser Einschränkungen besser als auf dem PC. Die dem Spiel eigentlich zu Grunde liegende Pad-Steuerung würde ich dennoch jederzeit vorziehen. Vor allem, da die Wii-Alternative ziemlich überladen wirkt und man ständig umgreifen muss, um je nach Situation alle relevanten Tasten erreichen zu können. Eine möglichst einfache und intuitive Bedienung wie sie Nintendo so gerne proklamiert sieht jedenfalls anders aus. Zumindest dürft ihr die Sensibilität für Kameraschwenks und Zielerfassung anpassen, aber selbst auf der höchsten Stufe sind die Ergebnisse nicht immer zufriedenstellend.

Nach wie vor gut und kastriert

Aber egal, mit etwas Eingewöhnung, kommt man weitestgehend gut zurecht und das Spiel an sich ist nach wie vor alles andere als schlecht. Schade nur, dass die schon damals veraltet wirkende Grafik keinerlei Aufpolierung erfahren hat und heutigen Standards trotz teils grandioser Atmosphäre um Meilen hinterher hinkt.

Sägeverbot mit Folgen: Trotz USK 18 wurden tragende Spielinhalte ohne Anpassungen zu machen entfernt.
Der akustischen Seite merkt man das Alter jedenfalls weit weniger an: Der üppige und abwechslungsreiche Soundtrack ist nach wie vor grandios, die englische Synchro vor allem im Hinblick auf den von André Sogliuzzo verkörperten Al Pacino alias Tony Montana hervorragend. Auch der zugegeben teilweise zur Routine werdende Spielverlauf bietet angenehme Freiräume und lebendige Kulissen. Allerdings gab es das alles auch schon vor knapp einem Jahr in identischer Form.

Das gilt im Übrigen auch für die rigorose Zensur der deutschen Version. Gut, das unverstümmelte Original ist wirklich nichts für Zartbesaitete, aber mein Gott, das Spiel ist ab 18 - also nur für Volljährige! Das ist die geschnittene Fassung zwar auch, aber hier wurde nicht nur die Gewaltdarstellung weich gespült, sondern auch in die Spielmechanik und den Spielumfang eingegriffen. Es gibt weniger Waffen, weniger Missionen und weniger Angriffsmöglichkeiten. Weniger Gegner gibt es allerdings nicht, wodurch sich das Spiel stellenweise ungemein schwerer als im Original präsentiert, da tödliche Kopfschüsse oder munitionssparende Finishing-Moves genauso wenig zur Debatte stehen wie der Griff zur berüchtigten und aus der Filmvorlage bekannten Kettensäge. Alles weitere zum Spiel könnt ihr im ausführlichen Original-Test nachlesen.  

Fazit

Scarface wurde routiniert, aber weitestgehend unspektakulär auf Nintendos Wii umgesetzt. Die damals schon maue Grafik wirkt mittlerweile noch angestaubter, die überladene Steuerung hat man nach etwas Eingewöhnung sowie dank anpassbarer Ziel- und Schwenksensibilität zwar weitestgehend gut im Griff. An den Komfort des Originals kommt sie jedoch nicht heran und auch die Bewegungssensoren werden nur halbherzig genutzt: Ein bisschen Schütteln hier, eine optionale Aufwärtsbewegung da, für den Rest sind simple Tastendrücke inklusive lästiger Umgreif-Aktionen zuständig. Dazu braucht man sich jedoch nicht die im Gegensatz zu den anderen Versionen doppelt so teure Wii-Fassung zulegen. Okay, so schlecht wie die PC-Version ist das Wii-Scarface nicht zu bedienen, aber wer neben seinem Wii noch eine PS2 oder Xbox sein eigen nennt, hat eigentlich keinen Grund 40 Euro für eine verspätete Umsetzung, die absolut nichts neues bietet, auszugeben. Wer keine andere Plattform zur Verfügung hat, kann natürlich trotzdem zugreifen. Schließlich ist Scarface nach wie vor eine interessante und atmosphärisch dichte GTA -Alternative. Allerdings solltet ihr dann einen Import aus dem EU-Ausland in Betracht ziehen. Die deutsche Fassung ist nämlich auch auf Wii trotz USK 18 deutlich beschnitten - nicht nur in Sachen Gewaltdarstellung, sondern auch bezüglich Kampfsystem, Waffenarsenal und Missionsangebot.

Pro

reduzierter Preis
konfigurierbare Zielsteuerung

Kontra

überladene Steuerung
noch angestaubter wirkende Grafik
teurer als auf den anderen Systemen

Wertung

Wii

Etwas unhandliche und hierzulande zensierte Filmumsetzung im GTA-Stil.

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