Opoona06.10.2008, Jens Bischoff
Opoona

Im Test:

Mit Opoona (ab 18,48€ bei kaufen) bekommt Nintendos Wii endlich sein erstes klassisches Rollenspiel. Auch wenn der Titel auf den ersten Blick eher wie ein SciFi-Trip japansicher Teletubbies anmuten mag, brauchen sich die Bonbon werfenden Eierköpfe inhaltlich und spielerisch nicht vor anderen Genrevertretern zu verstecken. Unser Test verrät, was sie besonders gut können und wo noch Nachholbedarf besteht!

Der Weg ins Paradies

 

Video: Hinter der kindlichen Bonbon-Fassade verbirgt sich ein ausgewachsenes Rollenspiel.Das Spiel beginnt auf einer Ausflugsreise durchs Weltall, als euer Raumschiff plötzlich angegriffen wird und notlanden muss. Dabei werdet ihr von euren Eltern und Geschwistern getrennt und findet euch, als ihr wieder zu euch kommt, in einer Kuppelstadt auf Landroll wieder, einem mysteriösen Planeten, dessen eine Hälfte in ewiger Dunkelheit liegt, von der aus angriffslustige Monster in die bewohnte, stets der Sonne zugewandte Hälfte strömen. Besonders ausgebildete Sicherheitskräfte stellen sich der Invasion entgegen und ehe ihr euch verseht, seid ihr selbst ein Mitglied dieser Truppen, in der Hoffnung mehr über den Verbleib eurer Familie und die Ursache eures Absturzes herauszufinden.

Die erhoffte Familienzusammenführung zieht sich allerdings hin, da ihr nur mit genügend Geld und Ansehen ins Gebiet, wo ihr eure Eltern vermutet, vordringen könnt. Also erfüllt ihr zugewiesene Aufgaben, stellt Nachforschungen an und dringt dabei immer weiter ins Landesinnere vor, wo ihr bizarre Dinge über die Bevölkerung und Machtverhältnisse auf Landroll erfahrt. Der Planet wird nämlich von einem mächtigen Weisen regiert, der den Bewohnern die Aufnahme in eine als Paradies deklarierte Schutzzone in Aussicht stellt, sofern diese brav und emsig ihren Aufgaben nachkommen. Was es mit dieser geheimnisvollen Zone, in der sich auch eure Eltern befinden sollen, tatsächlich auf sich hat, könnt ihr natürlich nur heraus bekommen, wenn ihr dort selbst Einlass erhaltet, denn offiziell zurückgekehrt ist von dort noch niemand. Also erfüllt ihr weiterhin brav eure Vorgaben und verhaltet euch unauffällig.

Die Hintergrundgeschichte entwickelt sich dabei zu einem durchaus spannenden Spießrutenlauf voller Überraschungen,

Der Grafik- und Musikstil von Opoona erinnert teils stark an Phantasy Star Online.Wendungen und Intrigen. Schade nur, dass das Ganze viel zu zahm und harmlos erzählt wird, die gelegentlichen Sequenzen keinerlei Dramatik versprühen und die Figuren aufgrund belangloser Dialoge oberflächlich und austauschbar bleiben. Hier wurde leider ungemein viel Potential verschenkt, was sich leider auch deutlich auf den Spielspaß auswirkt...

Viel zu tun

Nichtsdestotrotz schafft es Opoona andernorts wieder zu versöhnen. Vor allem die vielen Möglichkeiten, denen ihr abseits des Hauptplots nachgehen könnt, wissen zu gefallen. Ihr könnt euch nämlich nicht nur den Sicherheitskräften, sondern auch zahlreichen anderen Berufsverbänden auf Landroll anschließen und Aufgaben für diese erledigen. Vom Straßenkehrer oder Erntehelfer bis hin zum Profitaucher oder TV-Star. Das Jobangebot ist unglaublich groß und vielschichtig, wobei jede Anstellung auch entsprechende Aufgaben und Aufstiegschancen mit sich bringt. Welche ihr davon wahrnehmen wollt, bleibt weitestgehend euch überlassen, da für das Hauptabenteuer nur ein paar wenige Anstellungen Pflicht sind. Darüber hinaus entscheidet einzig und allein ihr, was euch interessiert und was nicht.

Als Bergbauingenieur könnt ihr z. B. versperrte Wege freilegen und wichtige Rohstoffe abbauen, als Angler seltene Fische an Land ziehen, als Musikant eure Portokasse aufbessern oder als Wahrsager in die Zukunft blicken. Manche Jobs mögen relativ unspektakulär sein, viele üben allerdings eine enorme Motivation aus und wurden in teils sehr gelungene Minispiele verpackt, 

Anfangs bestreitet ihr die Schleuderkämpfe noch allein, später dirigiert ihr bis zu drei Figuren.die einen auch über das eigentlich Abenteuer hinaus noch lange ans Spiel binden können. Eine weitere Motivationssäule ist das Schließen und Pflegen von Freundschaften, das euch nicht nur zusätzliche Aufgaben, sondern auch Statusverbesserungen beschert. Lohnenswert ist auch die Suche nach überall auf Landroll versteckten Geheimcodes, die ihr gegen eine Reihe spezieller Items eintauschen könnt. Auch bei Einkäufen gibt es ein lukratives Bonussystem, mit dem ihr euer Inventar erweitern dürft.

Darüber hinaus könnt ihr Bilder und Skulpturen begutachten, um euer Kunstverständnis zu schärfen sowie mehr oder weniger gut versteckte Muschelbehälter öffnen, in denen diverse Wertgegenstände schlummern. Es gibt jedenfalls viel zu tun und zu entdecken, wenn man sich die Zeit dazu nimmt. Schade nur, dass die meisten Schauplätze recht kompakt und linear ausgefallen sind. Lediglich die Kuppelstädte wurden etwas komplexer gestaltet, wobei gerade in den Metropolen einfachere Strukturen sinnvoll gewesen wären, da es hier trotz Kartenfunktion, die leider immer nur den aktuellen Bereich abdeckt, oft unnötig zu Orientierungsproblemen kommt. Bereits in der ersten Stadt kann man sich hoffnungslos verlaufen, wenn man einen falschen Aufzug benutzt. Wenigstens gibt es für die wichtigsten Einrichtungen Wegweiser und irgendwann findet man sich auch so zurecht. Trotzdem hätte ich mir lieber einfachere Stadt- und komplexere Dungeon-Strukturen gewünscht als umgekehrt, denn Letztere bestehen fast ausschließlich aus simplen Schlauchabschnitten ohne nennenswerten Erkundungswert.          

Es gibt viel zu entdecken wie dieses Freilicht-Kunstwerk und die beiden Muschelbehälter.Dafür kann man in Städten zumindest die Kamera manuell justieren.  Das Ergebnis ist zwar nicht immer zufrieden stellend, aber im Gegensatz zu den Freiluft- und Dungeon-Abschnitten, wo keinerlei Anpassungen möglich sind, eine enorme Hilfe. Warum man sich außerhalb der Städte überhaupt nicht umsehen kann, ist mir allerdings ein Rätsel. Mag sein, dass dadurch die überall platzierten Muschelbehälter nicht ganz so leicht entdeckt werden können, wenn aber die Sicht durch Wände oder Vegetation komplett versperrt wird, ist das einfach nur lästig.

Auf in den Kampf

Lästig können übrigens auch die zahlreichen Zufallsbegegnungen werden, denen ihr auf euren Erkundungen ausgesetzt seid. Zwar gibt es Mittel, um diese zu reduzieren oder direkt an bereits besuchte Orte zu springen, aber potentielle Gegner nicht erkennen oder umgehen zu können ist heutzutage einfach nicht mehr zeitgemäß. Genauso wie die Tatsache aus auswegslosen Auseinandersetzungen nicht fliehen zu können. Jeder Kampf ist ein Kampf auf Leben und Tod. Gewinnt ihr, geht es weiter, verliert ihr, kommt ihr am letzten Speicherpunkt wieder zu euch, der mitunter ziemlich weit entfernt sein kann, da es ausgerechnet in den Gebieten, wo Gegner herum lungern, so gut wie keine Speicherpunkte gibt.

Der Kampfverlauf gestaltet sich trotz altmodischer Zufallsmechanismen und lästiger Beschränkungen allerdings überraschend originell: Gekämpft wird stets in Echtzeit mit einem meist zweiminütigem Countdown im Nacken, der euren Energievorrat symbolisieren soll. Läuft der Countdown ab, bevor alle Gegner eliminiert wurden, hat das denselben Effekt wie wenn eure Lebensenergie zur Neige geht.

Spezialangriffe haben durchschlagende Wirkung, sind aber umständlich zu aktivieren.Besonders kreativ waren die Entwickler beim Ausfechten der Kämpfe. Statt diverser Kampfbefehle schleudert ihr ein Energiebonbon auf eure Widersacher, dessen Wurfstärke und Flugbahn ihr mit dem Analogstick des Nunchuks bestimmt. Je fester ihr werft, umso ausgeprägter sind Flugkurve und erteilter Schaden, aber um so länger dauert es auch, bis ihr euren Bonbon wieder einsetzen könnt. Wer will, kann das Spiel übrigens komplett mit Nunchuk bestreiten, wobei die zusätzliche Nutzung der Remote euer Leben merklich vereinfacht.

Zudem erleiden fliegende Gegner mit einem Aufwärtshaken in der Regel mehr Schaden, während andere eher anfällig für Treffer von oben oder der Seite sind. Leider ist es oftmals aber vollkommen egal wie ihr werft, so lange ihr eure gegner nicht während einer Angriffsbewegung komplett verfehlt. Das System an sich ist aber sehr interessant, taktisch durchaus anspruchsvoll und auch abwechslungsreich, da sich kleinere Schurken oft hinter größeren verstecken oder gefährliche Bomben auf dem Schlachtfeld herum liegen, an denen ihr eure Angriffe gekonnt vorbei zirkeln müsst. Sobald ihr weitere Verbündete in eurer bis zu dreiköpfigen Gruppe habt, müsst ihr auch die Angriffe untereinander klug abstimmen, was auch die individuelle Zusammensetzung eures Bonbons betrifft, der mit verschiedenen Kernen und Ummantelungen spezielle Werte und Fähigkeiten erhält, die auch während eines Kampfes verändert werden können.

Ausgewogen unausgewogen

Darüber hinaus könnt ihr auch eine Reihe spezieller Angriffs-, Zauber-, Heil- und Unterstützungsaktionen ausführen, die ihr euch im Verlauf des Spiels automatisch aneignet, oder mitgeführte Items einsetzen. 

Ihr könnt unzähligen Nebenjobs nachgehen wie z. B. als Ukulele-Spieler im Park.Allerdings gestaltet sich die Ausführung äußerst hektisch, da ihr diese Aktionen über ein einblendbares Menü auswählen müsst ohne dass dabei das Spielgeschehen angehalten wird. In der Praxis verzettelt man sich dabei sehr schnell, führt ungewollte Aktionen aus, wird tödlich getroffen, während man einen Heilzauber ausführen will u. ä. Auch wenn das Ziel sicher war, eine gewisse Brisanz während der vorwiegend harmlosen Kämpfe aufrecht zu erhalten, sind die Entwickler hier definitiv über das Ziel hinaus geschossen, was gerade bei Bosskämpfen für reichlich Ärger und Frust sorgt.

Abgesehen davon ist die Spielbalance aber sehr ausgewogen. Kämpfe gegen gleichwertige Gegner erfordern durchaus Geschick ohne einen vor unlösbare Aufgaben zu stellen. Lediglich die Bosskämpfe kosten teils mehr Anstrengung und Nerven als eigentlich nötig, was besonders jüngere Spieler, an die sich der Titel angesichts der kindlichen Präsentation und Erzählweise definitiv richtet, mitunter verzweifeln lassen dürfte. Diese dürften sich wohl auch an erster Stelle darüber ärgern, dass es keinerlei Sprachausgabe gibt und ziemlich viel Text bewältigt werden muss. Ältere Spieler haben damit natürlich weniger Probleme. Die Lokalisierung macht aber nicht gerade die beste Figur und die teils extrem putzige und arglose Aufmachung schreckt wohl ebenfalls ab, was natürlich schade ist, denn hinter der knallbunten Zuckergussfassade schlummert ein durchaus umfangreiches und anspruchsvolles Rollenspielvergnügen, das mit etwas mehr Feintuning und Aufwand sogar Award-Chancen gehabt hätte...    

Fazit

Hinter der simplen, geradezu kindlichen Fassade von Opoona schlummert ein überraschend umfangreiches und komplexes Rollenspiel-Abenteuer alter Schule. Die zunächst belanglos erscheinende Story entwickelt mehr Tiefe als man denkt und wartet mit ungeahnten Wendungen auf. Nur schade, dass die Handlung so lapidar erzählt und präsentiert wird. Zwischensequenzen machen sich rar und wirken wenig dramatisch, Sprachausgabe fehlt gänzlich und die deutschen Dialogtexte erscheinen plump und einfältig. Dadurch bleiben auch die skurrilen Charaktere oberflächlich und austauschbar. Nichtsdestotrotz entwickelt der Titel eine charmante Anziehungskraft. Das liegt zum einen am originellen, aber teils leider auch sehr hektischen Kampfsystem, das auf altmodischen Zufallsbegegnungen in Echtzeit basiert, in denen man seinen Widersachern individualisierbare Energiebonbons entgegen schleudert. Das Prinzip ist simpel, aber alles andere als primitiv: Wurffrequenz und -kurven wollen später gut abgestimmt, Spezialangriffe wohl überlegt sein. Da sich die zeitlich begrenzten Kämpfe nicht pausieren lassen, artet aber gerade Letzteres oft in hektisches Geklicke aus, was zusammen mit der fehlenden Flucht- und eingeschränkten Speichermöglichkeit für unnötige Ärgernisse sorgt. Auch Kameraführung und Leveldesign müssen sich einige Kritik gefallen lassen. Als Ausgleich dürft ihr euch mit zahlreichen motivierenden Nebenaufgaben beschäftigen, unterschiedlichste Jobs annehmen, Freundschaften pflegen, euren Kunstverstand schärfen, TV-Sendungen verfolgen, Geheimcodes sammeln und vieles mehr. Sicher kein Meilenstein, aber ein originelles Kleinod, das ausgehungerte Wii-Rollenspieler angenehm überraschen wird, auch wenn mit etwas mehr Feinschliff weitaus mehr drin gewesen wäre...

Pro

viel zu tun
interessanter Plot
originelle Schleuderangriffe
motivierende Nebenaufgaben

Kontra

miese Kamera
mickrige Dungeons
schwache Dramaturgie
hektische Zufallskämpfe

Wertung

Wii

Liebe auf den zweiten Blick: Hinter der kindlichen Fassade schlummert ein ausgewachsenes Rollenspielvergnügen.

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