Pangya! - Golf with Style15.06.2007, Jörg Luibl
Pangya! - Golf with Style

Im Test:

Mit Wii Sports hat Nintendo angedeutet, was man dank Bewegungssteuerung aus dem klassischen Golfen rausholen kann: Plötzlich war echter Schwung in der Bude und man hatte das Gefühl, selbst auf dem Rasen zu stehen. Allerdings hinterließ die spartanische Kulisse noch das Gefühl einer Techdemo. Auch Pangya Golf setzt auf aktiven Hüfteinsatz und serviert dazu eine kunterbunte Landschaft mit Fantasy-Kursen.

Eine Frage der Haltung

Aufgemerkt, Freunde der Sportgymnastik: Man recke den Allerwertesten ein Stück nach hinten, beuge sich bei geradem Rücken leicht vor, nehme die Remote in beide Hände und richte sie auf den imaginären Ball am Abschlagpunkt. Seid ihr konzentriert? Okay, dann schwingt die Remote in einem Bogen nach hinten und beobachtet, wie sich die Energieleiste parallel zu eurer Ausholbewegung füllt. Erreicht sie das obere Ende, drückt ihr den A-Knopf und schwingt die Arme möglichst gerade wieder nach unten Richtung Ball und hört im Optimalfall ein heiteres: PANGYA!

Gegner besiegt, Faust geballt: In der Kampagne geht es inkl. Story und Dialogen gegen zig skurrile Konkurrenten.
Diese Auszeichnung gibt es immer dann, wenn ihr den Ball optimal trefft und nicht nach links oder rechts verzieht. Wie schon in Wii Sports wird hier aktiv gegolft und das Ganze fühlt sich direkt nach dem Abschlag gut an: Danach könnt ihr nämlich beobachten, wie die Kugel begleitet von bunten Sternchen und einem gleißendem Schweif Richtung Loch jagt. Schafft ihr mehr als 245 Meter? Dann gibt es Extrapunkte! Erreicht ihr das Grün? Dann gibt es Extrapunkte! Was ihr damit anstellen könnt? Haufenweise Klamotten, Schläger, Caddys, Objekte & Co kaufen. Ihr könnt euren Golfer vom Schuh bis hin zur Kappe oder der magischen Kette einkleiden.

Fantasy-Golf

Magisch? Ja. Pangya ist trotz seiner ausgefeilten Spielmechanik keine bierernste Simulation, sondern eine Art Fantasy-Golf mit einem Hang zu Artefakten und Skurrilem. Da wird schon mal mit dem Baseballschläger vom Tee abgezogen, da schwebt eine Hexe als Caddy über den Kurs oder man nutzt die arkanen Kräfte einer Tinktur, um seinen Schlägen die nötige Kraft zu verleihen. Selbst Tränke zur schnellen Vergangenheitsbewältigung sollen im Umlauf sein, die hässliche Schläge der Marke Triple-Bogey vergessen machen...

Hört sich alles bunt und witzig an, ist es auch. Und gerade Fans japanischer Kulleraugen oder bizarrer Wesen wie Papiertüten-Caddys werden sich in dieser kinderfreundlichen Welt mit ihren urlaubsnahen Samba-Rhythmen wohl fühlen. Die Sonne lacht, die Beats summen. Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn auf den zweiten Blick offenbaren sich nicht nur technische, sondern auch spielerische Schwächen, die die karibische Heiterkeit ganz plötzlich in bewölkte Unzufriedenheit verwandeln können. Pangya Golf kommt locker, leicht und mit sehr viel Arcade-Flair daher, aber verbirgt knallharte Mechaniken unter seiner bunten Kulisse, die frustrieren können.

In Schwung kommen

Mit dem aktiven Schwung simuliert Pangya das Golfgefühl zunächst recht gut - leider frustriert das Putten.
Obwohl Tecmo den aktiven Schwung nutzt, obwohl man Spezialschläge à la Tiger Woods mit Ober- und Unterspin, mit Rechts- und Linksdrall anbietet, will der Funke der Begeisterung nicht überspringen. Das Schwingen macht Spaß, fühlt sich gut an, aber es fehlt was. Das Golfen in Nintendos kostenlosem Wii-Paket hat mir besser gefallen, weil dort eine aktivere Bewegung simuliert wurde - oder weil ich sie mir dort besser einbilden konnte? Es gehört immer ein wenig Hineinversetzen in die bewegungsreichen Spiele der New Generation. Man ahmt ja nach und kann das Gefühl unterstützen, indem man eben aktiv mitmacht.

Allerdings ist es hier so, dass man schnell das Gefühl bekommt, auch ohne echten Schwung zum Ziel zu kommen: Man hält den Arm einfach nach rechts oben, bis die Energieleiste gefüllt ist, wartet etwas ab, korrigiert nach oben oder unten, drückt dann den A-Knopf für den Rückschwung und zieht nach unten durch. Vielleicht fehlt hier einfach die Pflicht zu einer fließenden Bewegung von Ausholen und Abschlagen? Wer keine Lust auf rhythmische Sportgymnastik hat, kann übrigens bei Bedarf auch eine konservative Klickmethode aktivieren - dann wird wie in alten Zeiten statisch gegolft.           

Frusterlebnis Einlochen

Der Schwung ist verbesserungswürdig, aber nicht die große Schwäche von Pangya. Die steckt nämlich im Einlochsystem: Obwohl die kinderfreundliche Kulisse auch eine Leichtigkeit suggeriert, werden junge Neugolfer spätestens hier genau so frustriert wie geduldigere Veteranen. Anstatt ein wirklich anschauliches Gitternetzsystem für das Putten zu servieren, das mir das abschüssige oder erhöhte Gelände vor der Fahne in all seinen gewölbten Facetten zeigt, markieren hier Punkte in jedem Quadrat des Gitternetzes die Art des Geländes. Sprich: Ein Punkt in der linken Hälfte beudetet, dass es hier links abfällt; ein Punkt unten zeigt, dass es ansteigt.

Idyllisch, bunt und fantasievoll: Trotz chronischer Texturschwächen können sich die Kurse sehen lassen.
Es kann also sein, dass ihr bis zum Loch ein Dutzend Punkte seht, manche links, manche rechts, oben oder unten. Warum kann ich das Gelände nicht über eine plastischere 3D-Ansicht einfach über die Rasenwellen lesen? So wie in der Realität? So wird das Putten manchmal zu einem Glücksspiel. Man kann seinen Schlag zwar mit etwas Übung anhand der Punkte ausrichten, aber das Frustrierende ist einmal, dass man manchmal die hinteren Punkte gar nicht mehr erkennt - und das darf wirklich nicht sein! Selbst die optionale Vogelperspektive ist da keine Hilfe. Und zum anderen lochen die KI-Gegner gerade im späteren Verlauf so präzise ein, dass man hier sehr schnell das Nachsehen hat.

Rollenspiel? Nein, nein...

Gerade beim Putten wird man zu Beginn sehr viele Punkte verschenken, zumal die Schwungabfrage auf der kurzen Distanz sehr zittrig sein kann. Wenn man ein paar Zentimeter vor dem Loch liegt, sollte ein Golfspiel daraus kein Vabanquespiel mehr machen! Man kann sich daran gewöhnen, man gewinnt an Erfahrung und die Motivation fällt nicht ganz in den Keller, weil auch die Gegner in der Kampagne viele Fehler machen. Ja, richtig gehört, es gibt sogar eine Story rund um einen namenlosen Helden und einen mystischen Phönixball, die euch über Insel-, Eis-, Wüsten-, Piraten- und Maschinenkursen mit vielen skurrilen Kontrahenten bekannt macht.

Es gibt Feenwesen und Waldriesen, Ex-Cops und Kampfjetpiloten, Hexen und Delfine. Allerdings kann der witzige Golf-Soap-Ansatz nicht wirklich begeistern. Es ist sehr schön, dass alle Charaktere ihre eigenen Stärken und Schwächen auf dem Platz zeigen, wie etwas besonders weite oder besonders präzise Schläge, aber spätestens in den Zwischensequenzen, wenn die Story über Dialoge vorangetrieben werden soll, will man das unfreiwillig komische Gequatsche à la "Ich habe eine wunderschöne Blondine gesehen. Und ich wusste instinktiv, dass das meine nächste Gegnerin sein würde." schnell überstehen - leider kann man es nicht wegklicken oder überspringen und muss durch. Auch das Geheule und pathetische Zusammenbrechen von Verlierern dürfte nur gestählten Japanfreunden gefallen.

Konsequent ins Wasser?

Egal ob Boots oder Pömps, Hut oder Kappe - im Shop könnt ihr euch frei entfalten.
Und so differenziert das Verhalten der Gegner in Sachen Schlagtechnik auch ist, ist es oftmals mehr als fragwürdig: Warum sollte selbst der lernunwilligste Gegner einen langen Ball drei mal (!) auf dieselbe Art und Weise ins Wasser setzen? Das sorgt zwar zu Beginn der Kampagne für einen angenehmen Schwierigkeitsgrad, da man selbst einiges versemmeln kann, aber wenn der Kontrahent vorher als der Favorit für das Turnier aufgebaut wird, wirkt das nicht mehr glaubwürdig. Genau so wenig wie die Tatsache, dass man aus einem Bunker heraus fast genau so gut schlagen kann wie vom Rasen aus. Wieso soll ich hier noch den Sand Wedge nutzen? Und wieso scheinen sich die Bodenbeläge so wenig auf die Rollbahn des Balles auszuwirken?

Trotzdem gibt es einige interessante Aspekte, die Pangya durchaus reizvoll machen: Wind und Regen beeinflussen die Flug- bzw. Rollbahnen, ein "Tomahawk"-Schlag lässt den Ball nach einem Steilflug wie einen Stein nach unten fallen und ein "Kobra"-Schlag lässt euch unter dem Wind ganz flach herjagen - ihr könnt Schläge sogar kombinieren. Die Plätze sind zwar kantig und texturarm, aber sehr fantasievoll gestaltet und euer Charakter steigt Stück für Stück auf, gewinnt an Fähigkeiten, Geld und Ausrüstung. Als Anfänger steht man noch mit T-Shirt und Schlappen auf dem Platz, später kann man mit Lederjacke, Kappe und Jeans protzen oder seine magische Ausrüstung vom präzisen Leuchtball bis hin zum Superschläger nutzen.

Kein Partyhit

Gerade die Spezialeigenschaften der Gegenstände haben es in sich, denn sie bieten euch herrliche Boni oder für den Gegner fiese Mali. Ein "Armreif des Glücks" erleichtert euch erfolgreiche Pangya-Schläge; mit dem "Graffiti-Stift" könnt ihr eurem

Das einzige, aber witzige Minispiel: Ballonabschießen. Nur warum braucht hier jeder eine Remote? 
Kontrahenten mal eben schnell den Bildschirm bepinseln - und das während des Schlages! Und mit dem "Abzeichen des Hurrikans" sorgt ihr bei euch für eine Flaute, während es gegenüber richtig stürmt.

Trotzdem hat es Pangya bei uns nicht zum Partyspiel geschafft. Es gibt neben der Kampagne nur einen Minispielmodus, indem ihr Ballons treffen müsst - warum hier jeder Teilnehmer eine Remote braucht und diese nicht wie im Versusmodus weitergereicht werden kann, verstehe ich nicht. Es gibt ansonsten freies Training auf allen Plätzen den oben erwähnten Modus für bis zu vier Personen gegeneinander, wobei auch Bots hinzugeschaltet werden können. Leider war es uns hier nicht möglich, direkt an einem Wii mit zwei unterschiedlichen Charakteren anzutreten - beide mussten mit der zuerst erstellten Figur starten.

     

Fazit

Mal abgesehen davon, dass dieses Pangya Golf auf dem kostenlosen (!) PC-Spiel Albatross 18 basiert und jetzt ohne große Änderungen zum unverschämten Vollpreis erscheint, hat es mich trotz seines heiteren Charmes, zig freispielbarer Objekte und fantasievoller Kurse ein wenig enttäuscht - und das, obwohl es den aktiven Schwung nutzt und damit den Weg verfolgt, den Wii Sports vorgegeben hat. Aber man tut es nicht konsequent genug, denn obwohl die Remote den Schläger simuliert, fehlt das Gefühl, wirklich auf dem Platz zu stehen: Aushol- und Abschlagbewegung hätten noch präziser in einem Fluss abgerufen werden müssen. Und wer hat sich nur dieses Putt-System ausgedacht? Die kunterbunte Kulisse mag Kinder und Familie zunächst anziehen, aber spätestens das frustrierende Einlochen wird sie wieder abschrecken. Ja, es gibt tolle Spezialschläge. Ja, es gibt viele putzige Figuren, viel Samba, etwas Rollenspielflair und Shopping ohne Ende, aber der sportliche Kern bleibt hinter den Erwartungen an ein bewegungssensitives Erlebnis zurück. Unterm Strich ist nur eines wichtig: Auf'm Platz. Und genau da zeigt Pangya einige Schwächen, die aus einem scheinbar leichtfüßigen schnell ein frustrierendes Erlebnis machen können. Übrigens, Nintendo: Albatross 18 kann man auf dem PC auch online spielen...

Pro

aktives Schwungsystem…
umfangreiche Kampagne
putzige Figuren
viele Spezialeigenschaften
heitere Samba-Rhythmen
fantasievolle Plätze
heitere Samba-Rhythmen
Schwung- oder Klicksystem
komplexes Schlagsystem

Kontra

…aber kein konsequentes- frustrierendes Putt-System
langweilige Kampagne
sehr fragwürdige KI-Schläge
Ballon-Minispiel zwingt mehrere Remotes auf
basiert auf kostenlosem PC-Spiel Albatross 18

Wertung

Wii

Kunterbuntes Golf mit angenehm aktivem Schwung, aber frustrierendem Einlochsystem.

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