Far Cry: Vengeance11.01.2007, Mathias Oertel
Far Cry: Vengeance

Im Test:

Holt das Hawaii-Hemd aus dem Schrank, schnappt euch die Remote und bereitet euch auf animalische Shooter-Action vor: Der Wii bekommt mit Vengeance sein speziell zugeschnittenes Abenteuer aus dem Far Cry-Universum. Wir sind mit Jack Carver durch den Nunchuk-Dschungel gezogen und haben uns mit Steuerungs-Idealen, KI-Problemen und Grafikschwächen auseinander gesetzt.

Die Leiden des jungen Wii

Vor allem die konventionellen Genres sind es, mit denen Wii bzw. die Umsetzungen auf Wii-Remote und -Nunchuk zu kämpfen haben. Allen voran die gute alte First Person-Action. Call of Duty 3 ist ein Kontrolldebakel und Red Steel zeigt zwar gute Ansätze, ist aber nach wie vor gewöhnungsbedürftig. Hinzu kommt, dass die Kulisse deutlich hinter dem herhinkt, was auch auf dem fernab aller Polygonzähl-Wettbewerbe agierenden Wii möglich zu sein scheint.

Bis auf wenige Ausnahmen wie das Snipern ist die Wii-Steuerung gelungen und sollte als Beispiel für kommende Wii-Shooter dienen.
Steuerungs-Vorbild

Und ausgerechnet die auf allen Systemen als Grafik-Bombe bekannte Far Cry-Serie soll mit dem Wii-Ableger Vengeance Abhilfe schaffen. In einem Punkt ist dies auch definitiv gelungen: Die Steuerung zeigt der bereits erhältlichen und kommenden Konkurrenz, was mit etwas Kreativität und Verständnis der Mechanismen möglich ist. Zwar finden sich auch bei Vengeance einige Punkte, in denen die Remote-/Nunchuk-Kombo noch etwas überfordert scheint, doch unter dem Strich zeigt sich das Dschungel-Abenteuer als kontrolltechnisch bisher bester Ansatz, wie sich Action auf Wii steuern lassen sollte: Nunchuk samt Stick werden für Vorwärts- und Seitbewegung genutzt, während Remote-Schwenks dafür sorgen, dass man sich umschauen kann - quasi das bekannte Gegenstück zur Tastatur-/Maus-Kombo am PC. Doch bei keinem anderen bisher erschienenen Wii-Shooter hatte ich so wenig Probleme, mich mit der Steuerung anzufreunden. Ein kurzer Abstecher ins Options-Menü und schon war die für mich angenehme Empfindlichkeit gefunden, so dass ich die konventionelle "Zwei-Stick-Steuerung" nicht mehr vermisst habe.

Klasse Idee

Auch die Zusatzfunktionen wie Granatenwurf oder Springen (jeweils mit Nunchuk) als auch das Schwingen der Machete per Remote wirken logisch und gehen schnell von der Hand.

Einzig der Zoom (vor allem beim Sniper-Gewehr), der mit einer sanften Vorwärtsbewegung der Remote initiiert wird, ist nicht präzise genug, da bei dieser Bewegung das Ziel fast automatisch aus dem Blickfeld verschwindet und erst neu "gesucht" werden muss.

Technische Schwächen und KI aus der Hölle demontieren die guten Ansätze, die von der Steuerung ausgehen.
Dafür hat man jedoch an ein Feature gedacht, dass von jetzt ab in jedem Wii-Shooter verankert werden sollte: Über den Druck das A-Knopfes kann man den momentanen Kameraausschnitt feststellen, um so das Faden-Kreuz auf dem Bildschirm zu bewegen, ohne dass sich bei Feinjustierung gleich das ganze Gesichtsfeld ändert. Ideal, um den letzten Millimeter für den perfekten Schuss zu justieren, ohne dass gleich der Ausschnitt rotiert, wenn ich nur ein paar kleine Änderungen nach rechts oder links, oben oder unten vornehme.

Abgestürzter Held

Leider ist die Steuerung nicht nur die positivste Erfahrung, die man aus dem Spielen von Far Cry Vengeance mitnimmt, sie ist auch die nahezu einzige Positive - von einigen kleinen optischen Highlights mal abgesehen.

Denn der Rest vom Schützenfest enttäuscht auf breiter Front und macht deutlich, dass Steuerung zwar wichtig, aber bei weitem nicht alles ist. Dies wirkt wie Perlen vor die sprichwörtlichen Säue zu werfen: Nicht nur, dass die KI der Feinde sich schämen sollte, einen solchen Namen zu tragen und John McCarthy (Wissenschaftler, hat den Begriff KI mit seinen Forschungen in den 50er und 60er Jahren maßgeblich geprägt) tot umfallen müsste. Weder Zielgenauigkeit noch Ausweichverhalten entsprechen halbwegs gängigen Standards - von gemeinschaftlichen Aktionen -vor allem am PC eine der großen Herausforderungen- ganz zu schweigen. Nach den einsetzenden KI-Schwächen der 360-Fassung wird mit Vengeance ein Aushängeschild der Far Cry-Reihe komplett demontiert.

     

Und als ob das nicht reichen würde, findet sich als vermeintliches Sahnehäubchen eine Zielhilfe, die ihren Job zu genau nimmt: Angesichts der bereits beschriebenen umfangreichen Feinjustierungs-Mechanismen halte ich es für übertrieben, wenn das Fadenkreuz bereits in einiger Entfernung (wenn ihr weit von dem Gegner weg steht bis zu einem geschätzten Meter) rot wird und mir einen sicheren Treffer anzeigt. Gerade auf Konsolen bin ich zwar ein Verfechter einer gewissen Treffer-Toleranz, doch dies ist zu viel des Guten...

Die KI der Gegner spottet jeder Beschreibung und ist den Namen wahrlich nicht wert...
Bei den sporadisch auftauchenden Fahrsequenzen hingegen sieht es ganz anders aus: Hier steuert ihr das Fahrzeug per Nunchuk-Stick und zielt mit der Remote das jeweilige Geschütz. Allerdings macht es die auffällig unglaubwürdige Physik wirklich schwer, hier Gegner effektiv aufs Korn zu nehmen, weswegen man unter dem Strich froh ist, dass die eigentlich als Auflockerung vom normalen Shooter-Alltag gedachten Fahrereien nicht häufiger vorkommen. Auch hier wird man enttäuscht...

Technische Unzulänglichkeiten

Dass man auf Wii keine grafischen Höhenflüge erwarten kann, die mit denen einer Xbox 360 vergleichbar sind, dürfte jedem klar sein und das war auch gar nicht Nintendos Ziel. Doch was Vengeance hier teilweise bietet, spottet jeder Beschreibung und ist ein weiterer Standard, den man mit dem Namen Far Cry eigentlich assoziiert, der aber nicht erreicht wird.

Dabei kann ich sogar noch darüber hinweg sehen, dass das Leveldesign bis auf wenige Ausnahmen dem der Xbox-Variante entspricht. Nur: Dann erwarte ich auch, dass sich die Grafikabteilung Mühe gibt, ein visuell ähnlich ansprechendes Erlebnis zu zaubern wie seinerzeit bei der Far Cry-Premiere auf der mittlerweile ausgedienten Microsoft-Konsole.

Was ich nicht erwarte, sind Bäume und gelegentlich sogar Gegner (!), die in etwa fünf Meter vor einem aufpoppen - teilweise sogar erst, nachdem der Schatten der Figur bereits zu sehen ist. Was ich ebenfalls nicht erwarte, sind die schwammigen Texturen, die selbst hart gesottenen Benutzern des GameCube und des N64 die Schamesröte ins Gesicht treiben. Und was ich ebenfalls nicht erwarte, sind die qualitativ unsauberen FMV-Videos, die die unterdurchschnittlichen Kulissen sogar noch unterbieten (!), die aber zum Glück ähnlich selten gestreut sind wie die bereits angesprochenen Fahrsequenzen.

Prächtige Kulissen sind seit jeher das Aushängeschild des Far Cry-Universums. Auf Wii ist davon weit und breit nix zu sehen...
Was ich erwarte ist Dschungel-Feeling, das auch in Vengeance dank dichter Vegetation in Verbindung mit passabler Sichtweite aufgebaut wird. In seltenen  Glücksmomenten passiert es tatsächlich, dass ich stehen bleibe, nur um mir die idyllische Umgebung samt korrekter Schatten anzuschauen. Zehn Sekunden später, wenn ich mich wider besseren Wissens dazu entschließe, weiter zu gehen, krieg ich auch schon wieder einen verpasst - nicht vom Gegner, sondern von der Grafikengine, die sich zu allem Überfluss auch noch mit Schluckauf plagen muss, während sie Schwierigkeiten damit hat, vernünftige Gegner-Animationen, die eine oder andere gelungene Explosion, Pop-Ups und Texturplopper unter einen Hut zu bringen.

Schade Ubisoft: Was nach den ersten Minuten im Tutorial-Level wie ein richtig gelungener Shooter aussieht, der vor allem dank der durchdachten Kontrollmechanismen punkten kann, wird nach und nach von der eigenen Engine demontiert.

Ist es dann noch eine Überraschung, dass auch die aus den anderen Versionen recycelt scheinende Sprachausgabe sowie die übrigen Soundeffekte kaum der Erwähnung wert sind? Auch dem vermutlich aus Mangel an Ersatz fälschlicherweise mit "Mehrspieler-Modus" betitelten Splitscreen-Duellen kann man nur schwer Spaß abgewinnen. Ich für meinen Teil kam mir wie im falschen Film vor, mit einem (!) menschlichen Gegenspieler ohne Botmöglichkeit (!) auf viel zu großen Karten (!) ein Räuber-und-Gendarme-Spielchen abzufackeln...    

Fazit

Auf der einen Seite möchte ich Ubisoft ein großes Lob aussprechen: Man hat das Unmögliche geschafft und dem Wii eine mit nur einer Ausnahme (Snipern) durchdachte und gelungene Shooter-Steuerung verpasst, die den Kollegen Red Steel und Call of Duty 3 zeigt, wo’s langgeht. Auf der anderen Seite allerdings zeigt Vengeance kaum etwas von den Stärken, die man mit dem Far Cry-Universum in Verbindung bringt: Die Qualität der Kulisse blitzt nur gelegentlich auf und wird dann umgehend von Pop-Ups, Texturschwächen und schwachen Animationen schneller gemeuchelt, als ihr es mit euren animalischen Fähigkeiten bei den strunzdoof agierenden Gegnern schaffen könntet. Sprich: Immer, wenn sich durch die gute Kontrolle, das immer wieder aufkeimende Dschungel-Feeling sowie die etwas zu großzügig reagierende Zielhilfe Erfolgserlebnisse und Spaß einstellen, könnt ihr sicher sein, dass ein technisches Manko wie KI oder grafische Mängel zielsicherer den Spaß schneller umnieten als ein Jäger im Hochsitz ein Reh auf weiter Flur. Schade, so viel Potenzial wie hier wurde selten verschenkt...

Pro

gelungene Wii-Shooter-Steuerung
animalische Fähigkeiten
Dschungel-Feeling
gelegentliche Optik-Highlights (akzeptable Weitsicht, etc.)
umfangreiches Waffenarsenal
Fahrzeuge

Kontra

künstliche Dummheit in Reinkultur
Mängel im Kulissendetail
extrem nachgiebige Zielhilfe
Hauptfigur wird erzählerisch nicht aufgebaut oder erklärt
lahmer Mehrspieler-Modus
altbackene, schwache Filmsequenzen
Story? Was für ne Story?
größtenteils Level-Recycling
schwache Vehikel-Sequenzen

Wertung

Wii

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.