SSX Blur24.03.2007, Jens Bischoff
SSX Blur

Im Test:

Die SSX-Serie stand bisher immer für unkomplizierten und abgefahrenen Pistenspaß, der selbst notorische Wintersportverweigerer in seinen Bann zog. Eigentlich das perfekte Spiel für eine Wii-Umsetzung. Das dachte wohl auch Electronic Arts und ließ die Mannen von EA Montréal SSX Blur (ab 19,98€ bei kaufen) entwickeln. Das beste SSX aller Zeiten? Oder nur eine erste Fingerübung, um sich an die neue Bewegungssteuerung heran zu tasten?

Gut gemacht!

Anfangs war ich positiv überrascht, dass SSX für den Wii nicht auf Minispielcharakter zusammengestutzt und komplett auf simple Bewegungssteuerung getrimmt wurde. Nach den ersten Fahrversuchen muss ich jedoch zugestehen, dass immer noch etwas zu viel gefuchtelt wird. Dabei hat man sich an die kombinierte Fahrsteuerung via Nunchuk eigentlich recht schnell gewöhnt und will sie bald nicht mehr missen.

Freude: Das Fahrgefühl ist nach kurzer Eingewöhnung sehr ordentlich - das Geschwindigkeitsgefühl auch.
 Für leichte Kurven reicht der Analogstick, der im Übrigen auch zum Beschleunigen und Abbremsen dient. Um auch enge Kurven fahren zu können, müsst ihr den Nunchuk hingegen zusätzlich seitlich kippen. Dasselbe System kommt auch beim Grinden zum Einsatz. Klingt kompliziert, klappt nach einer Weile aber wunderbar. Auch Temposchübe via Z-Knopf oder 180°-Turns via C-Knopf sind kein Problem - mit einer Hand habt ihr alles im Griff, egal ob Rechts- oder Linkshänder.

Das Anheben des Nunchuk, um Sprünge zu initiieren, wirkt hingegen etwas umständlich. Zwar kann man alternativ auch auf Knopfdruck abspringen, aber eine Möglichkeit vor dem Absprung Spannung aufzubauen, um noch höher abzuheben, gibt es leider überhaupt nicht mehr. Wirklich problematisch wird es jedoch erst mit der Einbindung der Wii-Fernbedienung, die quasi ausschließlich für Trickmanöver zuständig ist. Einfache Flips und Spins gehen noch recht ordentlich von der Hand. Auch zusätzliche Grabs via Nunchuk machen prinzipiell keine Probleme. Bei der Verkettung von Tricks unterliegt man jedoch gewissen Einschränkungen was Reihenfolge und Kombinationsmöglichkeiten betrifft. Persönlich hatte ich auch immer wieder mit dem Kabel des Nunchuk-Aufsatzes zu kämpfen, aber vielleicht war ich beim Tricksen auch einfach etwas übereifrig.

Tricky Tricks

Um richtig fette Stunts, so genannte Übertricks, vom Stapel zu lassen, wird's hingegen kompliziert. Im Prinzip müsst ihr dazu zwar nur den A-Knopf gedrückt halten und eine vorgegebene Form in den Raum zeichnen, aber die Formerkennung klappt nicht wirklich überzeugend, auch wenn es Linkshänder freuen dürfte, dass es keine Rolle zu spielen scheint, in welcher Hand man Nunchuk und Remote hält. Dafür sind manche Formen so komplex, dass es eine ganze Weile dauert, sich diese korrekt einzuprägen und sie dann auch noch unter Zeitdruck akkurat wiederzugeben. Wenigstens könnt ihr die nach und nach freischaltbaren Tricks im Pausemenü jederzeit als Trockenübung aufrufen und trainieren. Aber nur die wenigsten gehen wirklich in Fleisch und Blut über und die Auswahl ist auch nicht gerade üppig. Hier besteht definitiv Nachbesserungsbedarf.

Verzichten kann man auf die Übertricks jedoch nicht, da man sonst bei punkteträchtigen Wettbewerben gegen die kompromisslosen KI-Rivalen irgendwann den Kürzeren zieht. Auch das Einstudieren nur weniger, einfacher Überticks ist keine Lösung, da sich mangelnder Abwechslungsreichtum in der Punktewertung ebenfalls negativ auswirkt. Für weniger geduldige Naturen und Anfänger kann der Spielspaß daher schnell in Frust umschlagen, während sich Profis über die zusätzliche Herausforderung eventuell sogar freuen. Doch ob Neuling oder Crack, das sich teils aus bekannten Abschnitten der Vorgänger zusammensetzende Streckendesign zollt der neuen Steuerung nicht wirklich Tribut. Die viel zu eng abgesteckten Slalomkurse bereiten selbst geübten Spielern massive Schwierigkeiten und machen die sonst sehr motivierende Medaillenhatz des Karrieremodus zur Qual.        

Hübsch, aber unspektakulär

Zudem sind die Abfahrten insgesamt deutlich unspektakulärer als sonst. Das mag zwar realistischer sein, aber Realismus ist etwas, das bei SSX noch nie sehr groß geschrieben wurde und das war bisher auch gut so und sicher mit für den Erfolg verantwortlich.

Ernüchterung: Beim hakeligen und limitierten Tricksystem besteht klar Nachbesserungsbedarf.
 Veteranen werden bestimmt auch die hektischen Fluchten vor herabdonnernden Lawinen oder das Brettern durch verschneite Ortschaften vermissen. Versteht mich nicht falsch, die drei Gipfel mit all ihren Abfahrten sind abwechslungsreich und ansehnlich gestaltet, aber Spektakuläres und Neues sucht ihr hier vergebens. Wenn schon Strecken-Recycling, dann doch bitte wenigstens ein Medley aus markanten Highlights und nicht ein Mix aus harmonisch ineinander übergehenden, aber austauschbaren Versatzstücken.

Die Kulisse weiß dennoch zu gefallen: Die Umgebungen wirken sehr natürlich, Sichtweite und Bildrate sind vorbildlich, die Animationen der comichaften Charaktere hübsch und die Wetter-, Schnee- und Lichteffekte sehenswert. Nach einem Sturz haftet Schnee an euren Klamotten, in manchen Abschnitten zieht sehr realistischer Nebel auf oder es beginnt zu schneien, andernorts werdet ihr hingegen fast schon zu realistisch von der Sonne geblendet, während Blureffekte den Geschwindigkeitsrausch und Zeitlupeneffekte das Tricksen aufwerten - auf Wunsch sogar in Progressive Scan-Auflösung.

Mucke hui, DJ pfui!

Auch der auf eure Leistungen reagierende Elektro-Soundtrack von Junkie XL weiß zu gefallen. Die Sound-FX fallen hingegen etwas ab und die nur außerhalb von Wettbewerben erklingenden Sprüche des englischen DJs sind höflich ausgedrückt Geschmackssache.

Hübsch, aber zu brav: Die Strecken sehen ordentlich aus, wirken aber vergleichsweise unspektakulär.
 Wer will, kann dem statischen Schwätzer aber auch eine Maulsperre verpassen und sich voll und ganz auf das Freispielen der zahlreichen Extras konzentrieren. Egal ob Fahrer, Bretter, Strecken, Tricks, Events oder Artworks, wer alles sein eigen nennen will, kann sich trotz nur drei miteinander verbundenen Gipfeln etliche Stunden mit SSX Blur beschäftigen. Auch der im Mittelpunkt stehende Karrieremodus, bei dem ihr die Fertigkeiten des Boarders bzw. Skiläufers eurer Wahl schrittweise aufstufen könnt, hält euch eine ganze Weile auf Trab.

Natürlich könnt ihr auch einfach nur frei Schnauze ins Tal düsen, Herausforderungen von KI-Konkurrenten annehmen, um euch deren Ausrüstung zu schnappen, euch direkt zu einem Event-Schauplatz teleportieren oder neuerdings auch Schneebälle werfen. Allerdings wirken die beiläufigen Schneeballschlachten etwas aufgesetzt und hektisch, auch wenn ihr dank Zielhilfe nur selten daneben werft. Neben der Einzelspieler-Karriere bietet Blur auch einen Schnellspiel-Modus, wo ihr direkt in einem Wettbewerb eurer Wahl wie Rennen, Slopestyle, Half-Pipe, Big Air oder Slalom um den Highscore fahrt. Einen Mehrspielermodus gibt es ebenfalls. Allerdings ist dieser nicht besonders umfangreich. Ihr dürft lediglich zu zweit Splitscreen-Rennen veranstalten oder mit bis zu vier Teilnehmern abwechselnd eine Reihe von Halfpipe-, Big Air- und Slalom-Events bestreiten. Einen direkten Vier-Spieler- oder Onlinemodus gibt es hingegen nicht.      

Fazit

Wer gehofft hat, dass die Wii-Premiere von SSX Nintendos Ambitionen, alles einfacher und intuitiver zu machen, Rechnung trägt, wird enttäuscht sein. Blur ist ein sehr lern- und frustintensives Unterfangen, das Anfängern und Gelegenheitsspielern eine fette Ladung Pulverschnee ins Gesicht klatscht - und das nicht nur aufgrund des relativ hohen Schwierigkeitsgrades. Wer hingegen die nötige Geduld und Erfahrung mitbringt, wird die neue Bewegungssteuerung oder zumindest Teile davon schon bald nicht mehr missen wollen und die Herausforderung schätzen. Das eigentliche Boarden bzw. Ski fahren via Nunchuk macht jedenfalls eine gute Figur, sobald man sich an die Kombination aus Stick- und Kippsteuerung gewöhnt hat. Die Absprünge würde ich hingegen lieber auf die klassische Weise inklusive Spannungsaufbau ausführen. Überhaupt nicht glücklich bin ich mit dem übersensiblen und limitierten Tricksystem sowie den unausgegorenen Slalom-Events. Auch Streckendesign und Multiplayer-Optionen lassen zu wünschen übrig. Nicht beklagen kann man sich hingegen beim Umfang. Bis ihr alles erreicht und frei gespielt habt, vergehen etliche Stunden. Auch optisch ist SSX Blur recht ansehnlich. Um wieder in Award-Regionen vorzustoßen, sollten sich die Entwickler beim nächsten mal jedoch unbedingt auf die eigentlichen Tugenden der Serie besinnen und nochmals ausgiebig an der Steuerung feilen. Bis dahin sollten Fans lieber zu den ausgereifteren und deutlich spaßigeren Vorgängern greifen.

Pro

hübsche Optik
solide Fahrmechanik
viele freispielbare Extras
motivierender Karrieremodus

Kontra

kein leichter Einstieg
frustrierende Slalom-Events
unspektakuläres Streckendesign
eingeschränkter Mehrspielermodus
limitierte & hakelige Tricksteuerung

Wertung

Wii

Das Fahrgefühl überzeugt, Einstieg und Tricksystem sind verbesserungswürdig.

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